Russlands Leichtathleten: Sperre für Rio
17. Juni 2016Russlands Leichtathleten dürfen nicht an den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro vom 5. bis 21. August teilnehmen. Das hat der Leichtathletik-Weltverband IAAF am Freitagabend nach einer mehrstündigen Sitzung in Wien bekannt gegeben. Die schon im November ausgesprochene Suspendierung durch die IAAF bleibt damit bestehen, weil Russlands Verband RUSAF nicht nachweisen konnte, dass der Anti-Doping-Kampf im Lande Fortschritte macht. Vielmehr hatten Recherchen, unter anderem deutscher Journalisten, ergeben, dass weiterhin systematisches Doping stattfindet, Kontrollen angekündigt, Kontrolleure behindert und positive Befunde vertuscht werden. "Das russische Anti-Doping-System ist frühestens in 18 bis 24 Monaten wieder regelkonform", teilte die IAAF am Abend mit.
Allerdings soll russischen Aktiven ohne Verbindung zum offiziellen RUSAF-System oder Whistleblowern wie der Russin Julia Stepanowa per Ausnahmeregelung die Möglichkeit zum Start bei internationalen Wettbewerben unter neutraler Flagge gegeben werden. Über Olympia-Teilnahmen entscheidet formal in letzter Instanz das Internationale Olympische Komitee (IOC). IAAF-Präsident Sebastian Coe sprach von einer einstimmigen Entscheidung der 24 Council-Mitglieder.
Russlands Sportminister Witali Mutko hat kämpferisch auf die Berichte reagiert. "Die Suspendierung ist eine erwartete Entscheidung. Wir hätten das vorhersagen können, wir werden reagieren", sagte das Regierungsmitglied am Freitag in Moskau. Unterdessen forderte das Sportministerium die IAAF auf, die weitere Sperre des russischen Verbandes WFLA zu überdenken. Russland sei zutiefst enttäuscht, hieß es in einer Mitteilung: "Der Traum vieler unserer Sportler ist zerstört wegen eines falschen Verhaltens einzelner Sportler, Trainer und Spezialisten."
Putins vergeblicher Vorstoß
Unmittelbar vor der Entscheidung hatte Russlands Staatspräsident Wladimir Putin an die IAAF appelliert, auf einen Olympia-Ausschluss zu verzichten. "Es kann keine Kollektivverantwortung aller Athleten geben", sagte der Kreml-Chef auf dem Wirtschaftsforum im russischen St. Petersburg. Doping sei auf persönliches Fehlverhalten zurückzuführen. "Es kann nicht sein, dass das gesamte Team die Schuld für Einzelne tragen muss."
Der Kreml-Chef wies erneut den Vorwurf zurück, staatliche Stellen seien in systematisches Doping in Russland verwickelt: "Es gibt keine Unterstützung der Regierung für Regelverletzungen im Sport, besonders nicht in der Frage des Dopings, und es kann auch keine geben." Vor Putin hatte bereits Russlands Sportminister Wladimir Mutko die IAAF in einem offenen Brief an IAAF-Präsident Sebastian Coe gebeten, die seit November 2015 bestehende Suspendierung des russischen Leichtathletik-Verbands "zu überdenken".
Gegen die "massive Ungerechtigkeit"
Äußerungen von IOC-Vizepräsident John Coates in Melbourne am Freitagnachmittag hatten den Olympia-Ausschluss bereits erahnen lassen. "Die Anti-Doping-Agentur und die Leichtathletik in Russland sind durch und durch verdorben", sagte der Australier. Coates, auch Chef des australischen Olympia-Komitees, beklagte die "massive Ungerechtigkeit" und bezog sich auf den Fall des australischen Gehers Jarred Tallent. Im März war Tallent der Olympiasieg von London 2012 zugesprochen worden, nachdem der zunächst Erstplatzierte Sergej Kirdjapkin aus Russland vom Internationalen Sportgerichtshof CAS disqualifiziert worden war.
Tallent war schon zuvor mehrfach von Dopingvergehen russischer Geher betroffen, so 2008 bei Olympia in Peking und 2011 bei der WM in Daegu/Südkorea. Dort war er jeweils Zweiter hinter einem Russen geworden, beide Sieger wurden nachträglich des Dopings überführt.
Starkes Signal
Die Athleten-Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hatte sich für eine harte Strafe gegen Russland eingesetzt. Die deutschen Sportler hatten in einem Brief an IOC-Präsident Thomas Bach und Craig Reedie, Chef der Welt-Anti-Doping-Behörde (WADA) ein starkes Signal gefordert, "dass man durch Betrug, Doping und Bestechung keinen Vorteil erlangt".
Vorwürfe gegen Diack
Vor der Entscheidung des Weltverbands war IAAF-Präsident Coe persönlich unter Druck geraten. Britische Medien berichteten unter anderem, Coe habe seine Wahl zum IAAF-Chef im August 2015 in Peking offenbar mit Hilfe des dubiosen früheren IAAF-Beraters Papa Massata Diack gewonnen. Der habe für Coe Stimmen aus afrikanischen Staaten besorgt. Der Sohn von Coes Amtsvorgänger Lamine Diack wird von Interpol wegen Korruptionsverdacht gesucht. Die IAAF wies die Vorwürfe gegen Coe zurück.