Die Lage der Rohingya-Kinder ist fatal
23. August 2018Allein im Flüchtlingslager im Distrikt Cox's Bazar in Bangladesch lebten mehr als 6000 unbegleitete Kinder, von denen die Hälfte wegen der Gewalt die Eltern verloren hat, teilte die Hilfsorganisation Save the Children mit. Sie seien "mit akuter Nahrungsmittelknappheit konfrontiert und einem erhöhten Risiko von Ausbeutung und Misshandlung ausgesetzt".
Kinder müssen sich in den Lagern alleine eine neue Existenz aufbauen
Die Hilfsorganisation stützt ihre Angaben auf eine Befragung von Kindern in dem Lager. Ursprünglich seien die Helfer davon ausgegangen, dass die zahlreichen unbegleiteten Kinder im Chaos der Flucht von ihren Eltern getrennt worden seien. Die Hälfte der befragten Kinder habe aber angegeben, dass ihre Eltern getötet worden seien.
Es sei nun klar geworden, dass es "für viele der Kinder keine Vereinigung mit ihrer Familie geben wird", erklärte der Landesdirektor von Save the Children für Bangladesch, Mark Pierce. Diese Kinder müssten sich in den Lagern eine vollständig neue Existenz aufbauen: "Ohne Mutter oder Vater, und das in einer Umgebung, in der sie Risiken wie Menschenhandel, Kinderheirat und anderen Formen der Ausbeutung ausgesetzt sind."
Susanna Krüger, Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland, kritisierte die internationale Gemeinschaft für ihre Passivität gegenüber Myanmar: "Die Welt hat dabei versagt, die Täter dieser barbarischen Angriffe, darunter auch die Armee in Myanmar, zur Rechenschaft zu ziehen." Nötig sei eine langfristige Lösung des Problems, die den Rohingya-Flüchtlingen eine sichere, würdevolle und freiwillige Rückkehr erlaube.
Sexuelle Gewalt, Zwangsverheiratung und Kinderhandel
"Sie sitzen in überfüllten Flüchtlingslagern fest, ohne Perspektive auf eine Rückkehr in ihre Heimat, ohne Zugang zu Bildung, ohne Chance auf eine Zukunft", erklärte das Hilfswerk SOS-Kinderdörfer. "Ihre Lage ist fatal", sagte Sprecherin Louay Yassin. "Sexuelle Gewalt, Zwangsverheiratung und Kinderhandel sind in den Lagern an der Tagesordnung." Tausende Kinder litten zudem an Mangelernährung, Krankheiten und schweren Traumata, aufgrund der Gewalt, die sie erlebt haben.
Bangladesch fühle sich mit den hundertausenden Flüchtlingen überfordert und möchte, dass sie möglichst schnell in ihre Heimat zurückkehren. "Deshalb halten die Behörden bewusst alles provisorisch", so Yassin. Das Hilfswerk fordere die internationale Staatengemeinschaft auf, die Unterstützung auszuweiten. Zudem müsse die Regierung von Myanmar die Gewalt gegen die Rohingya und die Menschenrechtsverletzungen beenden. Denn nur dies würde die notwendigen Voraussetzungen für die Rückkehr der Menschen nach Myanmar schaffen.
Im mehrheitlich buddhistischen Myanmar wird die Minderheit der muslimischen Rohingya seit Jahrzehnten unterdrückt. Die Lage war eskaliert, als Rohingya-Rebellen bei Angriffen rund ein Dutzend Sicherheitskräfte töteten. Das Militär reagierte mit großer Gegengewalt und zerstörte zahlreiche Rohingya-Dörfer und trieb hunderttausende Menschen in die Flucht. Rund 700.000 Rohingya haben im Nachbarland Bangladesch Zuflucht gefunden.
Die UN stuften das Vorgehen gegen die Rohingya als "ethnische Säuberung" ein. Im März sprach die UN-Sonderberichterstatterin für Myanmar, Yanghee Lee, von einem "Völkermord".
nob/se (afp, kna, epd)