Doping-Skandal in Kenia: Laufend neuer Ärger
18. November 2015Kenia hat bei der Leichtathletik-WM im Sommer dieses Jahres in Peking die meisten Medaillen mit nach Hause gebracht. Doch der Erfolg hat einen bitteren Beigeschmack:Zwei der kenianischen Leistungsträger stehen in Verdacht nachgeholfen zu haben, darunter die 400-Meter-Läuferin Joyce Zakary (Artikelbild) und ihre Hürden-Kollegin Koki Manunga.
Bereits seit 2012 wurden 38 kenianische Leichtathleten positiv auf verbotene Substanzen getestet. Der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt spricht sogar von "einer Kultur des Dopings". In einem "armen" Land wie Kenia seien Ärzte verleitet, mit leistungssteigernden Drogen schnelles Geld zu machen. "Wir haben Bilder mit versteckter Kamera gemacht, die zeigen, dass Ärzte bereit sind ohne Indikation und ohne Rezept Epo an Athleten zu verabreichen." Epo steht kurz für 'Erythropoietin' - ein Mittel zur schnellen Blutbildung. Hajo Seppelt hat intensiv in Kenia für seine TV-Dokumentation "Geheimsache Doping - Im Schattenreich der Leichtathletik" recherchiert. Seit der Ausstrahlung Anfang August sind brisante Details der Öffentlichkeit bekannt und dennoch ist seitdem nichts passiert.
Verfehlungen sind bis in die höchsten Ränge des kenianischen Leichtathletik-Verbandes "Athletics Kenya" (AK) nachweisbar. Funktionäre sollen gegen Schmiergeld Sportlern Dopingtests vorher angekündigt oder sogar positive Ergebnisse vertuscht haben. Deshalb seien die Doping-Sünder weder registriert noch bestraft worden, sagt Seppelt. Aber auch bei den Finanzen war Betrug am Werk: Bankauszüge würden belegen, dass kenianische AK-Funktionäre, darunter auch der frühere Verbands-Präsident Isaiah Kiplagat, umgerechnet rund 650.000 Euro veruntreut haben sollen. Das Geld kam vom Sponsor Nike. "Sie können bis heute nicht erklären, wofür sie das Geld bar abgehoben haben", so Seppelt.
Aufklärung in eigener Sache?
Der kenianische Verband hat zwar seit einiger Zeit eine unabhängige Dopingagentur eingerichtet, aber der fehlten die finanziellen Mittel. Seppelt glaubt, dass ein weiteres Problem die umfassende Aufklärung der Doping-Affäre verhindere: Kritik aus dem Ausland empfinde man in Kenia als Kritik an der ganzen Nation. Daher nehme man diese typische Verteidigungshaltung ein und klage, das Ausland neide Kenia den Erfolg. "Aber ich glaube, mit dieser Denkweise kommt man nicht weiter."
Auch der Leichtathletik-Weltverband IAAF wird durch die kenianische Korruption in Mitleidenschaft gezogen: David Okeyo vertritt Kenia im IAAF-Council. Er ist der Vize-Präsident des nationalen Leichtathletik-Verbandes AK und wird verdächtigt, Doping-Fälle vertuscht zu haben. "Es ist relativ klar, dass die (Funktionäre im IAAF, Anm. der Red.) auch mit Kenia gedealt haben“, so der Doping-Experte.
Der IAAF behauptet, dass er den Fall Kenia schon längst an die interne Ethikkommission weitergeleitet hätte - ebenso wie belastende Dokumente. Gleichzeitig hätten sie jedoch bei Seppelt selbst nach Dokumenten gefragt. "Da scheint es eine Menge Chaos zu geben."
Sport in der Vertrauenskrise
Obwohl die kenianische Sportler-Elite derart ins Zwielicht geraten ist, will die Welt-Dopingagentur WADA zunächst keine unabhängige Untersuchungskommission einsetzen. Im Fall Russland hatte eine solche Kommission in der Vorwoche massive Verfehlungen in der russischen Leichtathletik und auch im Weltverband IAAF aufgedeckt. Ihr Bericht führte sogar dazu, dass Sportler der Gesamtrussischen Leichtathletik-Föderation (ARAF) bis auf Weiteres nicht mehr bei internationalen Veranstaltungen starten dürfen.
Dass eine Untersuchung der Vorwürfe gegen den kenianischen Verband ausbleibt, kann Seppelt nicht nachvollziehen. "Ich glaube, es ist der falsche Weg, den Kenianern selbst zu vertrauen."
Die obersten Gremien der WADA versammeln sich derzeit in Colorado Springs, USA. Dabei ist der Ausschluss Russlands das bestimmende Thema. Nur vielleicht wird es auch um Kenia gehen. Dabei ist eine Aufarbeitung längst überfällig. "Der Skandal kann am Ende auf Kenia zurückfallen. Wenn sie nicht in der in der Lage sind, ihren Laden aufzuräumen, müssen es andere tun." Als "Worst-Case-Szenario" droht Kenia auch der Ausschluss aus internationalen Wettbewerben, möglicherweise sogar von den Olympischen Spielen. "Das wäre für die Athleten sehr schockierend", erklärt Kipchoge Keino, der Vorsitzende des Kenianischen Olympischen Komitees. Er will das Ansehen des Sports im Lande wiederherstellen, wenn auch mit einer drastischen Forderung: "Die, die ins Doping involviert sind, sollten suspendiert werden. Und zwar ein Leben lang."