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"Konflikt ist für China sehr viel teurer"

13. Mai 2019

Die USA haben ihre Strafzölle auf China-Importe ausgeweitet, China hat mit neuen Zöllen auf US-Importe reagiert. Über die Folgen spricht der Chef des Kieler Institutes für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, mit der DW.

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US-Flagge und chinesische Fahne im Freihandelshafen von Qingdao
Eine der Drehscheiben für den Handel Chinas mit den USA: der Freihandelshafen von Qingdao in der Provinz ShandongBild: Getty Images/AFP/STR

DW: Halten Sie eine Lösung im Handelskonflikt zwischen USA und China noch für möglich? Wie könnte so eine Einigung aussehen?

Gabriel Felbermayr: Ja, ich halte eine Lösung des Handelskonflikts zwischen China und USA für möglich, ja sogar für geboten. Donald Trump möchte ja als Sieger vom Feld gehen und das heißt: Er muss die Chinesen zu Zugeständnissen bewegen, die er dann der US-Öffentlichkeit verkaufen kann. Als Lösung des Konflikts, als Veränderung der Situation zum Besseren hin.

Er möchte gerne als Präsident in die Geschichte eingehen, der die höchsten Aktienkurse und Unternehmensgewinne produziert hat und dafür braucht er eine Beruhigung dieses Konflikts mit China. Deswegen ist diese schrittweise Eskalation, die wir jetzt sehen, ein taktisches Manöver, um die Chinesen zu Zugeständnissen zu zwingen. Aber auch, um nach innen zu sagen: Ich verhandle ganz hart und mache das, damit ich das Maximum heraushole, was mir die Chinesen zugestehen können.

Gabriel Felbermayr
Gabriel Felbermayr, Leiter am Institut für Weltwirtschaft (IfW)Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Wie eine solche Lösung genau aussieht, kann uns dann durchaus im Detail überraschen. Die Chinesen werden wahrscheinlich versprechen müssen, US-Produkte zu kaufen - von Flüssiggas über Sojabohnen bis hin zu amerikanischen Flugzeugen. Es wird eine sehr ungewöhnliche Lösung sein. China wird sich in einigen Punkten auch tatsächlich genötigt sehen, etwas an eigenen Institutionen oder Gesetzen zu verändern. Aber im Großen und Ganzen, glaube ich, wird da sehr viel Symbolpolitik gemacht werden und sich an ganz konkreten einzelnen Projekten aufhängen. Denn auch das wird es dem Präsidenten erleichtern, die Dinge gut zu kommunizieren.

Dann kann man seinen unterschiedlichen Unterstützer-Gruppen sagen: Ich habe die Chinesen dazu gebracht, dass sie mehr von euren Gütern kaufen. Und das schlägt sich dann natürlich sofort nieder: in höheren Absätzen, in höherer Beschäftigung, in höheren Gewinnen in diesen Branchen.

Chinas Handelspartner spüren die Folgen

Seit Juli 2018 überziehen sich die beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt gegenseitig mit Zöllen, was bereits die globale Konjunktur bremst. Was können die Folgen sein, wenn der Streit weiter eskaliert?

Wenn der Streit weiter eskaliert und es tatsächlich zu einer langfristigen Belastung des gesamten amerikanisch-chinesischen Handels mit Zöllen kommt - 540 Milliarden Dollar an Importen der Amerikaner aus China und 120 Milliarden Dollar an Importen der Chinesen aus Amerika -, wenn das alles mit Zöllen belastet würde, dann rechnen wir damit, dass 40 bis 50 Milliarden Dollar an Weltwirtschafts-Leistung dadurch vernichtet werden.

Das wäre für die Welt keine gute Nachricht und insbesondere für China keine gute Nachricht. Denn dieser Handelskonfllikt ist - jedenfalls ökonomisch gesehen - für China sehr viel teurer als für die USA. Und all die Länder, die stark an China hängen mit ihrer eigenen Konjunktur - sei es in Südostasien, sei es auch in Europa, wie Deutschland zum Beispiel, die wären durch eine solche Schwächung Chinas stärker betroffen.

Insofern gibt es da schon ein erhebliches Gefahrenpotenzial. Falls diese Einigung nicht zustande kommt. Und selbst wenn sie zustande kommt, dann geht zwar Donald Trump als Sieger vom Platz oder wird das so inszenieren. Aber für die Welt ist das auch nicht gut. Denn diese Art von bilateraler Absprache, die unter hohem Druck entsteht, die dann auch wahrscheinlich sehr unkonventionell gestaltet wird, China verspricht dies und jenes zu kaufen, Diese Art von Absprache ist natürlich mit der Welthandelsorganisation und dem Multilateralismus nicht gut vereinbar. 

Was man auch dann sehen würde. Wie stark die USA in der Lage sind, selbst eine sehr große Volkswirtschaft wie die chinesische so stark unter Druck zu setzen, dass sie Zugeständnisse macht. All das schürt weitere Unsicherheit und deswegen, was Donald Trump als Sieg verkaufen würde, wäre sicherlich nicht unbedingt das Beste für die Weltwirtschaft insgesamt.

Erhebliches Gefahrenpotential

Trump verkündete, die USA könnten die Produkte, die sie bisher aus China beziehen, künftig entweder selber produzieren oder aus Ländern kaufen, die nicht mit Zöllen belegt wurden? Ist das realistisch?

Teilweise ja. Wir sehen ja jetzt schon, dass es zu Umlenkungs-Effekten im Handel kommt. Die Chinesen haben ja kurzzeitig den Import von amerikanischen Sojabohnen stark eingeschränkt. Und dann sind diese Sojabohnen eben nicht mehr nach China gegangen, sondern nach Europa. Allerdings zu Preisabschlägen. Die US-Farmer konnten ihre Sojabohnen nicht zu den üblichen Preisen an andere Käufer veräußern und hatten dadurch Einbußen.

Außerdem ist die Vorstellung, dass man das, was man heute aus China holt, zu Hause produzieren könnte, ziemlich verquer. Denn die amerikanische Volkswirtschaft ist nahe an ihrer Vollauslastung. Das heißt, wenn man wirklich diese 540 Milliarden Dollar an Importen nicht mehr aus China holen will, sondern aus den USA, dann müsste man auch die Ressourcen aufbringen, die Arbeitskräfte, das Kapital, den Boden und so weiter, um diese Produktion darzustellen. Und das ist in einer Ökonomie mit Vollauslastung eigentlich überhaupt nicht vorstellbar. Das müssten also Güter sein, die nicht aus China kommen, sondern dann von anderen Handelspartnern. Und da gibt es viele, die sich freuen würden, mehr in die USA zu exportieren. Aber das große Ziel des Herrn Trump, nämlich die Verringerung des Leistungsbilanzdefizits gegenüber der Welt. Das wird auf diese Art und Weise ganz sicher nicht erreicht.

Wie würde sich eine Eskalation des Konfliktes zwischen China und den USA auf Europa und Deutschland auswirken?

Das ist eine sehr interessante Frage, denn in Europa könnten wir durchaus auch positive Effekte sehen durch diesen Konflikt. Einerseits. Wenn Amerika und China sich gegenseitig abschotten, dann bedeutet das, dass in den Märkten China und USA neue Chancen entstehen könnten für europäische Wettbewerber, die bisher dort nicht verkauft haben, weil dort die Chinesen oder die Amerikaner die besseren Karten haben. Das könnte sogar positiv auf uns wirken.

Aber wenn dieser Konflikt zwischen den USA und China andererseits dazu führt, dass das ganze internationale Welthandels-System aus den Fugen gerät, dass die WTO großen Schaden nimmt, dann würde das auch uns hier in Europa negativ betreffen. Und zwar nicht nicht nur im Handel mit China und den USA, sondern auch im Handel mit Dritten. Und das wäre dann in der Summe wahrscheinlich nicht gut für uns. Aber es gibt eben tatsächlich auch positive Chancen aus dem Konflikt und wenn Donald Trump erreichen würde, was er sich vorgenommen hat, also wenn er China ein Stück weit offener macht, dann könnte das auch für Europa ganz gut sein.

Wir sehen das jetzt schon dadurch, dass die Chinesen ihre Importzölle für Autos gesenkt haben - auch unter dem Druck der Amerikaner. Das hilft jetzt schon europäischen Exporteuren. Und im Investitionsbereich sehen wir jetzt schon, dass China den Joint-Venture-Zwang in manchen Bereichen aufgehoben hat. BASF oder BMW wollen Töchter gründen, die ihnen zu 100 Prozent gehören, ohne zwangsweise einen chinesischen Partner mit ins Boot holen zu müssen. Das war bisher nicht der Fall. Da sieht man, dass dieser Konflikt Europa nicht nur schadet. Schädlich ist natürlich die Unsicherheit durch den Handelskonflikt, aber trotzdem kann Europa auch Nutzen daraus ziehen. Wenn nämlich dadurch der Marktzugang in China besser werden sollte.

Der Außenwirtschafts- und Handelsexperte Gabriel Felbermayr ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und lehrt Volkswirtschafts­lehre an der dortigen Christian-Albrechts-Universität. Davor leitete er viele Jahre die Abteilung für Außenwirtschaft am Münchner ifo-Institut und lehrte an der Universität München.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion