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Politik

"Gewalt gegen Christen in Afrika explodiert"

Richard Tiéné | Christoph Strack
12. Juni 2019

Auf dem afrikanischen Kontinent häufen sich blutige Anschläge auf Christen - besonders Kirchenvertreter stehen im Visier der Terroristen. Und nicht nur Christen sind betroffen.

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Burkina Faso Katholische Kirche in Ouagadougou
Sonntagsmesse in einer Kirchengemeinde in OuagadougouBild: picture-alliance/Godong/P. Lissac

"Afrika ist ein Kontinent, auf dem die Gewalt gegen Christen explodiert." Dieser Satz von Kardinal Dieudonne Nzapalainga im Interview mit der Deutschen Welle klingt dramatisch. Während der vergangenen Wochen habe das Töten von Christen in verschiedenen afrikanischen Ländern zugenommen, sagt der 52-Jährige. Es traf Priester am Altar, Ordensleute und auch einfache Gläubige. Die meisten Anschläge galten Katholiken. In Nigeria wurden zudem ein evangelikaler Pastor mit seiner Tochter und Gemeindemitgliedern entführt. 

Dieudonné Nzapalainga
Kardinal Dieudonné Nzapalainga aus der Zentralafrikanischen RepublikBild: DW/C. Strack

"Wir erleben einen Anstieg der Gewalt - nicht nur in auf dem afrikanischen Kontinent, sondern auch weltweit im Zusammenhang mit der globalen politischen Instabilität. Und in einigen Ländern werden die Menschen Gottes zum Ziel", sagt Kardinal Nzapalainga. "Diese Gewalttaten können Botschaften, Provokationen, sein. Und wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die Falle tappen", mahnt er. Man dürfe auf Gewalt nicht mit Gewalt antworten. 

Blutbad in der Kirche

In der Zentralafrikanischen Republik, der Heimat von Nzapalainga, wurde eine 77-jährige spanische Ordensfrau, die seit Jahrzehnten in dem Land Mädchen unterrichtete, von Unbekannten geköpft. In Mosambik starb ein Ordensmann nach einer Messerattacke. Doch am gefährlichsten ist die Lage für Christen derzeit aber im westafrikanischen Burkina Faso. Im Norden des Landes wurden Ende April fünf Menschen bei einem Angriff auf eine evangelische Kirche, darunter der Pfarrer und zwei seiner Söhne, getötet. Mitte Mai töteten Angreifer bei Anschlägen auf eine Messe und eine Marienprozession mehrere Gläubige. Ein Priester kam am Altar ums Leben.

Angst der Gläubigen

In der Kirchengemeinde "Christ König" im Stadtteil Pissy in Ouagadougou ist man besorgt: "Wir haben Angst, aber mit Christus kommen wir voran. Wir werden uns immer versammeln, um zu beten", sagt Pater Etienne Kaboré. Viele Gläubige stimmen ihm nach der Messe zu. "Wir zögern, jetzt in die Kirche zu kommen. Aber wenn ich einen Fuß hineinsetze, vertraue und bete ich zu meinem Gott", sagt eine Frau. "Wir beten auch für die Bekehrung dieser Menschen", meint ein Mann.

Imam Ismael Tiendrebeogo, der sich im interreligiösen Dialog engagiert, verweist darauf, dass neben christlichen Geistlichen und Gläubigen vor einigen Monaten auch muslimische Imame gezielt getötet worden seien. Religionsvertreter seien besonders häufig im Visier von Terroristen. "Ich denke, es liegt am Staat, dafür zu sorgen, dass sie sicher sind", sagt Tiendrebeogo.

Mali 2013 Konflikt | Christliche Kirche in Diabaly
Mali 2013: Ein Anschlag auf eine Kirche in DiabalyBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Auch Imame sind bedroht

Auch Marco Moerschbacher, Afrikareferent bei der katholischen Hilfsorganisation Missio in Aachen, sieht eine Gefährdung von Repräsentanten aller Religionen. Natürlich, sagt er der Deutschen Welle, würde man erwarten, dass Imame extremistischen Muslimen "ganz klar sagen: Das ist kein Islam, was Ihr da propagiert". Aber Imame müssten "mit konkreten Bedrohungen rechnen, wenn sie so etwas propagieren". Es könne bis zum Mord gehen.

Insgesamt verschärfe sich die Lage, meint Moerschbacher. In den einzelnen Ländern gebe es dafür verschiedene Hintergründe: In Burkina Faso gehe es um die Ausweitung eines Konflikts, den man bereits aus Mali kenne. "Da geht es weniger um einen Krieg der Religionen, als um eine Auseinandersetzung innerhalb verschiedener Strömungen des Islam." Eine besondere Rolle spiele der Wahabismus, eine enge traditionalistische Auslegung des sunnitischen Islam, der sich immer weiter ausbreite.

"Religion - friedensbildend und kriegstreiberisch"

Zentralafrikanische Republik Goldmine Ndassima
Begehrte Bodenschätze in der Zentralafrikanischen Republik Bild: picture-alliance/Anadolu Agency/T. Bresilion

In der Zentralafrikanischen Republik spielten andere Gründe eine Rolle, sagt Moerschbacher. Dort gehe es auch um geostrategische Interessen, unter denen letztlich die Menschen vor Ort zu leiden hätten. Russland, China und auch Frankreich wollten die gewaltigen Bodenschätze des Landes nutzen. Sie müssten stärker die Bevölkerung des Landes einbinden, um etwas Wohlstand für die Bevölkerung zu sichern, fordert Moerschbacher. In vielen Ländern Afrikas zeige sich, dass Religion "eine Kraft ist, die sowohl friedensbildend als auch kriegstreiberisch wirken kann". Deswegen sei es richtig, wenn die deutsche Außenpolitik die Friedensverantwortung der Religionen stärker thematisiere.

Das sieht auch Kardinal Nzapalainga so. Er setzt sich in seinem Land und auch international entschieden für den interreligiösen Dialog ein - und das häufig gemeinsam mit dem Präsidenten des islamischen Rates in der Zentralafrikanischen Republik, Imam Kobine Layama. Die katholische Kirche müsse sich am Beispiel Jesu ausrichten und mit allen Gruppen in einen Dialog zu treten, sagt er. Religion habe die "Mission, Menschen zu verbinden". Und daran müsse sie festhalten.