Dortmund souverän, Bochum zerlegt Bayern
13. Februar 2022"Höre ich noch was?", wollte Marco Reus mit seiner "Hand-am-Ohr-Geste" nach seinem Treffer zum 2:0 bei Union Berlin wohl sagen. Dabei hatte der BVB-Kapitän nach zuletzt schwachen Auftritten selbst zu den größten Kritikern seines Teams gehört und nach der 2:5-Heimpleite gegen Bayer Leverkusen offen die Mentalitätsfrage gestellt. Doch der 3:0-Sieg in Berlin, habe "gut getan", sagte Reus nach dem Spiel bei "DAZN". "Wir wollten diesen Kampf annehmen, das haben wir hier in den vergangenen Jahren zu selten getan. Aber heute schon."
Die Einstellung stimmte besonders im ersten Durchgang. Reus ging voran und traf zum 1:0 und 2:0 für den erneut ohne Toptorjäger Erling Haaland aufgestellten BVB. Sein zweiter Treffer, bei dem er nach einem perfekten Pass von Malen den Turbo zündete, den Ball im Vollsprint sehenswert an Union-Keeper Luthe vorbeilegte und aus spitzem Winkel vollendete, war bereits die Vorentscheidung für den ersten Bundesliga-Sieg des BVB im Stadion an der alten Försterei überhaupt.
BVB zu Null, Hoffenheim auf CL-Kurs
Mit "Balsam auf der Seele" beim Team von Marco Rose und den mitgereisten Fans ging es in die Kabine, aus der der BVB mit etwas defensiverer Orientierung heraus kam und im zweiten Durchgang deutlich weniger Chancen erarbeite. Doch nach gutem Nachsetzen von Malen staubte Guerreiro ab und markierte das 3:0 (71.). Der Treffer von Unions Kevin Möhwald zwei Minuten später wurde wegen eines Offensivfouls aberkannt.
"Mit der Doppelsechs hat der Trainer heute für mehr Stabilität gesorgt. Ganz ehrlich: Mit zwei, drei Mann hinten kannst du in der Bundesliga nicht überleben", sagte der gegen Leverkusen verletzt ausgefallene Mats Hummels und kritisierte, dass gegen die offensivstarken Rheinländer "nicht genügend Spieler, denen Konterabsicherung wichtig ist" auf dem Platz gestanden hätten. Und auch das lief heute besser: Bis auf den aberkannten Treffer von Möhwald musst Dortmund Torhüter Gregor Kobl mal nicht hinter sich greifen. "Die drei Punkte sind wichtiger, aber es tut schon gut, auch mal wieder zu Null gespielt zu haben", lautete das Fazit von Marco Rose bei "DAZN" nach dem ersten Spiel seines Teams ohne Gegentor im Jahr 2022.
Hoffenheim zurück in der Spur
Im späten Sonntagsspiel hat die TSG Hoffenheim ihre Niederlagenserie beendet und die Champions-League-Plätze wieder fest ins Visier genommen. Die Mannschaft von Trainer Sebastian Hoeneß besiegte Arminia Bielefeld nach vier Pflichtspielpleiten in Folge mit 2:0 (1:0) und schloss nach Punkten zum viertplatzierten Vize-Meister RB Leipzig auf. Kapitän Benjamin Hübner (22.) und Georginio Rutter (51.) erzielten vor rund 10.000 Zuschauern die Treffer der Gastgeber. Für Bielefeld war es der erste "Nuller" nach sechs Spielen ohne Niederlage in der Bundesliga. Das Team von Trainer Frank Kramer ist damit als Tabellenfünfter weiter punktgleich mit dem FC Augsburg auf dem Relegationsrang.
Bochums Jahrhundertspiel
Was für ein Nachmittag in Bochum: Der Aufsteiger aus dem Ruhrgebiet, im Hinspiel in München noch mit 0:7 unter die Räder gekommen, liefert gegen den Rekordmeister eine sensationelle erste Hälfte und seinen Fans mehr als nur Wiedergutmachung für die Hinrunden-Pleite. Ohne Übertreibung erlebten die rund 10.000 Zuschauer im Stadion ein wahres Fußballfest ihres VfL. Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als würden die Bayern ihre wochenendliche Bundesliga-Hürde wie gewohnt nehmen können. Robert Lewandowski markierte standesgemäß das frühe 1:0 für die Gäste (9.).
Doch der VfL kam durch Christopher Antwi-Adjei zum überraschenden Ausgleich (14.). Und dann drehte das Team von Trainer Thomas Reis gegen passive Münchener so richtig auf. Jürgen Locadia (38.), Cristian Gamboa (40.) und Gerrit Holtmann (44.) schossen binnen sechs Minuten eine 4:1-Führung heraus. Und auch die B-Note stimmte: Ein Tor schöner, als das andere. Die Blicke im Stadion zum Halbzeitpfiff: Wahlweise ungläubig oder überglücklich. "Zieht den Bayern die Lederhosen aus", schallte durch das Stadion.
Doch der Rekordmeister wollte die Schmach nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Allen voran Robert Lewandowski beschäftigte die Bochumer Defensive unermüdlich und traf folgerichtig zum 2:4 (75.). In der 86. Minute traf der Topstürmer mit einem tollen Freistoß nur den Pfosten, mehr war an diesem Nachmittag für Lewandowski und die Bayern nicht drin. "Das war für uns ein Gala-Spiel", sagte VfL-Kapitän Anthony Losilla. "Relativ früh" habe er gemerkt, dass etwas möglich ist: "Irgendwann hat alles geklappt." Joshua Kimmich war nach dem Spiel bedient: "Wir haben alle Tugenden vermissen lassen. Uns passiert das nicht zum ersten Mal in der Saison", fügte der Nationalspieler mit Verweis auf das 0:5 in Mönchengladbach im DFB-Pokal hinzu. Jeder müsse sich fragen, "ob das die Mentalität ist, die der FC Bayern verkörpern will".
Torfestival in Leverkusen
Auch der VfB Stuttgart erlebte im Top-Spiel einen ungemütlichen Abend. Das schlechteste Team im Jahr 2022 steckt tief im Tabellenkeller. Vier Punkte liegen die Stuttgarter, die gegen Leverkusens Offensivwucht letztlich chancenlos waren hinter dem Relegationsplatz. Trotz einer ordentlichen Leistung und dem Premieren-Tor von Youngster Tiago Tomas (19) verlor der Tabellenvorletzte beim Champions-League-Aspiranten verdient mit 2:4 und hat damit als erfolglosestes Team im Kalender-Jahr 2022 weiter vier Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz.
Aus den letzten sieben Spielen holte der VfB nur einen einzigen Punkt. Bayer ist dagegen weiter das erfolgreichste Team im Jahr 2022. Nach zuvor zweimal fünf Toren hintereinander gab es gegen Stuttgart vier Treffer: Moussa Diaby, beim 5:1 im letzten Heimspiel gegen Augsburg dreimal erfolgreich, nach schönem Solo (41.), der nur 1,74 Meter große Amine Adli per Kopf (52.), Jungstar Florian Wirtz (85.) und Torjäger Patrik Schick (89.) trafen für das Team der Stunde. Für den VfB traf der im Winter von Sporting Lissabon geliehene Tiago Tomas bei seinem Startelf-Debüt in der Bundesliga gleich doppelt (49. und 88.). Mit sieben Punkten Vorsprung auf Rang fünf hält Leverkusen weiter klar Kurs auf die zuletzt zweimal verpasste Champions League.
Kruse trifft für Wolfsburg
Abstiegssorgen ade? Soweit ist es noch nicht beim VfL Wolfsburg, aber der Trend zeigt klar nach oben. Nach dem 4:1 gegen Fürth gelingt dem VfL mit 2:0 gegen eine uninspirierte Frankfurter Eintracht der zweite Sieg in Serie. Seit Max Kruse da ist läuft es für das Team von Florian Kohfeldt, dessen Entlassung in Wolfsburg schon diskutiert worden war. Kruse sei sportlich wichtig und man merke auch, wie wichtig er "als Typ in der Kabine" sei, hatte Kohfeldt unter der Woche über den zum VfL zurückgekehrten Stürmer, der in seinen vergangenen drei Spielen gegen Frankfurt fünf Treffer erzielt hatte, gesagt. Heute wird der Trainer sicher auch ein Extralob für Kruse, der mit seinem ersten Treffer nach der Rückkehr per Elfmeter zum 1:0 einschob, parat gehabt haben. Frankfurt hingegen tat sich ohne Flügelstürmer Filip Kostic über die gesamte Zeit schwer und kam nie so richtig ins Spiel. Lukebakio machte kurz vor dem Abpfiff dann den Deckel für die Gäste drauf (90.+3)
Befreiungsschlag für Hütter
Einen Befreiungsschlag hingegen konnten Borussia Mönchengladbach und sein angezählter Trainer Adi Hütter feiern. Mit dem 3:2 gegen den FC Augsburg gelang nach zuletzt vier Heimniederlagen in Folge wieder einen Sieg, der dem Vorsprung auf die Gäste auf dem Relegationsrang auf vier Punkte anwachsen lässt. Kouadio Kone (30.), Jonas Hofmann (46.) und Ramy Bensebaini (67.) trafen für den fünfmaligen deutschen Meister vom Niederrhein, der zuvor nur eines seiner vergangenen neun Spiele gewonnen hatte. "Das war extrem wichtig. Uns fällt allen ein Stein vom Herzen", sagte Jonas Hofmann bei Sky und befand: "Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir ein sehr gutes Spiel gemacht. Das waren Schritte nach vorne."
Allen sei "eine Last von der Schulter" gefallen, sagte Hütter. "Augsburg hat uns teilweise vor Probleme gestellt. Trotzdem sind wir der verdiente Sieger." Doch trotz des "absoluten Befreiungsschlages" habe man "auch gesehen, dass wir noch nicht stabil genug sind." Der FCA wartet derweil auf den zweiten Auswärtserfolg in dieser Saison, daran änderten auch die Treffer von Iago (55.) und Alfred Finnbogason (90.+3) nichts mehr. Einen kurzfristigen Schiedsrichterwechsel gab es vor dem Anpfiff. Tobias Welz verletzte sich und wurde durch seinen Assistenten Martin Thomsen ersetzt.
Hrgota macht den Unterschied
Mancher Zuschauer am Fürther Ronhof hatte noch nicht Platz genommen, da zappelte der Ball bereits im Netz: Nach nicht einmal 30 Sekunden traf Kapitän Branimir Hrgota zum 1:0 für die Gastgeber und gab der leisen Hoffnung auf den Klassenerhalt in der Bundesliga damit neue Nahrung. Dem schnellsten Treffer in Greuther Fürths Bundesliga-Geschichte ließ das Team von Trainer Stefan Leitl eine ansehnliche Leistung folgen. "Ich hin sehr zufrieden. Das frühe Tor hat uns in die Karten gespielt. Wir hätten in der ersten Hälfte höher führen müssen. Wir waren sehr diszipliniert und hatten eine hohe Intensität auf dem Platz, das ist die Basis für unser Spiel", sagte Leitl nach dem dritten Saisonsieg seiner Mannschaft.
Die Vorstellung der Hertha hingegen war eher ein treffendes Beispiel dafür, warum man in der Hauptstadt bange in Richtung der Abstiegsränge schauen muss. Vom Relegationsrang 16 ist die Hertha nach der Pleite bei Schlusslicht Fürth, die Hrgota mit seinem zweiten Treffer in der 71. Minute perfekt machte, weiter nur noch einen Punkt entfernt. Der Anschlusstreffer durch Gechter (82.) konnte daran nichts mehr ändern. "Wir haben die erste Halbzeit verschlafen. Ich weiß nicht, warum wir uns von der Stimmung haben einschüchtern lassen. Es ist extrem Kacke, dass wir wieder in so einer Situation stecken", sagte Herthas Maximilian Mittelstädt nach dem Spiel. "Wir müssen mit viel Klarheit nochmal über dieses Spiel reden", sagte Hertha-Trainer Tayfun Korkut und erinnerte daran, dass die Punkte "nicht zugeflogen" kommen.
Petersen rettet Freiburg
Dank Topjoker Nils Petersen hat sich der SC Freiburg ein Remis gegen den FSV Mainz 05 erkämpft. Der Stürmer erzielte am Samstag für seine Breisgauer kurz nach seiner Einwechslung das Tor zum 1:1-Endstand (69.). Lange waren die Badener den zuvor wochenlang auswärtsschwachen Mainzern unterlegen gewesen, dann aber kam Petersen und staubte nach einer Ecke von Vincenzo Grifo mit dem Fuß ab. Alexander Hack (31.) hatte die Gäste vor zugelassenen 10.000 Zuschauern in Führung gebracht. Die Breisgauer belohnten sich mit dem Ausgleich auch für die klare Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit und verhinderten einen schlimmeren Dämpfer für ihre Europapokal-Ambitionen. "Ich bin ganz zufrieden mit dem 1:1. Ich glaube, die Mannschaft nach dem Rückstand auch. Deswegen sind wir ganz glücklich", sagte Freiburgs Nico Schlotterbeck.
Leipzig auf CL-Kurs
Vizemeister RB Leipzig ist zumindest vorerst auf einen Champions-League-Platz geklettert. Die Leipziger gewannen am Freitagabend vor erstmals wieder zugelassenen 15.000 Fans mit 3:1 (1:0) gegen den 1. FC Köln und belegen vor den weiteren Partien des 22. Spieltages Platz vier. Christopher Nkunku per Freistoß (25.), Dani Olmo (54.) und Angelino (57.) führten RB mit ihren Toren zum fünften Sieg im sechsten Pflichtspiel des Jahres 2022.
Beim FC fehlte "Lebensversicherung" Anthony Modeste. Der Franzose, der 14 der nun 34 Kölner Saisontreffer erzielt hat, ist krank und hinterließ eine Lücke, die seine Teamkollegen nicht schließen konnten. Zwar war Tim Lemperle noch erfolgreich (90.+1), der Treffer des 20-Jährigen kam aber zu spät, um die Kölner Niederlage noch zu verhindern.
Der 22. Spieltag im Überblick:
RB Leipzig - 1. FC Köln 3:1 (1:0)
Tore: 1:0 Nkunku (25.), 2:0 Olmo (54.), 3:0 Angelino (57.), 3:1 Lemperle (90.+1)
Eintracht Frankfurt - VfL Wolfsburg 0:2 (0:1)
Tore: 0:1 Kruse (28.), 0:2 Lukebakio (90.+3)
Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg 3:2 (1:0)
Tore: 1:0 Koné (30.), 2:0 Hofmann (46.), 2:1 Iago (55.), 3:1 Bensebaini (67.), 3:2 Finnbogason (90.+3)
SC Freiburg - FSV Mainz 05 1:1 (0:1)
Tore: 0:1 Hack (30.), 1:1 Petersen (69.)
VfL Bochum - Bayern München 4:2 (4:1)
Tore: 0:1 Lewandowski (9.), 1:1 Antwi-Adjei. 2:1 Locadia (38.), 3:1 Gamboa (40.). 4:1 Holtmann (44.), 4:2 Lewandowski (75.)
SpVgg Greuther Fürth - Hertha BSC 2:1 (1:0)
Tore: 1:0 Hrgota (1.), 2:0 Hrgota (71.), 2:1 Gechter (82.)
Bayer Leverkusen - VfB Stuttgart 4:2 (1:0)
Tore: 1:0 Diaby (41.), 1:1 Tomas (49.), 2:1 Adli (52.) 3:1 Wirtz (85.), 3:2 Tomas (88.), 4:2 Schick (89.)
1. FC Union Berlin - Borussia Dortmund 0:3 (0:2)
Tore: 0:1 Reus (18.), 0:2 Reus (24.), 0:3 Guerreiro (71.)
TSG Hoffenheim - Arminia Bielefeld 2:0 (1:0)
Tor: 1:0 Hübner (22.), 2:0 Rutter (51.)