Die Geschichte der geraubten Werke von Gustav Klimt
5. Februar 2018Der Beethovenfries, ein von Gustav Klimt im Jahr 1901 gemalter und Beethoven gewidmeter Bilderzyklus in der Form eines Frieses, gehört zu den bedeutendsten Kulturschätzen Österreichs. Jahr für Jahr strömen Tausende von Besuchern in die Wiener Secession, um das außergewöhnliche Kunstwerk im Wiener Jugendstil zu bestaunen. Seit 2004 ziert das Motiv Österreichs 100-Euro-Gedenkmünzen aus Gold und Silber.
Das 34 Meter lange und zwei Meter hohe Fresko wurde der Öffentlichkeit erstmals 1902 im Rahmen einer Beethoven-Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler in der Wiener Secession vorgestellt. Das Ausstellungsprojekt von Josef Hoffmann bezog sich auf die von Max Klinger geschaffene große Beethovenskulptur.
Im Jugendstil verbildlichte Gustav Klimt die Neunte Symphonie, das wohl berühmteste Werk Beethovens, anhand von stilisierten und linienbetonten Figuren.
Die drei beherrschenden Themen sind erstens: das Streben der Menschheit nach Glück, Freude, Sehnsucht und Liebe. Zweitens: das Leiden der Menschen, feindliche Gewalten und Gefahren wie Krankheit, Kummer, Wahnsinn, Wollust, Unmäßigkeit und Tod. Und drittens: die Sehnsucht nach Glück, wie sie in den Künsten und der Poesie endlich erfüllt wird durch den Chor der Paradiesengel – "Freude, schöner Götterfunken" und "Diesen Kuss der ganzen Welt!".
Familie Lederer, die Förderer von Klimts Kunst
Die ohnehin schon turbulente Geschichte von Gustav Klimts Beethovenfries wurde 2013 erneut aufgerüttelt, als die Erben der Familie Lederer - ihr gehörte das Kunstwerk, bevor es von den Nationalsozialisten geraubt wurde - dessen Rückgabe einforderten. "Es erschien unvorstellbar, dass jemand den Fries einfordern könnte", sagt die österreichische Provenienzforscherin Sophie Lillie.
August and Serena Lederer, die Klimt schon immer unterstützt und viel gemeinsame Zeit mit ihm verbracht hatten, erwarben das Gemälde 1915. Wie andere jüdische Persönlichkeiten der Zeit posierten auch Serena und ihre Mutter Charlotte für Klimt.
Schon 1938 konfiszierten die Nazis die Kunstkollektion der Familie Lederer. Nach Kriegsende setzte sich Erich Lederer, der Sohn von August und Serena Lederer, das Ziel, die Sammlung zurückzubekommen.
Ein Ausfuhrverbot erschwert die Rückgabe
Der Beethovenfries wurde der Familie Lederer tatsächlich zurückgegeben - zumindest theoretisch. Jedoch durfte das Kunstwerk aufgrund eines Ausfuhrverbots Österreich nicht verlassen. Dieses war erlassen worden, um emigrierte Familien daran zu hindern, österreichische Kunstschätze außer Landes zu bringen.
"Von Anfang an sagten sie Erich, dass die Ausfuhr des Frieses nicht zur Debatte stünde", so einer der Erben, der anonym bleiben möchte. Da Erich Lederer nach Genf gezogen war, wurde er quasi dazu gezwungen, das Kunstwerk unter Wert zu verkaufen, so die Behauptung der Erben. 1972 gab Lederer die Hoffnung auf, das Kunstwerk jemals in die Schweiz überführen zu können. Deshalb nahm er ein Angebot der österreichischen Regierung an und verkaufte das Kunstwerk für 15 Millionen Schilling.
"Was viele Leute nicht wissen, ist, dass vieles davon (gemeint ist der aggressive Aufkauf von Kunstwerken durch die Regierung, Anm. d. Red.) nach dem Krieg stattfand", sagt der besagte Erbe.
Auch revidierte Gesetze halfen nicht weiter
1998 wurde in Österreich ein Rückgabekomitee eingesetzt, um es Erben zu ermöglichen, geraubte Kunstwerke zurückzufordern. 2009 wurde ein Zusatz ergänzt, der Ausfuhrverbote in der Nachkriegszeit sowie Verkäufe unter Wert einschloss. Demnach erfüllte der Beethovenfries alle Bedingungen, die für eine Rückgabe erforderlich waren, bestätigt Provenienzforscherin Sophie Lillie.
Dennoch riet das Rückgabekomitee 2015 der österreichischen Regierung, das Kunstwerk nicht zurückzugeben. Damals erklärte Clemens Jabloner, die Exportprozedur sei nicht als Werkzeug benutzt worden, um Lederer ein Angebot aufzuzwingen. Jabloner war von 1998 bis 2003 Vorsitzender der Historikerkommission Österreichs, die den Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen erforschte.
"Apfelbaum II": Geschichte eines Irrtums
Seit 1998 hat Österreich Dutzende von Gemälden aus kulturellen Institutionen ihren ursprünglichen Besitzern oder deren Erben zurückgegeben, darunter Klimts "Apfelbaum II" (1916). Das Gemälde stellt einen Apfelbaum in einer bewölkten Landschaft dar. Einzigartig wurde das weit verbreitete Motiv durch den tief angesetzten Horizont, der dem Gemälde eine ungewohnte Perspektive gibt.
Mit dem Bild passierte etwas äußerst Peinliches: Die Rückgabekommission hatte im Jahr 2000 geraten, das Gemälde aus dem Belvedere Museum Wien an die Erben von Nora Stiasny zurückzugeben. Doch was zunächst als reumütiger Akt von Vergangenheitsbewältigung erschien, stellte sich später als irreparabler Fehler heraus. Die Geschichte geht auf das Jahr 1999 zurück. Damals schrieb der Journalist Hubertus Czernin einen Artikel in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Darin korrigierte er den 1967 erschienenen Klimt-Katalog von Fritz Novotny und Johannes Dobai.
Laut Czernin waren die ursprünglichen Besitzer des Gemäldes "Apfelbaum II" nicht die Familie Lederer, sondern die Familie Zuckerkandl. Aufgrund dieser Aussage von Czernin veranlasste die Österreichische Kommission für Provenienzforschung eine genaue Untersuchung.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass Nora Stiasny das Kunstwerk von ihrem Onkel, dem Industriellen Viktor Zuckerkandl, geerbt hatte. Nachdem Österreich 1938 von Nazi-Deutschland annektiert wurde, verkaufte sie das Gemälde für 395 Reichsmark an einen Philipp Häusler. Der Wert des Gemäldes war jedoch auf 5000 Reichsmark geschätzt worden.
Anschließend soll das Kunstwerk weiterverkauft worden sein an Gustav Ucicky, einen auf das Thema Nazi-Propaganda spezialisierten Filmemacher und Klimt-Sammler. Nach dessen Tod 1961 wurde das Gemälde dem Belvedere Museum geschenkt. Stiasny und ihre Mutter Amalie Zuckerkandl waren 1942 im Ghetto von Izbica (Polen) ermordet worden.
Noch eine Apfelbaumlandschaft?
Doch bevor das Gemälde den Erben der Familie Stiasny überreicht wurde, kamen Monika Mayer, der Provenienzforscherin des Belvedere Museums, erhebliche Zweifel. Denn seltsamerweise hatte Elisabeth Bachofen-Echt, die Tochter von August und Serena Lederer, ebenfalls ein Apfelbaum-Gemälde von Klimt geerbt. Trotzdem wurden die Einwände von Monika Mayer nicht angehört. Auch die Erben der Familie Lederer behaupteten 2015, sie seien die rechtmäßigen Besitzer des Kunstwerks.
Die Kommission für Provenienzforschung beauftragte daraufhin Monika Mayer sowie den Klimt-Spezialisten Tobias Natter damit, der Sache nachzugehen. Nach zwei Jahren ergab die Nachforschung, dass Nora Stiasnys Klimtgemälde vielmehr "Rosen unter Bäumen" (1905) gewesen sei. Diese eher abstrakte Darstellung eines Apfelbaums ist derzeit im Besitz des Musée d'Orsay in Paris.
Reichlich viel Verwirrung um "Rosen unter Bäumen"
Die Kaufquittung in Paris schließlich erbrachte neue Fakten über die Geschichte des Gemäldes. Demnach hat Häusler Stiasnys Gemälde niemals verkauft, sondern vielmehr nach Frankfurt geschmuggelt, wo es nach seinem Tod 1966 im Haus seiner Sekretärin aufgefunden wurde. Schließlich verkaufte die Nathan Peter Gallery in Zürich das wertvolle Kunstwerk 1980 an das Museum.
Wien versucht nun, Gesetze zu revidieren, um den Irrtum korrigieren zu können. Da "Apfelbaum II" jedoch ein "Geschenk" des Staates war, scheint es keine legale Grundlage zu geben, um das Gemälde zurückfordern zu können. Außerdem hatte es die Familie ja vor vielen Jahren an einen unbekannten privaten Sammler verkauft.
Die gesamte komplizierte Geschichte des Kunstwerks scheint noch immer nicht aufgedeckt zu sein. Zur Zeit suchen Forscher nach Hinweisen darüber, wie Ucicky es erworben hatte. Da Elisabeth Bachofen-Echt die von ihr geerbten Gemälde verkaufte, könnte sie das Kunstwerk durchaus an ihn verkauft haben. Genauso gut ist es aber möglich, dass er es nach ihrem Tod 1944 von ihrem Ehemann Wolfgang Bachofen-Echt erwarb. Das Datum dieses Verkaufs ist von größter Wichtigkeit. Denn ein Verkauf nach 1945 schließt eine Rückgabe aus.