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Diebstähle von Nazi-Objekten nehmen zu

Philipp Jedicke
6. November 2020

Nach einer Diebstahlserie in den Niederlanden wurden nun auch in einem Museum in Dänemark Nazi-Uniformen geraubt. Warum häufen sich vergleichbare Fälle?

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Nazi-Uniformen im Deutschen Historischen Museum in Berlin
NS-Uniformen wurden in den Niederlanden und in Dänemark gestohlenBild: Andreas Rentz/Getty Images

Immer wieder gab es in den letzten Jahren Berichte über gestohlene oder gefälschte NS-Devotionalien. Jetzt sorgt eine Diebstahlserie in den Niederlanden und Dänemark für Aufsehen. Im August 2020 brachen sechs Personen die Eingangstür des "Eyewitness Museum" in Beek auf, schlugen Schaukästen ein und raubten daraus NS-Ausstellungsgegenstände im Wert von etwa 1,5 Millionen Euro. Sie brauchten dafür nur sechs Minuten. Die Diebe wussten offenbar genau, was sie mitnehmen wollten. 

Im Oktober erfolgte ein ähnlicher Raub im Kriegsmuseum in Ossendrecht, wo die Diebe weniger brachial vorgingen, aber nicht weniger dreist - so stahlen sie unter anderem zahlreiche Schaufensterpuppen in historischen Uniformen sowie Waffen. Hier beläuft sich der Schaden auf knapp eine Million Euro. 

Sicherheitsvorkehrungen aus Angst vor weiteren Diebstählen

Frans van Venrooij, Direktor des Kriegsmuseums in Loon op Zand, entschloss sich daraufhin, nicht nur dazusitzen und abzuwarten, bis es auch sein Museum erwischt. Er brachte Gegenstände wie Essbestecke von Adolf Hitler und Heinrich Himmler sowie SS- und Hitlerjugend-Uniformen in Sicherheit und stattete die Eingangstür seines Museums mit speziellen Sicherungen aus. Seine Kollegen vom Kriegsmuseum in Overloon gaben vorsorglich wertvolle Leihgaben vom Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation zurück - darunter eines der sogenannten Sterbebücher aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Doch der nächste Raub passierte gar nicht in den Niederlanden: In der Nacht auf den 3. November 2020 entwendeten unbekannte Täter 20 Ausstellungsstücke aus dem Deutschen Museum Nordschleswig im dänischen Sønderborg. In einer Pressemitteilung des Museums heißt es: "Der oder die Täter haben es bei dem Einbruch auf Gegenstände abgesehen, die die nationalsozialistische Vergangenheit der Minderheit beleuchten. Dabei dreht es sich vor allem um verschiedene Uniformen. Die Uniformen sind in Sammlerkreisen begehrte und wertvolle Trophäen, was ein mögliches Motiv für den Einbruch sein könnte."

Zylinder mit Adolf Hitlers Initialen in behandschuhten Händen
Ein Faltzylinder von Adolf Hitler: Solche Gegenstände erzielen bei Auktionen hohe Preise Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Wachsendes Interesse an Nazi-Devotionalien

Noch ist nicht klar, ob es bei den jüngsten Überfällen einen Zusammenhang gibt. Fest steht: Nazi-Devotionalien sind zur Zeit gefragter denn je. Der Online-Dienstleister "artnet" berichtete, dass es aufgrund der wachsenden Nachfrage auch immer häufiger zu Fälschungen komme - besonders auffällig wurde dies bei der Vorbereitung einer Ausstellung zum Holocaust in Buenos Aires, als sich herausstellte, dass es sich bei einem Großteil der Ausstellungsstücke gar nicht um historische Originale handelte. Kopien würden mittlerweile im großen Stil in Bulgarien, Polen, der Ukraine und sogar Pakistan gefertigt, wie ein Auktionär gegenüber "artnet" berichtete. 

Zu den begehrtesten Sammlerobjekten aus der NS-Zeit gehören neben Uniformen Helme, militärische Verdienstorden, Dolche und persönliche Gegenstände aus dem Besitz ranghoher Offiziere oder NS-Mitglieder. Bei Auktionen werden für vergleichbare Objekte immer wieder hohe Preise erzielt. 

Faszination für das Böse?

Arnd Bauerkämper ist Professor für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Freien Universität Berlin und Experte in Sachen NS-Diktatur und Umgang mit dem Nationalsozialismus. Auch er sieht einen Anstieg des Interesses an NS-Devotionalien in den letzten zehn Jahren. Drei sehr unterschiedliche Motive spielen dabei seiner Ansicht nach eine Rolle: eine gewisse Faszination für den Nationalsozialismus, ein zunehmend distanziert-spielerischer Umgang mit dem Themenkomplex und die kommerzielle Dimension. 

Prof. Dr. Arnd Bauerkämper
Der Historiker Professor Dr. Arnd BauerkämperBild: Bernd Wannenmacher/dpa/picture alliance

"Das ist die Motivlage derjenigen, die diese Taten begehen. Aber man muss auch die andere Seite sehen: Wer fragt das nach? Dann kommt man auf eine Gruppe, die diese rechtsextremistischen Neigungen vertritt, gleichzeitig aber auch auf Leute, die nicht politisch motiviert, aber fasziniert sind vom Nationalsozialismus", so Bauerkämper. Diese Faszination und die Fetischisierung jener Zeit ist nur möglich mit einer großen Distanz. 

Wachsender zeitlicher Abstand = wachsende Fetischisierung?

Und es ist der größer werdende zeitliche Abstand zur Nazizeit und der Verlust der letzten lebenden Zeitzeugen, die Bauerkämper mit Bedenken sieht: "Die Distanz spielt eine große Rolle, denken Sie nur mal an den Auftritt von Prince Harry als Rommel, das hatte etwas Spielerisch-Bedenkenloses." 2005 hatte sich der Windsor-Spross als Zwanzigjähriger für eine Kostümparty als Mitglied von Rommels Afrika-Korps samt Hakenkreuz-Armbinde verkleidet. Später entschuldigte er sich öffentlich dafür.

Es gibt jedoch auch Menschen, die NS-Devotionalien erwerben, um sie aus dem Verkehr zu ziehen, damit sie nicht in falsche Hände geraten. 2019 ersteigerte der libanesische Geschäftsmann Abdallah Chatila persönliche Gegenstände aus dem Besitz Adolf Hitlers, um sie der zentralen israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zukommen zu lassen. Hier dienen sie ausschließlich der Aufarbeitung der Shoah.