Dieselgate: Manipuliert eine ganze Branche?
18. Februar 2016Fünf Monate sind seit dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals vergangen. Im September musste der Volkswagen-Konzern zugeben, eine Manipulations-Software eingesetzt zu haben, die den Stickoxid-Ausstoß im Testbetrieb zu niedrig auswies - und das bei weltweit rund elf Millionen Dieselfahrzeugen mehrerer Marken des Wolfsburger Autobauers.
Was ist bislang aufgeklärt? Welche politischen Konsequenzen wurden gezogen? Erschreckend wenige, kritisieren die Grünen, die das Thema daher jetzt einmal mehr im Bundestag zur Debatte gestellt haben. Keine Woche vergeht, ohne dass weitere Automobilhersteller in den Verdacht geraten, ebenfalls mit gezinkten Karten zu spielen. Parlamentariern wie Oliver Krischer geht es deshalb um mehr als nur um VW. Die Manipulation der Motorsteuerungssoftware sei nur die Spitze des Eisbergs.
"Ist es am Ende nicht nur VW, ist es am Ende die gesamte Automobilwirtschaft, die hier mit Manipulationen arbeitet?", fragt der Grünen-Bundestagsabgeordnete. Der "eigentliche Skandal" sei, dass Abgasmanipulationen und das Überschreiten von Grenzwerten bei vielen Automarken stattfänden und dass die Branche dies nach wie vor billigend in Kauf nehme, so Krischers Vorwurf: "Und das können wir nicht länger hinnehmen."
Vorwürfe gegen den Verkehrsminister
Umweltschützer beschweren sich seit der Einführung von Abgasvorschriften für Pkw im Jahr 1970 darüber, dass die angegebenen Abgaswerte nur theoretischer Natur sind, weil sie auf Prüfständen in Laboren ermittelt werden und nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Tatsächlich haben sich die Stickoxidwerte in Städten und dort besonders an viel befahrenen Straßen stark erhöht. "Das ist beileibe keine Lappalie, sondern ein gigantisches Industrie- und Umweltproblem, denn tausende Menschen sterben in unserem Land an den Folgen von Verkehrsemissionen und Zehntausende werden krank", kritisiert der Grünen-Fraktionsvize.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) werfen die Grünen, aber auch die Linkspartei nicht nur eine zu zögerliche, sondern auch intransparente Aufklärung vor. "Nach fünf Monaten müssen wir einfach feststellen, was dieser Minister gar nichts zur Lösung des Problems beiträgt und das ist inzwischen der Skandal im Skandal", so Krischer.
Der Sumpf und die Frösche
Tatsächlich ist es fast unmöglich, aus dem Verkehrsministerium Einzelheiten über den Stand der Ermittlungen zu erfahren. Um die kümmert sich eine interne Untersuchungskommission aus den Reihen des Verkehrsministeriums und des Kraftfahrtbundesamts, plus einem externen Experten. "Das sind genau die Leute, die jahrelang entweder beim Skandal mitgemacht, oder trotz eindeutiger Informationen zumindest weggeschaut und nicht gehandelt haben", wettert Krischer. "Man kann nicht die Frösche damit beauftragen, den Sumpf trocken zu legen."
Ein Vorwurf, den der Bundesverkehrsminister weit von sich weist. "Wir haben eine klare Strategie im Umgang mit dem VW-Skandal. Wir treiben die Umsetzung auch energisch voran, wir klären auf, die Fehler werden beseitigt und die Prozesse optimiert", erwiderte Alexander Dobrindt im Bundestag.
Herstellern soll vorgeschrieben werden, Motorsoftware beim Kraftfahrt-Bundesamt offenzulegen. Technische Prüfdienste sollen sich bei Autobauern abwechseln. Bereits am Wochenende hatte Dobrindt bekannt gegeben, dass in Zukunft - wie bei Dopingtests - Fahrzeuge nach dem Zufallsprinzip ausgewählt würden, um deren Schadstoffausstoß zu testen. Konkret will der Verkehrsminister die Autos beispielsweise bei Autovermietungen leihen, um sie auf staatliche Prüfstände zu stellen, die dazu noch errichtet werden sollen.
Aufklärung im Sinne der Wirtschaft und der Kunden
Insbesondere von diesen Abgaskontrollen verspricht sich der Minister eine abschreckende Wirkung. Manipulationsversuche würden in Zukunft nicht unentdeckt bleiben. Vehement wies Dobrindt den Vorwurf einer zu großen Nähe zur Autoindustrie zurück. Die Zusammenarbeit zwischen der Untersuchungskommission und Volkswagen sei partnerschaftlich, aber VW erhalte klare Vorgaben für das weitere Vorgehen.
"Partnerschaft ist keine Kumpanei", verteidigte Christsoziale seine Linie. "Das ist im Interesse der Kunden, das ist im Interesse des Automobilstandorts Deutschland und übrigens auch im Interesse von hunderttausenden Mitarbeitern in der Automobilindustrie, die jeden Tag korrekt und gewissenhaft ihre Arbeit machen und die es nicht verdient haben, unter Generalverdacht gestellt zu werden."
Volkswagen teilte unterdessen mit, die Umrüstaktion betroffener Dieselfahrzeuge komme planmäßig voran. Es seien bisher etwa 4300 Amarok mit einer neuen Software ausgestattet worden - das seien mehr als 50 Prozent der betroffenen Wagen. Als nächstes sollen im März Fahrzeuge vom Typ Passat zurückgerufen werden.