Diplomatische Eiszeit in der Golfregion
4. Januar 2016Die Eskalation des Konflikts zwischen dem vorwiegend sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran hat jetzt auch die Weltmächte alarmiert. Nach den USA fordert auch Russland, die Krise umgehend mit diplomatischen Mitteln beizulegen. Mehrere europäische Staaten und China haben sich den Forderungen aus Washington und Moskau angeschlossen. Die russische Führung erklärte sich laut einem Agenturbericht bereit, im Streit zwischen Riad und Teheran zu vermitteln. Moskau unterhält enge Beziehungen zum Iran und hat sowohl bei dessen Einbeziehung in die Suche nach einer Lösung des Syrien-Konflikts wie auch beim Kompromiss um das iranische Atomprogramm eine entscheidende Rolle gespielt.
Auch das in der Nahost-Region gewöhnlich zurückhaltende China zeigte sich alarmiert: Man sei hochgradig besorgt, dass der Konflikt sich ausweiten könne, erklärte das Außenministerium in Peking. China zählt zu den größten Ölimporteuren.
Zuvor hatten schon die USA Saudi-Arabien und den Iran zur Mäßigung aufgefordert und die Regierungen in der gesamten Region aufgerufen, ihren Einfluss geltend zu machen, um die Lage zu beruhigen. Auch die Bundesregierung sowie mehrere europäische und arabische Länder drückten ihre Sorge vor einer weiteren Destabilisierung der gesamten Nahost-Region aus und riefen die Beteiligten zum Dialog auf.
Saudis stoppen sämtliche Kontakte
Mit Bahrain und dem Sudan brachen zwei weitere sunnitisch regierte Staaten die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Die Vereinigten Arabischen Emirate stuften die diplomatischen Beziehungen zum Iran herab und zogen ihren Botschafter aus Teheran ab.
Zuvor hatte das saudische Königshaus bereits die diplomatischen Beziehungen zum Iran gekappt. Alle iranischen Diplomaten müssen bis Dienstagabend das Land verlassen. Jetzt legt Riad nach: Außenminister Adel al-Jubeir sagte der Nachrichtenagentur Reuters, alle Handelsbeziehungen zum Iran würden beendet. Außerdem werde der Flugverkehr zwischen beiden Staaten eingestellt. Saudische Bürger dürften auch nicht mehr in den Iran reisen. Iranische Pilger seien allerdings nach wie vor willkommen, die heiligen Stätten in Mekka und Medina zu besuchen.
Hinrichtung als Vorwand für offenen Streit?
Die schon lange schwelenden Spannungen zwischen dem sunnitischen saudischen Königshaus und der revolutionär-klerikal ausgerichteten schiitischen Führung im Iran hatten sich durch die Hinrichtung des prominenten schiitischen Geistlichen Nimr Baker al-Nimr, der als entschiedener Gegner des Königshauses galt, verschärft.
Der oberste geistliche und politische Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, drohte dem saudischen Königshaus nach der Hinrichtung am Samstag mit der "Rache Gottes". Auch die Revolutionsgarden kündigten "scharfe Vergeltung" an.
Proteste gegen die Hinrichtung waren daraufhin am Wochenende in Teheran außer Kontrolle geraten. Demonstranten stürmten und verwüsteten die saudische Botschaft in der iranischen Hauptstadt. Am Montag gingen in Teheran erneut tausende Menschen auf die Straße, um gegen Riad zu protestieren (Artikelbild).
Iran verschärft den Ton
Das iranische Außenministerium warf Saudi-Arabien vor, die Gewalt gegen seine Botschaft als Vorwand zu nutzen, um die Spannungen zwischen beiden Staaten bewusst anzuheizen. Hintergrund ist der Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die saudische Führung nach dem Sturm auf die Botschaft in Teheran.
Auch aus dem Umfeld der saudischen Regierung gab es Hinweise auf tiefergreifende Hintergründe für den Abbruch der Beziehungen. Man sei der Ansicht, "genug ist genug", sagte ein Insider, der mit den Überlegungen der Führung in Riad vertraut ist. Der Iran fördere nach wie vor den Terrorismus, starte ballistische Raketen, und niemand unternehme etwas dagegen. Der saudischen Regierung sei es auch gleichgültig, ob sie mit dem Abbruch der Beziehungen die US-Regierung verärgere. Durch das Atomabkommen mit dem Iran hatte sich das saudisch-amerikanische Verhältnis stark abgekühlt.
Die Beziehungen zwischen Riad und Teheran sind seit der islamischen Revolution im Iran 1979 angespannt. Saudi-Arabien wirft dem Iran immer wieder eine Einmischung in arabische Angelegenheiten vor. Beide Staaten verfolgen zudem gegensätzliche Interessen in der Region. Teheran unterstützt etwa im Gegensatz zu Riad in Syrien Machthaber Baschar al-Assad und im Jemen die schiitschen Huthi-Rebellen, die von einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition bekämpft werden. Der Streit zwischen den beiden Staaten, die um Macht und Einfluss in der Region konkurrieren, erschüttert schon jetzt den gesamten Nahen Osten.
qu/kle (rtr, afp, dpa)