"Politik muss Grenzwerte vorgeben, keine Technologie"
1. September 2017Deutsche Welle: Prof. Albers, mittlerweile scheint es sich herumzusprechen, dass Autos mit Elektro-Antrieb längst nicht so umweltfreundlich sind, wie gedacht. Wie stellt sich die Öko-Bilanz eines Elektro-Fahrzeugs aus Ihrer Sicht dar?
Albert Albers: Wir reden jetzt hier von batterie-elektrischen Fahrzeugen. Bei denen kann man davon ausgehen, dass die Herstellung dieser Fahrzeuge deutlich mehr CO2 und Öko-Effekte hat als bei einem Verbrennungsantrieb. Man schätzt, dass nach etwa 80.000 Fahrkilometern dieses Anfangshandicap aufgeholt wird. Erst danach wird das Elektrofahrzeug mit Batterie ökologisch sinnvoller und hat Vorteile gegenüber dem Verbrennungsmotor.
Nun sind die konventionellen Verbrennungsmotoren ja auch nicht gerade Öko-Wunder. Welche Vorteile bieten sie?
Das muss man differenziert betrachten. Zunächst ist die Herstellung dieser Fahrzeuge ökologisch günstiger. Ferner haben sie im Betrieb durch die lange Optimierung sehr niedrige CO2-Emissionen. Wenn Sie bei einem batterie-elektrischen Fahrzeug den heutigen Strommix zugrunde legen, ist sogar die CO2-Bilanz eines Elektro-Fahrzeuges mit Batterie schlechter als die eines optimierten Diesel-Motors.
Wie erklären Sie sich denn die öffentlichen Diskussionen? Warum werden diese Tatsachen, die Sie als Fachmann schildern, überhaupt in Frage gestellt?
Diese Tatsachen werden in den Hintergrund gedrängt durch populistische Diskussionen. Es ist völlig inakzeptabel, dass man eine Technologie, wie beispielsweise das Diesel-Prinzip, grundsätzlich in Frage stellt, ohne dies technisch ausreichend zu begründen. Vielleicht werden solche Themen einfach nur gerne aufgebauscht. Ich glaube aber, dass die Bevölkerung langsam etwas kritischer wird und das Ganze hinterfragt. Wir müssen einfach technologie-offen denken. Politik kann, soll und muss Grenzwerte vorgeben, um ökologisch zu steuern - aber keine Technologien. Das ist eigentlich der Kernpunkt. Gleichzeitig muss man bedenken, dass der Anteil der Verbrennungsmotoren schätzungsweise bis zum Jahr 2030 weltweit noch sehr deutlich steigen wird. Wir können uns entscheiden, ob wir die bauen wollen oder das andere tun werden. Also auch volkswirtschaftlich gesehen ist es eine sehr gefährliche populistische Diskussion, die von Teilen in der Politik und auch von den Medien geführt wird. Wir gefährden schlicht und einfach Arbeitsplätze.
Aber diese Diskussion wird doch auch von der Autoindustrie selbst aufgegriffen, wenn sie ständig darauf hinweist, dass sie Milliardensummen in Erforschung und Entwicklung von Elektroantrieben investiert?
Genau das meine ich mit meiner Forderung nach Offenheit gegenüber allen Technologien. Ein Unternehmen aus dieser Branche muss sich technologie-offen aufstellen und muss diese neuen Technologien angehen. Wir reden hier vom elektromotorischen Antrieb, der natürlich auch auf einer Brennstoffzelle basieren kann, die mit Wasserstoff betrieben den nötigen Strom erzeugt. Auch hier ist es ganz wichtig, Technologien nicht nur einseitig zu propagieren. Natürlich müssen die Autohersteller auch noch lange an der Optimierung von Verbrennungsmotoren arbeiten. Forschungsanstrengungen an die batterie-elektrischen Antriebe, an die hybriden Antriebe, an die Brennstoffzellen-Antriebe als neue Alternativen sind sehr zu befürworten, um zu sinnvollen Lösungen zu kommen.
Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit Antriebssystemen aller Art. Welcher Technologie geben Sie aufgrund Ihrer Erfahrung die größten Chancen für die Zukunft?
Ich glaube, es wird noch viele Jahrzehnte einen sehr breiten Mix geben. Global gesehen, werden wir durch immer höhere Mobilitätsraten in China, Indien und Afrika immer mehr Fahrzeuge auf der Welt haben. Diese wird man nicht flächendeckend mit Batterie-Elektrik betreiben können. Wir werden noch starke Optimierungen sehen bei den Verbrennungsmotoren. Die nächste Generation Dieselmotoren wird das Thema Stickoxide weitestgehend eliminieren, im Bereich der CO2 Emissionen sind Diesel-Fahrzeuge heute schon unschlagbar. Wir werden viele alte und neue Technologien gleichzeitig sehen und sich darauf vorzubereiten, in Forschung und Innovation, bei den Unternehmen aber auch bei den Forschern, ist für mich zentral.
Das Gespräch führte Klaus Ulrich.
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Albert Albers ist Ordinarius und Sprecher der Institutsleitung des IPEK - Institut für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der studierte Maschinenbauer beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit Produktentwicklungsmethodik, Innovationsmanagement und allen Antriebssystemen für Fahrzeuge vom Verbrennungsmotor über Hybridtechnologie bis hin zum Elektromotor.