Doha-Einigung in letzter Minute
8. Dezember 2012Jubel brandet im Plenarsaal des Konferenzzentrums in Doha auf - Jubel, der allerdings sofort gedämpft wird, als sich der Vertreter Russlands zu Wort meldet. Eine Entscheidung nach der anderen auf diese Art zu beschließen sei "unwürdig", wirft Chefunterhändler Oleg Schamanow ein. Die von Konferenzpräsident Abdullah bin Hamad Al-Attiyah bereits "Doha Climate Gateway" benannte Einigung scheint wieder auf der Kippe zu stehen.
Doch Attiyah, der im Laufe der Konferenz viel Kritik für seine laxe Leitung eingesteckt hat, blieb von der russischen Kritik unbeeindruckt. Er nehme diese "wichtige Äußerung" zur Kenntnis, doch die von ihm verkündete Vereinbarung reflektiere den Willen der Parteien. Um kurz nach halb sieben Ortszeit, rund 24 Stunden nachdem sie planmäßig hätte enden sollen, war die Klimakonferenz in Doha damit zu Ende.
Gemischte Gefühle
Wegweisend indes ist das "Klimaportal von Doha" nicht. "Die Fortschritte sind nicht so groß gewesen, wie man es sich vielleicht hätte erträumen können", gibt auch Bundesumweltminister Peter Altmaier zu.
Ein Ergebnis: Die Verlängerung des Kyoto-Protokolls. Die zweite sogenannte Verpflichtungsperiode unter diesem Protokoll wird ab dem 1. Januar 2013 beginnen und - so wollte es die Europäische Union - bis Ende 2020 andauern. "Die zweite Verpflichtungsperiode von Kyoto ist der Schlüssel", zeigt sich auch der brasilianische Chefunterhändler Andre Correa do Lago zufrieden. "Sie ist der Schlüssel, weil wir damit den einzigen rechtlich bindenden Vertrag, unter dem wirklich Emissionen reduziert werden, als Vorlage für das neue Klimaabkommen behalten."
Bis 2015 soll ein neues Abkommen verhandelt werden, in dem sich nicht nur Industrie-, sondern auch Entwicklungsländer verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. 2020 - mit dem Auslaufen der Kyoto-Vereinbarung - soll es dann in Kraft treten.
Kritik an "Kyoto"
Umweltschützer hingegen sind wenig beeindruckt. "Wir haben viel zu niedrige Emissionsreduktionsziele in das zweite Kyoto-Protokoll geschrieben", kritisiert Ann-Kathrin Schneider vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Außerdem seien nur noch wenige Länder bei der zweiten Verpflichtungsperiode dabei.
Doch die Hauptkritik richtet sich gegen das, was im Lauf der Konferenz immer wieder als "heiße Luft" bezeichnet worden ist. Gemeint sind Emissionsrechte, die den Ländern in der ersten Verpflichtungsperiode zugestanden worden waren. Wegen des Einbruchs ihrer Volkswirtschaften nach der Wende hatten etliche osteuropäische Länder längst nicht alle dieser Emissionsrechte verbraucht und kämpften nun bei der Konferenz in Doha darum, die unverbrauchten Emissionsrechte in die zweite Verpflichtungsperiode zu überführen.
In der Vereinbarung von Doha steht nun ein Kompromiss: "Ein kleiner Teil der ungenutzten Verschmutzungsrechte kann bis 2020 genutzt werden", erklärt Martin Kaiser, der bei Greenpeace für internationale Klimapolitik zuständig ist. Was ihn und andere Umweltaktivisten allerdings mehr umtreibt: Die Sorge, dass Russland und die anderen osteuropäischen Staaten diese Emissionsrechte als Verhandlungsmasse mit einbringen werden, wenn es daran geht, das neue Klima-Abkommen zu verhandeln.
Enttäuschung Klimafinanzierung
Kritik hagelt es auch in puncto Klimafinanzierung: Entwicklungs- und Schwellenländer hatten konkrete Angaben gefordert, wie es damit ab 2013 weitergehen soll. Außerdem sollten die Industrieländer sagen, wie und wann konkret die Mittel, mit denen Entwicklungsländer sowohl ihre Treibhausgasemissionen senken als auch sich an den Klimawandel anpassen können, so aufgestockt werden, dass bis zum Jahr 2020 die vereinbarten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr fließen.
Doch die Entwicklungsländer werden ohne nähere Angaben aus Doha abreisen. "Das Paket macht keine konkreten Angaben zur Finanzierung ", kritisiert die Vereinigung kleiner Inselstaaten AOSIS das Abkommen, "nur Versprechen, die in der Zukunft möglicherweise eingehalten werden könnten."
Vor allem die USA hatten sich geweigert, konkrete Zusagen zu machen. Angesichts der Regierungsumbildung nach der Wiederwahl Barack Obamas und der schwierigen Haushaltslage hatte es während der Konferenz immer wieder geheißen, seien die USA so gut wie handlungsunfähig. "Dennoch denken wir", meint Alden Meyer von der US-Wissenschaftlervereinigung "Union of Concerned Scientists", "dass die USA etwas entgegenkommender hätten sein sollen und zusagen können, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und anderen dafür zu sorgen, dass unsere finanziellen Beiträge ab dem nächsten Jahr steigen und das zugesagte Niveau erreichen."
Neues Thema: Entschädigung bei Klimaschäden
Ein anderer Knackpunkt der Verhandlungen ist dagegen nach Ansicht der Umweltschützer zufriedenstellend gelöst worden: die Frage nach Entschädigungszahlungen für schwere Klimaschäden. "Gerade bei der Frage, wie man Leute entschädigt, die Haus und Hof verlieren, wurde hier die Tür ein Stück weit aufgemacht, um diese wichtige Frage zu verhandeln", meint Martin Kaiser von Greenpeace.
Es sei klar, dass dieses Thema mit einer zunehmenden Zahl an Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel verursacht werden, immer drängender werde. Auch Ann-Kathrin Schneider vom BUND ist mit diesem Teil der Einigung in Doha zufrieden: "Das ist das positivste, das hier in Doha herausgekommen ist", sagt sie.