Die Waffenliste der Bundeswehr
3. Juni 2022Bei der Luftwaffe ist die Freude groß: Sie bekommt endlich den neuen schweren Transporthubschrauber, auf den sie schon länger hofft. Bisher fehlten der Bundeswehr dafür die Mittel. Nun kann dank des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro der CH-47F "Chinook" des US-Herstellers Boeing gekauft werden. Der CH-47F ist die jüngste Version eines bewährten, aber immer weiter verbesserten Modells, das schnell am Markt verfügbar ist.
Der Chinook sei "modern und erprobt", verkündete Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Und er erleichtere die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den Verbündeten. Ein wichtiges Kriterium, wenn Europas Armeen nach Russlands Angriff auf die Ukraine enger zusammenrücken.
Chinook löst alte Hubschrauber ab
Die US-Armee nutzt den Chinook mit seinem charakteristischen Tandemrotor schon lange für den Transport von Soldaten, Fahrzeugen und Material. Eine Fähigkeit, die vor allem in Auslandseinsätzen gefragt ist, weil Flugzeuge nicht überall landen können.
Auch die Bundeswehr besitzt mit dem betagten CH-53 einen schweren Transporthubschrauber. Doch die Variante, die die Bundeswehr nutzt, ist veraltet, Ersatzteile kaum noch zu bekommen. Zuletzt häuften sich die Berichte von Pannen, nur wenige Maschinen waren einsatzbereit.
"Die zusätzlichen 100 Milliarden sind auch ein notwendiges Zeichen an die Truppe. Wenn Deutschland einsatzfähige Soldatinnen und Soldaten haben will, dann sollten wir sie auch bestmöglich ausstatten," sagt Aylin Matlé, Sicherheitsexpertin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Es gehe um Anschaffungen, die zum Teil seit Jahrzehnten aufgeschoben worden seien.
Löwenanteil für die Luftwaffe
Das gilt auch für den Kauf des Kampfflugzeugs F-35, das bei den Briten, Niederländern und anderen Verbündeten bereits im Einsatz ist. 35 der teuren Tarnkappen-Flugzeuge des US-Herstellers Lockheed Martin will die Bundeswehr kaufen. Sie sollen das in die Jahre gekommene Kampfflugzeug Tornado ersetzen, für das das Verteidigungsministerium schon länger einen Nachfolger sucht. Modelle gab es genug zur Auswahl, Geld hingegen zu wenig, zählen Kampfflugzeuge doch zu den teuersten Anschaffungen im Rüstungsbereich.
Auch diese Hürde will die Bundeswehr nun dank des Sondervermögens nehmen, das ihr Bundeskanzler Olaf Scholz wenige Tage nach Russlands Angriff auf die Ukraine zugesagt hat. "Die F-35 bietet ein einzigartiges Kooperationspotenzial mit unseren NATO-Verbündeten", begründete Verteidigungsministerin Lambrecht ihre Wahl. Genau wie der Tornado ist auch die F-35 dafür ausgelegt, im Ernstfall die in Deutschland lagernden US-Atomwaffen ins Ziel zu transportieren.
Damit vom deutschen Sondervermögen aber nicht nur US-Hersteller profitieren, erhält auch der europäische Flugzeugbauer Airbus ein großes Stück vom Kuchen: Er darf seinen Kampfjet "Eurofighter" so weiterentwickeln, dass er für die elektronische Kampfführung gerüstet ist. Dazu gehört es, Radarstellungen des Gegners aufzuklären und zu bekämpfen. Airbus hat ein großes Werk in Bayern und zieht nun Vorteile daraus, dass die Luftwaffe mit knapp 41 Milliarden Euro den Löwenanteil aus dem Sondertopf bekommt. Für diesen wurde jetzt eigens das Grundgesetz geändert, ein nie dagewesener Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik.
Kampfdrohnen und Schützenpanzer
Endgültig zu den Akten gelegt hat die Bundesregierung den jahrelangen Streit über den Kauf bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Dagegen hatten sich vor allem die Sozialdemokraten von Kanzler Scholz lange gesperrt. Der Krieg in der Ukraine hat die Kritiker jedoch verstummen lassen. Dort hat sich einmal mehr gezeigt, dass Kampfdrohnen ein zentraler Faktor einer erfolgreichen Kriegsführung sein können. Die Bundeswehr kauft nun die passende Bewaffnung für die Drohne "Heron TP", die sie bereits zuvor in Israel bestellt hatte.
Die Marine will einen Großteil der gut 19 Milliarden Euro, die für die "Dimension See" veranschlagt sind, für U-Boote vom Typ U212, Fregatten und Korvetten ausgeben. Außerdem stehen Mehrzweckkampfboote auf der Einkaufsliste, also kleine, extrem wendige Boote.
An die Landstreitkräfte sollen fast 17 Milliarden Euro gehen. Sie werden vor allem für die Erneuerung von Schützenpanzern und Truppentransportern gebraucht. Langfristig geplant ist auch ein Nachfolgemodell für den Kampfpanzer Leopard 2, das gemeinsam mit Frankreich entwickelt werden soll.
"Es wird auch in schweres Gerät wie Panzer investiert werden, aber das ist nicht der Fokus", sagt DGAP-Expertin Matlé. "Zum Beispiel sollen mehrere Milliarden in modernere Kommunikationstechnik fließen, damit die Truppe in der Lage ist, sicher und verschlüsselt kommunizieren zu können. Das sind Fähigkeiten, die auch für moderne Kriegsführung notwendig sind."
Mit fast 21 Milliarden Euro für alle drei Teilstreitkräfte stellen Investitionen in neue Kommunikationsmittel den zweitgrößten Posten. Sehr schnell soll es bei der persönlichen Ausrüstung der Soldaten gehen. Für Bekleidung soll schon in diesem Jahr zusätzliches Geld bereit stehen.
Welche Strategie verfolgt Deutschland?
Auch wenn Deutschland mit dem Sondervermögen seinen NATO-Verpflichtungen besser nachkommen kann: "Geld allein wird es nicht richten", sagt Matlé. Die Investitionen müssten in eine politische Strategie eingebettet sein. "Wollen wir uns jetzt ausschließlich im NATO-Verbund und womöglich auch im EU-Verbund auf die Abschreckung Russlands konzentrieren?" Fragen wie diese soll eine Nationale Sicherheitsstrategie beantworten, die die Regierung nächstes Jahr vorstellen will.
Grundsätzliche Kritik an der Aufrüstung der Bundeswehr kommt von der Partei die Linke. Sie bezeichnet das Sondervermögen als "Grundstein für die dauerhafte Hochrüstung" in Deutschland. "Die Anschaffung von Atombombern vom Typ F-35, neuen Panzersystemen und bewaffneten Drohnen lässt die Aktienkurse und Gewinne der großen Waffenschmieden in die Höhe schnellen," sagt Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Politik der Linksfraktion im Bundestag. Gleichzeitig wachse die Armut in Deutschland.
Noch ist unklar, wie es für die Bundeswehr weitergeht, wenn der 100-Milliarden-Topf leer ist. Zwar steigt auch der reguläre Wehretat - in diesem Jahr auf das Rekordhoch von 50,4 Milliarden Euro. Doch auf Dauer wird das nicht reichen, um kostspielige Rüstungsprojekte weiter zu finanzieren. Bundesfinanzminister Christian Lindner betonte, das Bundeswehr-Sondervermögen sei eine "einmalige Ausnahme".