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Trump: Freiheitsheld oder Sicherheitsrisiko?

27. August 2020

Die US-Republikaner feiern ihren Präsidenten diese Woche beim Parteitag als Retter der Nation. Aber es geht ein Riss durch die Partei. Einige Konservative tun alles, damit Donald Trump im Herbst nicht wiedergewählt wird.

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US-Präsident Donald Trump steht an einem Rednerpult vor us-amerikanischen Flaggen
Bild: picture-alliance/RNC/J. Koscielniak

Stacey ist aus Arizona zu Besuch in Washington, D.C. Als sie das DW-Team vor dem Lincoln Memorial entdeckt, ruft sie "Trump 2020" in Richtung der Journalisten und reckt die Arme in die Luft. Sie ist eine leidenschaftliche Unterstützerin des US-Präsidenten: "Ich war früher Demokratin", erklärt sie. Aber das sei vorbei - die Demokraten seien zu "sozialistischen Kommunisten" geworden. Jetzt feiert sie Donald Trump, der in den vergangenen knapp vier Jahren die USA zu einem besseren Land gemacht habe: "Unter Trump sind meine Steuern runtergegangen und meine Lebensqualität ist höher", sagt Stacey.

Organisationen wie Black Lives Matter, die gegen Trumps Politik demonstrieren, verabscheut sie. "Das sind terroristische Vereinigungen", sagt sie. "So ähnlich wie Hitlers Braunhemden." Die Republikanerin weiß zu schätzen, dass sie sich unter einem Präsidenten Trump keine Gedanken um politische Korrektheit machen müsse. "Ich mag meine Freiheit", sagt Stacey. "Es gefällt mir, dass ich sagen und tun kann, was ich möchte."

Trump als Beschützer der Freiheit und Held der Mittelklasse, dieses Bild ist es auch, dass die republikanische Partei diese Woche bei ihrem Parteitag präsentiert. Wegen der Coronavirus-Pandemie muss die große Party mit Tausenden Anhängern und Konfettiregen ausfallen. Aber wie schon die Demokratenn vergangene Woche feiern sich die Republikaner seit diesem Montag an vier Abenden hintereinander selbst, mit bewegenden Videomontagen und Reden, die die Menschen im Internet oder Fernsehen mitverfolgen können.

Zustimmungswerte um die 90 Prozent

Am ersten Abend warben neben Trumps ältestem Sohn Donald Trump Jr. und dessen Freundin Kimberly Guilfoyle auch viele "normale" Amerikaner wie Krankenschwestern, Soldaten und Lastwagenfahrer sowie bekannte republikanische Politiker, wie die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley, für die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten.

"Dieser Präsident kann auf eine Bilanz voller Stärke und Erfolge zurückblicken", sagte Haley in ihrer Rede über Trump. "Der ehemalige Vizepräsident [der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden, d. Red.] hat nur Schwäche und Misserfolge zu bieten." Eröffnungsredner Charlie Kirk, der Gründer einer konservativen Studentenorganisation, bezeichnete Trump als "Bodyguard der westlichen Zivilisation".

Der zweite Abend war eine Familienangelegenheit. Fernsehzuschauer sahen Trumps Kinder Tiffany und Eric sowie seine Ehefrau Melania, die seine Ehrlichkeit und Direktheit hervorhob: "Man weiß immer, was er denkt, ob es einem gefällt oder nicht."

Schon vor den Lobesreden des Parteitags lagen Trumps Zustimmungswerte innerhalb seiner eigenen Partei regelmäßig um die 90 Prozent. Also Friede, Freude, Eierkuchen bei den Republikanern, während sich bei den Demokraten der moderate und der progressive Flügel in den Haaren liegen? Nicht ganz. Bei den Republikanern regt sich Widerstand - gegen den eigenen Präsidenten. Seit Ende 2019 sprießen immer mehr Gruppen aus dem Boden, die sich aus dem konservativen Lager gegen eine Wiederwahl von Donald Trump organisieren.

Am deutlichsten wird die Spannung wohl am Ehepaar Conway: Kellyanne Conway, Beraterin des US-Präsidenten, und Rechtsanwalt George Conway, einer von Trumps schärfsten Kritikern und Mitgründer des Lincoln Projects, das - benannt nach Präsident Abraham Lincoln, einem republikanischen Helden, - unter anderem mit schicken Werbespots Stimmung gegen den Präsidenten macht. Vergangene Woche zogen sich beide von ihrem jeweiligen Posten zurück und nannten familiäre Gründe für ihre Entscheidungen. Als Ehepaar auf verschiedenen Seiten des Grabens zu stehen, der sich durch die republikanische Partei zieht, ist nicht leicht.

Mutige Unterstützung für Biden

Auch eine Reihe von ehemaligen republikanischen Politikern hat sich öffentlich gegen Trump ausgesprochen. Die "Former Republican National Security Officials for Biden" veröffentlichten Mitte August ein Statement, in dem sie erklärten, Trump stelle ein Risiko für die nationale Sicherheit der USA dar und sei nicht geeignet, das Land noch weiter zu regieren. Zu den Unterzeichnern dieser Erklärung gehören unter anderem der ehemalige US-Botschafter in Deutschland Richard Burt und James Kelly, der unter Präsident George W. Bush Vize-Außenminister war.

Porträtfoto von Joe Walsh, Gründer des Anti-Trump "Bravery Project"
Joe Walsh saß von 2011 bis 2013 für die Republikaner im RepräsentantenhausBild: Lee Ross Photography

Dass Präsident Trump die nationale Sicherheit der USA gefährde ist auch die Sorge von Joe Walsh. Der Republikaner kandidierte bei der ersten Vorwahl dieses Jahr in Iowa gegen Trump, "weil es wichtig war, dass ein Republikaner in der Öffentlichkeit sagt 'Donald Trump ist nicht geeignet für den Job'", erklärte Walsh.

Nachdem er beim republikanischen Caucus in Iowa nur 1,1 Prozent der Stimmen holte, beendete Walsh seine Kandidatur. Aber seinen Kampf gegen Trump gab er nicht auf. Im Sommer 2020 gründete er das Bravery Project. Die Organisation soll Republikanern und anderen Konservativen, die keine zweite Trump-Amtszeit mehr wollen, dabei helfen, in ihrem Umfeld Wahlkampf für Joe Biden zu machen. "Das sind Menschen, die noch nie Wahlkampf für einen Demokraten gemacht haben", sagt Walsh. Das "Mut-Projekt", unterstützt sie mit Tipps und virtuellen Veranstaltungen. Schließlich sei es als Republikaner nicht leicht, zu seinem konservativen Nachbarn zu gehen und ihm zu sagen, er solle Joe Biden wählen, erklärt Walsh. "Das erfordert Mut."

"Die Partei ist unwichtig"

Jack Spielmann ist einer dieser Trump-Enttäuschten in Michigan. "Ich war mein ganzes Erwachsenenleben Republikaner", erzählt er. Als Donald Trump 2016 die Vorwahlen gewann und der republikanische Präsidentschaftskandidat wurde, war Spielmann zwar nicht begeistert, gab ihm aber bei der Wahl im November seine Stimme. "Ich hatte seit 40 Jahren republikanisch gewählt, das war meine Partei", sagt der Internetsicherheitsberater. "Ich mochte Clinton nicht und ich war froh, als Trump gewann."

Aber seine Freude schlug schnell ins Gegenteil um. Spielmann war entsetzt über Trumps Tweets und über seine Außenpolitik. "Es war furchtbar, wie er die Kurden [im Norden Syriens, die Red.] im Stich gelassen hat", sagt Spielmann. "Er hat sich von unseren Verbündeten abgewendet. Er schadet dem Land und damit der ganzen Welt."

Kurden in den USA

Auch davon, wie Trump in der Corona-Krise handelt, sei er enttäuscht. "Trump hat gesagt, er übernimmt keinerlei Verantwortung dafür, was passiert ist. Aber das muss man als guter Anführer", sagt Spielmann, der 30 Jahre lang in der US-Armee gedient hat. Er werde im November Joe Biden wählen, sagt er: "Die Partei ist unwichtig. Was jetzt zählt, ist Trump aus dem Weißen Haus zu kriegen."

Joe Walsh ist überzeugt, dass das gelingen kann: Wenn sie nur ein paar tausend enttäuschte republikanische Wähler wie Spielmann in wahlentscheidenden "Swing States" dazu bewegen könnten, für Biden zu stimmen, werde Trump im November verlieren.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker