Merkel in der Krise
14. Mai 2010Bundeskanzlerin Angela Merkel kämpft mit dem Rücken zur Wand. Sie kämpft gegen schlechte Umfragewerte – Infratest Dimap sah die Union in der Wählergunst am Freitag (15.05.2010) bei 32 Prozent – sie kämpft gegen eine zunehmend kritische Presse, gegen rebellische Ministerpräsidenten und gegen einen arg gebeutelten Koalitionspartner. Vor allem aber kämpft sie gegen die Finanzkrise, die die gemeinsame europäische Währung bedroht.
Am Donnerstag, bei der Verleihung des Karlspreises der Stadt Aachen, sagte sie, Europa stehe vor seiner bisher größten Bewährungsprobe. Gelinge es nicht, sie zu bestehen, dann wären die Folgen unabsehbar.
Merkel in der Krise
Existentiell ist die Krise auch für Merkel selbst. Sie ist nach dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen am letzten Sonntag schwer angeschlagen. Am Montagmorgen hatte sie tiefe Ringe unter den Augen, sie wirkte unsicher und müde, als sie eingestand, dass die CDU im bevölkerungsreichsten Bundesland ihr Wahlziel nicht erreicht habe.
Selbstkritisch fügte sie hinzu, dass die Arbeit der Bundesregierung der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen keinen Rückenwind gegeben habe. Im Gegenteil, die Debatten und Streitereien innerhalb der Berliner Koalition hätten für die Parteifreunde an Rhein und Ruhr Gegenwind gebracht.
Fast nebenbei beerdigte sie an diesem Tag das wichtigste Projekt ihrer Regierung, die Steuersenkungen, die den Bürgern zugute kommen sollten. Damit stand sie ein gutes halbes Jahr nach dem Beginn der schwarz-gelben Traumkoalition vor den Trümmern ihrer Politik.
Opposition wettert gegen "Tu-Nichts-Regierung"
Doch nicht nur in der Innenpolitik machte Merkel in den letzten Wochen und Monaten eine schlechte Figur. Auch im Streit um das Rettungspaket für Griechenland überzeugte sie nicht. Ihr Zögern habe die Zinsen hochgetrieben, den Spekulanten hohe Einnahmen spendiert und ihnen Appetit auf mehr gemacht, so der Vorwurf beim politischen Gegner.
Tu-Nichts-Regierung nannte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Koalition in Berlin. Durch Merkels Zögern sei Deutschland in eine schwierige Lage geraten. Sie habe die vergangenen Monate nicht genutzt, um die Spekulationen zu bekämpfen und die Finanzmärkte zu regulieren, schimpfte er. Es sei zu befürchten, dass die neuen Belastungen wieder vom Steuerzahler getragen werden müssten.
Kritik der Medien
Auch in den Medien hagelte es in der letzten Woche Kritik. Aus der "Madame Non", der "Eisernen Kanzlerin" und der "Miss Europa" ist in den Schlagzeilen eine Krisenkanzlerin geworden, eine "Zen-Meisterin" und eine "Trümmerfrau". Manche sprachen gar davon, dass die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende in dieser Woche den Zenith ihrer Macht überschritten und nun ihr Abstieg begonnen habe.
In der Tat hat Merkel in den letzten Wochen und Monaten national und international an Prestige eingebüßt. Man wirft ihr vor, dass sie ihre Koalitionspartner nicht im Griff habe, dass sie sich nicht entschieden genug gegen die antigriechische Hetze in deutschen Zeitungen zur Wehr gesetzt habe und dass sie die europäische Vision aufs Spiel setze.
In ihrer eigenen Partei, aber sogar auch bei SPD und Grünen erinnert man sich in diesen Tagen oft mit Wehmut an den einst so geschmähten Helmut Kohl, der inzwischen parteiübergreifend als großer Europäer gilt.
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Ranty Islam