Die neue Einigkeit Opposition
8. Februar 2019Einer der Gründe, warum sich Staatschef Nicolás Maduro in Venezuela so lange an der Macht halten konnte, ist die Uneinigkeit und Fragmentierung der oppositionellen Kräfte im Land. Der Umstand, dass viele ehemals prominente Oppositionspolitiker entweder verhaftet, unter Hausarrest stehen, im Exil sind oder sich vollkommen zerstritten hatten, ist Staatschef Nicolás Maduro in der Vergangenheit sehr entgegengekommen.
Doch plötzlich scheint alles anders zu sein. Mit dem unerwarteten Aufstieg des Parlamentspräsidenten Juan Guaidó zum selbsternannten Übergangspräsidenten scheint auch die Opposition wie Phoenix aus der Asche aufzusteigen.
Eine neue Stimme
Der Soziologe Héctor Briceño vom Institut für Entwicklungsstudien an der Zentraluniversität von Venezuela in Caracas, sieht es als positives Zeichen, dass Guaidó als einziger Sprecher der Opposition auftritt: "Es zeigt, dass die Opposition die inneren Kämpfe und Zwistigkeiten in den Jahren 2016 und 2017 überwunden hat, als sie sehr vielstimmig und auch widersprüchlich unterwegs war".
Trotz seiner Jugend und kurzen politischen Karriere scheint es dem Abgeordneten der Mitte-links-Partei "Voluntad Popular" gelungen zu sein, die oppositionellen Kräfte zu einen. "Guaidó demonstriert Einheit, er spricht nicht nur für sich selbst", meint Briceño. "Jeder Rede von Guaidó geht eine interne Diskussion zwischen den verschiedenen Teilen der Opposition voraus, in denen die allgemeinen Leitlinien vereinbart werden", so Briceño.
Der venezolanische Politologe Jesús Azcargorta wundert sich nicht, dass Guaidó so eine führende Rolle in der Opposition spielt oder sogar von manchen als "erlösender Heilsbringer" gesehen wird. "Aber er ist nicht allein. Hinter ihm stehen viele Kräfte mit ganz unterschiedlichen Interessen", betont Azcargorta im DW-Gespräch. Guaidó habe es geschafft, diese teils divergierenden Strömungen innerhalb der Opposition auf das eine entscheidende Ziel zu fokussieren: Den Abgang von Maduro und die Wiederherstellung der Demokratie.
Die alten Granden der Opposition
Diese Neuorientierung und Neubesinnung innerhalb der venezolanischen Opposition war auch bitter nötig. Der Gründer und Parteichef von "Voluntad Popular", Leopoldo López, steht seit 18 Monaten unter Hausarrest. 2015 wurde er wegen Anstachelung zur Gewalt zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt.
Eine andere prominente Persönlichkeit der venezolanischen Opposition ist Henrique Capriles. Der zweifache Präsidentschaftskandidat wurde im April 2017 politisch kaltgestellt, als die Regierung ihm mitteilte, dass er für die Dauer von 15 Jahren nicht mehr für ein politisches Amt kandidieren dürfe. Das öffentliche Bekenntnis von Capriles für Guaidó war ein wichtiger Schritt zur Einheit der Opposition, so Briceño. "Es ist besonders bemerkenswert, da Capriles in der Vergangenheit nicht so kooperativ war", so der venezolanische Soziologe.
Koordination an der Spitze der Opposition
Mittlerweile scheint sich eine Aufgabenteilung herauszukristallisieren. Um die internationalen Beziehungen kümmert sich der ehemalige Parlamentspräsident Julio Borges, der sich derzeit im Exil befindet. Borges wurde von Guaidó zum Botschafter für die Staaten der sogenannten Lima-Gruppe ernannt, der neben Kanada die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten angehört.
Die neue Strategie ist, einen einzigen Oppositionsführer nach vorne zu stellen und damit Einheit zu demonstrieren. "Wir sehen hier eine hervorragende Zusammenarbeit von Guaidó mit den anderen Führern der Opposition. Als Vertreter der Partei "Voluntad Popular" bespricht er sein Vorgehen mit dem eigenen Parteichef Leopoldo López und koordiniert sie auch mit Julio Borges, dem Parteichef von "Primero Justicia", so Briceño.
Primäres Ziel ist, laut Äußerungen der Chefs der oppositionellen Parteien, die Entfernung von Maduro aus dem Präsidentenamt. Was danach kommt und ab wann man wieder untereinander konkurriert, werde man im Laufe des Übergangsprozesses entscheiden.