Teure Programmierer
8. Juli 2007Für die Gründer des Startups Riya.com war es gar keine Frage: Neben dem Hauptsitz im kalifornischen Silicon Valley würde man auch eine Niederlassung in Indien eröffnen. "Der Hauptvorteil waren die Löhne", sagt Kaushik Chatterjee, Controller der Firma, die eine neuartige Bild-Suchmaschine entwickelt hat. Für die Kosten eines Programmierers in den USA konnte man in Indien drei beschäftigen - die Hälfte der rund 50 Riya-Angestellten arbeitete daher im südindischen Bangalore. Das war 2005.
Riesiger Personalhunger
Inzwischen hat Riya den Rückzug aus Indien angekündigt; ein Teil der indischen Beschäftigten soll nach Kalifornien geholt werden. Denn der Lohnabstand habe sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verringert, erklärt Chatterjee. Das Verhältnis habe zuletzt nicht mehr bei 1:3, sondern 1:2 gelegen. Dieser Vorteil sei durch die teureren Mieten in Bangalore, die höheren Zinsen und die Schwierigkeiten, die der Zeitunterschied von zwölf Stunden mit sich brachte, zunichte gemacht worden: "Es war zuletzt deutlich teurer, unser Büro in Bangalore zu betreiben als das in San Mateo."
Der Personalhunger der Branche ist riesig. Allein die fünf größten indischen Softwarekonzerne werden 2007 rund 100.000 Jobs schaffen, schon im vergangenen Jahr hatten sie 75.000 Menschen eingestellt. Dazu kommt die transnationale Konkurrenz. So hat IBM seit 2004 die Zahl der indischen Mitarbeiter auf 53.000 verdoppelt, zu den seither investierten zwei Milliarden US-Dollar sollen bis 2009 weitere sechs Milliarden kommen. Um ihr Personal zu halten, müssen die etablierten Player deshalb ihre Löhne erhöhen. Der indische Konzern Infosys etwa, der rund 70.000 Mitarbeiter beschäftigt, legte im vergangenen Jahr 15 Prozent drauf.
Hohe Löhne, große Fluktuation
Es sei insbesondere schwierig geworden, Programmierer mit mehrjähriger Arbeitserfahrung zu finden, weiß Deepa Murthy von der Personalvermittlung Mind Group. Berufseinsteiger dagegen stünden trotz der steigenden Nachfrage noch immer genügend zur Verfügung, sagt sie und verweist darauf, dass allein im Bundesstaat Karnataka, in dem Bangalore liegt, jedes Jahr 200.000 bis 250.000 Programmierer die Berufsschulen verließen.
"Die Personalsuche ist vor allem für kleine Firmen ein Problem", erklärt Kaushik Chatterjee von Riya. Anders als in den USA würden Programmierer in Indien Startups meiden und lieber für große, etablierte Konzerne arbeiten. Entsprechend müssten Kleinunternehmen mit höheren Löhnen locken und könnten ihr Personal trotzdem nicht lange halten.
Stetiger Lohnanstieg
Marktbeobachtern zufolge war es der Suchmaschinenbetreiber Google, der den Markt mit der Eröffnung eines Entwicklungslabors in Bangalore 2004 völlig veränderte. Der Konzern zahlte Berufseinsteigern bis zu 20.000 Euro im Jahr - sechs Mal mehr als indische Firmen und drei Mal mehr als multinationale Unternehmen wie HP oder Yahoo. Zuerst folgte Microsoft, bis dahin der großzügigste Arbeitgeber, dann die übrigen Multis und schließlich indische Konzerne wie Tata Consultancy, Infosys, Wipro, Satyam Computer Services und HCL Technologies. Schätzungen zufolge werden die Löhne für Programmierer in Indien, die um durchschnittlich 15 Prozent im Jahr steigen, im kommenden Jahr ein Niveau erreichen, das 40 bis 50 Prozent der US-Löhne entspricht.
Gleichwohl zeigen die Expansionspläne all dieser Unternehmen: Das Engagement in Indien kann sich noch immer bezahlt machen. Auch Kaushik Chatterjee von Riya will die Erfahrungen seiner Firma nicht verallgemeinern. "Indien ist noch immer ein sehr profitabler Standort." Dies gelte allerdings nur für große Unternehmen mit langfristigen Zielen. Für Kleinunternehmen lohne ein Engagement nur dann, wenn sie sich auf dem indischen Markt etablieren wollten. "Wenn aber das einzige Ziel darin besteht, Kosten zu sparen, sollte man sehr genau überlegen, ob man in Indien investiert."