Die Sahelzone, Merkel und die Kirche
28. November 2019Gleich zweimal an einem Tag ging es in Berlin an prominenter Stelle um die Sahelzone. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte sie im Bundestag, als sie während ihrer Rede zum Bundeshaushalt am Mittwoch die heißen außenpolitischen Eisen nannte. Neben Libyen und Syrien sei die Sahelzone eine jener Regionen, um die sich die Europäer vor dem Hintergrund islamistischer Bedrohungen kümmern müssten. Angesichts sicherheitspolitischer Erwägungen schafft es auch diese Region südlich der Sahara in eine Rede der Kanzlerin.
Fast zeitgleich stellte die katholische Deutsche Bischofskonferenz ein Dokument vor, das die "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen" thematisiert. In früheren Jahren ging es bei dem Thema beispielsweise um den Iran oder Venezuela, um Nigeria oder Kuba. Nun fällt der Blick auf die Sahelregion. Am 26. Dezember, dem zweiten Weihnachtstag, gedenken die deutschen Katholiken der Christen, die weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Diesmal steht die Sahelregion und insbesondere der Tschad im Mittelpunkt dieses Gebetstages.
Es ist das Aufkommen und Erstarken eines radikalen Islam, der die deutschen Bischöfe beunruhigt. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick betont, das traditionell harmonische Zusammenleben von Christen und Muslimen sei "durch die Entwicklung der vergangenen Jahre in Gefahr geraten".
Die islamistische Terrororganisation Boko Haram destabilisiere die Region immer wieder durch massive Terroranschläge, sagt Schick, der die Kommission "Weltkirche" der Deutschen Bischofskonferenz leitet. Dieser brutale Terror richte sich auch gegen die Kirchen. Das Dokument nennt Anschläge auf Christen und kirchliche Einrichtungen, die allesamt in diesem Jahr erfolgten, aus Burkina Faso, Mali und Niger.
Die Rolle Saudi-Arabiens
Schick spricht ausdrücklich von einer "starken und wachsenden politischen Einflussnahme Saudi-Arabiens", die eine bedeutende Rolle spiele. Dieser Einfluss sorge dafür, dass auch soziale Konflikte wie Auseinandersetzungen zwischen nomadischen Viehzüchtern und sesshaften Bauern "in gefährlicher Weise religiös aufgeladen" würden.
Erzbischof Edmond Djitangar aus dem Tschad, der aktuell zu Gast in Berlin ist, bestätigt das. Und er verweist auf eine "ganz unterschiedliche Auffassung" von Politik und Gesellschaft zwischen islamischen Staaten und dem Westen. "Der Botschafter von Saudi-Arabien betrachtet es als seine Aufgabe, als Diplomat auch religiös zu wirken. Wenn er am Ende seiner Amtszeit sagt 'Ich habe meine Aufgabe erfüllt, ich habe im Land 100 Moscheen gebaut', dann war das ein Erfolg", berichtet Djitangar. Auch deshalb steige die Zahl der Moscheen im Süden des Tschad rasant, während im eher christlich geprägten Norden des Landes nur vereinzelt und zaghaft christliche Kapellen gebaut würden.
Hürden der EU
Doch der Erzbischof macht für manche Sorgen der Christen in seinem Land überraschend deutlich auch die Europäische Union verantwortlich. Denn die von Brüssel geprägten Normen für die Entwicklungshilfe hätten die kirchlichen Kräfte überfordert und damit für manche Schule oder Bildungseinrichtung das Ende bedeutet. Die EU, so Djitangar, handele nach dem Prinzip der "Trennung von Kirche und Staat". Für die christlichen Gruppierungen vor Ort hingen jedoch soziales Engagement und christlicher Glaube als Motivation zusammen.
Auch Erzbischof Schick spricht von unterschiedlichen Aspekten des Engagements aus Deutschland. Die Kirche schaue auf humane und humanitäre Aspekte und die Entwicklung der einzelnen Person. Dagegen spiele diese Sicht für die Politik "nicht die große Rolle". Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit müsse wirklich auf "Entwicklung für alle" setzen.
Aber auch von Schick, der im Juni den Tschad besuchte, kommen mit Blick auf das Land Begriffe wie "Parteinahme" und "repressive Haltung des Staates". Nach seiner Überzeugung wächst deshalb die Bedeutung interreligiöser Dialoginitiativen. "Christlich-islamischer Dialog ist möglich", sagt der Erzbischof. "Er ist nicht mit allen muslimischen Gruppen möglich. Das ist ein Faktum." Die Kirche aber wolle die dialogbereiten Kräfte "so miteinander verbinden, dass die Radikalen keine Chance haben".