1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Katastrophe nach der Katastrophe

Miodrag Soric11. September 2015

Eigentlich dachten Überlebende der Terroranschläge von 9/11, das Schlimmste hinter sich zu haben. Doch jetzt könnten Hilfsgelder für ihre medizinische Betreuung gestrichen werden. Aus New York berichtet Miodrag Soric.

https://p.dw.com/p/1GU36
Blumen auf einer Gedenktafel vor dem neuen One World Trade Center (Foto: DW/M. Soric)
Blumen auf einer Gedenktafel vor dem neuen One World Trade CenterBild: DW/M. Soric

Dieser Tag hat sich tief in das Gedächtnis von Gary Smiley eingebrannt. Die Ereignisse lassen ihn bis heute nicht mehr los, wie ein Dämon, der sich nicht abschütteln lässt. Rettungssanitäter Gary Smiley machte am 11. September 2001 Überstunden, als sich das erste Flugzeug in den nördlichen Turm des World Trade Centers bohrte und Stunden später zum Einsturz brachte. Mit Kollegen, Feuerwehrleuten, Polizisten und vielen Freiwilligen rettete er so viele Menschen wie möglich. "Als der zweite Turm getroffen wurde, warf ich mich schützend über eine Frau. Wir beide überlebten."

Später entkam er erneut dem Tod nur knapp. "Als der nördliche Turm runter kam, war ich etwa 75 Meter entfernt und entkam nur deshalb, weil ich mich unter einen LKW warf", erinnert er sich. Stunden später haben ihn andere Helfer befreien können. Gary Smiley verlor an diesem Tag enge Freunde und Kollegen. Er musste zusehen, wie Rettungskräfte über Leichenteile fuhren, um noch lebende Opfer zu bergen.

Das Leiden nach der Katastrophe

Die Bilder lassen ihn, der in New York geboren und aufgewachsen war, nicht los. Monate nach der Katastrophe fing er wieder an zu arbeiten, gab seine Erfahrung an andere weiter. "Ich musste zurück in den Job, um weiter leben zu können," sagt er heute. Er war seit seinem 19 Lebensjahr Rettungssanitäter. Das war sein Traumberuf. Doch vor einigen Jahren ging es nicht mehr. Er ging mit 48 in Frührente. Seitdem verbringe er einen Großteil seiner Zeit bei Ärzten, sagt er. Er habe Gleichgewichtsstörungen, ständige Kopfschmerzen, Nierenprobleme. Das Immunsystem sei schwach, er leide unter Diabetes, von den psychischen Belastungen ganz zu schweigen. "Das Ganze ist ein Alptraum, körperlich und geistig."

Gary Smiley sitzt an der 9/11-Gedenkstätte (Foto: DW/M. Soric)
Gary Smiley hat auch 14 Jahre nach den Anschlägen mit den Folgen zu kämpfenBild: DW/M. Soric

So wie Tausende andere Helfer wird er regelmäßig von Spezialisten untersucht. Die hohen Arztrechnungen wurden bislang vom Staat beglichen. Der Kongress hatte eigens für die Überlebenden von 9/11 Hilfsgelder ("compensation fund") in Höhe von 2,78 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

Helfer fühlen sich im Stich gelassen

Dieses Programm läuft Ende 2015 aus. Für Gary Smiley eine Katastrophe. "Meine Krankenversicherung wird diese Arztrechnungen nicht bezahlen wollen." Gleiches gelte für andere Überlebende, die etwa an Krebs erkrankt seien und "astronomisch hohe Rechnungen" zu berappen hätten. "Ohne die Hilfe des Staates werden drei Viertel der Helfer von 9/11 frühzeitig sterben", sagt er. Das seien alles Menschen, die bereit waren, alles zu geben an dem Tag, an dem Amerika in seiner Geschichte am schwersten getroffen wurde. "Ich verstehe nicht, weshalb über die Fortsetzung der Hilfe für die Überlebenden überhaupt diskutiert wird", sagt er sichtlich betroffen.

Gary Smiley schaut auf die 9/11-Gedenkstätte (Foto: DW/M. Soric)
Mit Gary Smiley leiden viele weitere Helfer - und hoffen auf eine Verlängerung der HilfszahlungenBild: DW/M. Soric

Was dem Familienvater von zwei Kindern Hoffnung macht: Er ist mit seinem Schicksal nicht alleine. Andere Überlebende sind ebenfalls auf die Hilfszahlungen angewiesen. Sie haben sich zusammengeschlossen, geben Pressekonferenzen, schreiben Briefe an Kongressabgeordnete und Senatoren. Das scheint Wirkung zu zeigen. Abgeordnete aus New York und New Jersey verlangen inzwischen ebenfalls, die Hilfszahlungen fortzusetzen. Auf den Punkt bracht es die Demokratin Carolyn Maloney: "Es genügt nicht, den Heroismus der Rettungskräfte zu loben."