Trump wirbelt deutsche Politik durcheinander
21. Januar 2025Ende der Klimaschutzpolitik, Einfuhrzölle für europäische Waren, ein neuer Imperialismus, der den Panama-Kanal und Grönland beansprucht - Donald Trump lässt die schlimmsten Befürchtungen deutscher Politiker wahr werden.
Trotzdem rang sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Glückwunschschreiben ab und wünschte dem neuen US-Präsidenten zu seiner Amtseinführung "Kraft und Erfolg" für die anstehenden Aufgaben. Weiter heißt es: "Gemeinsam können wir entscheidende Impulse für Freiheit, Frieden und Sicherheit sowie für Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantiks setzen."
Anwesend war Scholz aber nicht in Washington, auch nicht Oppositionsführer Friedrich Merz von der konservativen Union aus CDU und CSU. Trump hatte dagegen politisch Gleichgesinnte wie Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und den argentinischen Präsidenten Javier Milei eingeladen.
Brisante Botschafter-Depesche
Die meisten deutschen Politiker haben durchblicken lassen oder sogar offen gesagt, dass sie viel lieber Kamala Harris von den US-Demokraten im Weißen Haus gesehen hätten. Mit einer Ausnahme: Die in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) freut sich auf Trump. Der Trump-Vertraute Elon Musk hat auf seiner Plattform X offen für die AfD im Bundestagswahlkampf geworben mit dem Satz "Nur die AfD kann Deutschland retten" und Scholz als "unfähigen Trottel" beschimpft.
Zu den transatlantischen Spannungen kam dann noch eine brisante Einschätzung des deutschen Botschafters in den USA, Andreas Michaelis, hinzu. Die für Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) bestimmte Depesche wurde den Medien zugespielt und enthält ätzende Kritik an Trump. Dieser verfolge eine Agenda "der maximalen Disruption". Demokratische Grundprinzipien und das US-System der Gewaltenteilung (Checks and Balances) würden weitestgehend ausgehebelt.
Merz hält das Papier für eine Katastrophe für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. "Für das Ansehen der Bundesregierung in Washington ist das ein großer Schaden. Von dieser Bundesregierung wird in Washington so schnell keiner mehr einen Gesprächspartner finden", sagte Merz im Deutschlandfunk.
Merz: Europäer müssen zusammenstehen
Während Scholz zunächst zu Trump auf Konfrontationskurs ging und zum Beispiel dessen Anspruch auf Grönland scharf kritisierte, zeigte sich Merz von Anfang an konzilianter. Er kann sich nach Umfragen gute Chancen ausrechnen, nach der Bundestagswahl am 23. Februar Bundeskanzler zu werden, und hätte dann als deutscher Regierungschef direkt mit Trump zu tun.
Merz will Trump "auf Augenhöhe" begegnen und setzt auf eine Bündelung europäischer Interessen. Auf eine Frage der DW nach seinen Erwartungen an Trump sagte Merz in Berlin bei einem Treffen europäischer Mitte-Rechts-Parteien: "Solange die europäischen Mitgliedsstaaten zusammenstehen, wird man sie in der Welt einschließlich den USA respektieren, und solange sie gespalten sind, wird uns niemand ernst nehmen. Das ist also nach meiner Ansicht der letzte Aufruf zum Handeln. Wir müssen das sowieso tun.”
In einem handschriftlichen Glückwunschbrief an Trump schreibt Merz unter anderem: "Sollte das deutsche Volk mir ein Mandat für die Kanzlerschaft erteilen, wird es eine meiner Prioritäten sein, mit Ihnen auf ein neues Kapitel in unseren Beziehungen hinzuarbeiten."
Habeck: Europa ist auf Zölle vorbereitet
Angesichts drohender US-Einfuhrzölle warnt die Deutsche Industrie- und Handelskammer bereits vor schwerwiegenden Konsequenzen. "Die Auswirkungen neuer US-Zölle wären gravierend für die deutsche Wirtschaft", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov der Zeitung "Rheinische Post". In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab - in der Industrie jeder zweite.
Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen zeigt sich dagegen kämpferisch: "Europa ist vorbereitet. Falls die Amerikaner Zölle erlassen - was ich nicht hoffe und nicht will - würde Europa jedenfalls in der Lage sein, Gegenmaßnahmen zu machen, auch welche, die die amerikanische Wirtschaft treffen", so Habeck in einem Interview mit der DW.
Habeck, in dessen Ressort auch der Klimaschutz fällt, sagte an anderer Stelle zum angekündigten Ausstieg der USA aus den Pariser Klimaschutzvereinbarungen: "Ich halte es für ein fatales Signal für die Welt." Doch auch im eigenen Land muss Habeck mit ansehen, dass Klimaschutz im Wahlkampf immer weiter nach hinten rückt.
Wer eingeladen wurde und wer nicht
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte während Trumps erster Präsidentschaft mit ihm zu tun. Sie hat sich jetzt noch einmal für eine Fortsetzung einer engen Partnerschaft mit den USA ausgesprochen. Die langjährige Kanzlerin hatte in ihren kürzlich erschienenen Memoiren die Schwierigkeiten offen ausgesprochen, die sie damals mit Trump hatte. Aber die transatlantische Partnerschaft sei heute noch unverzichtbarer als vor einigen Jahren, sagte Merkel beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen CDU. Nur mit den USA und innerhalb der NATO könne auch erreicht werden, "dass (der russische Präsident Wladimir) Putin den Krieg nicht gewinnt und die Ukraine als selbstständiger Staat bestehen bleibt".
Allerdings hat Trump angedeutet, dass er die Ukraine-Unterstützung beenden will und mit Putin ein schnelles Ende des Krieges suchen wird. Es wird befürchtet, dass die Ukraine dafür territoriale Zugeständnisse wird machen müssen.
Durch Trump im Aufwind sieht sich unterdessen die AfD, mit der keine andere Partei im Bundestag zusammenarbeiten will. In Fragen der Migration und der Energiepolitik liegen AfD und Trump nah beieinander, allerdings kommen aus der AfD auch immer wieder antiamerikanische Töne.
Trumps Nähe zur AfD zeigte sich auch in Washington: Während Bundeskanzler Scholz zur Vereidigung nicht eingeladen war, nahmen mit Tino Chrupalla und Beatrix von Storch zwei prominente AfD-Politiker teil.