Die EZB hebt die Zinsen weiter an
2. Februar 2023Mit der fünften Zinserhöhung in Folge stemmen sich die Euro-Währungshüter gegen die nach wie vor hohe Teuerung. Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt den Leitzins im Euroraum erneut um einen halben Prozentpunkt auf nun glatt drei Prozent an. Das beschloss der Rat der Notenbank am Donnerstag in Frankfurt. Für die nächste geldpolitische Sitzung am 16. März ist bereits eine weitere Zinserhöhung in Aussicht gestellt. "Wir erwarten, dass sie weiter steigen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt. Im März werde es erneut um einen halben Prozentpunkt nach oben gehen. Danach werde die Lage neu bewertet, abhängig von den Konjunktur- und Inflationsdaten.
Diesen Kurs hatte Lagarde schon im Dezember skizziert: "Wir müssen eine längere Strecke gehen." Im Januar hatte Lagarde die Entschlossenheit der Notenbank bekräftigt: Die Zinsen müssten "noch deutlich und stetig steigen", um die Inflation ausreichend einzudämmen, so die Französin.
Die Kerninflation, in der schwankungsreiche Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet sind, verharrte zuletzt bei 5,2 Prozent. Die EZB treibt die Sorge um, dass sich die hohe Inflation verfestigen könnte und die langfristigen Inflationserwartungen aus der Spur geraten.
Die Suche nach der Inflationsbalance
Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Diese Zielmarke ist seit Monaten weit entfernt. Im Januar schwächte sich der Preisauftrieb zwar erneut ab, dennoch lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum einer ersten Schätzung der Statistikbehörde Eurostat zufolge um 8,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. In Deutschland lag die Inflationsrate im Dezember bei 8,6 Prozent. Vor allem hohe Energie- und Lebensmittelpreise heizen die Teuerung an.
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnte jüngst in einem Interview: "Man muss aufpassen, jetzt nicht zu früh den Abgesang auf die hohe Inflation anzustimmen." Trotz des Rückgangs sei die Inflation noch immer "viel zu hoch", sagte Nagel und betonte: "Die Zinsen müssen noch weiter steigen." Er wäre "nicht überrascht", wenn die EZB nach den beiden angekündigten Schritten für Februar und März "die Leitzinsen weiter erhöhen" würde, sagte der Bundesbank-Präsident, der im EZB-Rat über die Geldpolitik mitentscheidet.
"Die Anhebung der Leitzinsen um 50 Basispunkte ist richtig, weitere Schritte in diesem Umfang müssen folgen," kommentierte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die Zinsentscheidung. Die Arbeit sei noch nicht vollendet. "Der aufkeimende Konjunkturoptimismus und die jüngst besseren Wirtschaftsdaten erleichtern es der EZB, Kurs zu halten." Womöglich gelinge der EZB auf diesem Wege sogar eine sanfte Landung. "Die EZB findet an der Zinsschraube immer mehr Gefallen", sagte Alexander Krüger, Chefökonom bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Mit dem Zinsschritt klopfe sie am konjunkturrestriktiven Zinsbereich an.
Gut für Sparer
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft der Verbraucher, sie können sich für einen Euro weniger leisten. Steigende Zinsen können hohen Teuerungsraten entgegenwirken, weil sich Kredite verteuern und das die Nachfrage bremst. Zugleich können höhere Zinsen aber die Wirtschaftsentwicklung im Währungsraum der inzwischen 20 Länder dämpfen, der seit Monaten mit den Folgen des Ukraine-Krieges und einem massiven Anstieg der Energiepreise zu kämpfen hat.
Der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt nach der Entscheidung des EZB-Rates vom Donnerstag auf 2,50 Prozent. Seit der Kursänderung der EZB im Juli profitieren Sparer von steigenden Zinsen für Tages- und Festgeld. Allerdings mindert die hohe Inflation die Erträge.
Rückkehr zur Normalität in Washington
Zuvor hatte die US-Notenbank Fed ebenfalls eine Zinserhöhung beschlossen. Doch angesichts der abflauenden Inflation in den USA lässt es die Federal Reserve bei der ersten Zinserhöhung im neuen Jahr etwas langsamer angehen. Sie erhöhte den Schlüsselsatz am Mittwoch lediglich um einen Viertel-Prozentpunkt - auf die neue Spanne von 4,50 bis 4,75 Prozent. Das ist das höchste Zinsniveau seit November 2007.
Damit kehrt nach einer Serie von zuletzt relativ aggressiven Zinsschritten wieder etwas Normalität in der US-Geldpolitik ein. Die Fed hat bereits im Dezember den Leitzins nur noch um einem halben Punkt angehoben. Zuvor hatte sie ihn vier Mal in Folge um jeweils 0,75 Prozentpunkte nach oben getrieben, um die Inflationswelle zu brechen.
Fed-Vizechefin Lael Brainard betonte jüngst, die Inflation habe sich zuletzt zwar abgeschwächt, bleibe aber noch hoch. Daher müsse die Geldpolitik noch einige Zeit ausreichend straff ausgerichtet bleiben, damit das Fed-Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent nachhaltig erreicht werden könne.
Viele Risiken in London
Deutlicher fiel der Zinsschritt in London aus. Die britische Notenbank setzt ihren Kampf gegen die hohe Inflation fort und hob ihren Leitzins um weitere 0,5 Prozentpunkte auf 4,0 Prozent an, wie die Bank of England am Donnerstag in London nach ihrer Zinssitzung mitteilte. Es ist bereits die zehnte Zinserhöhung seit Ende 2021.
In die Zukunft blicken die Währungshüter aber vorsichtiger. Das bisherige Signal, wonach man kraftvoll gegen die hohe Inflation vorgehen werde, wurde abgeschwächt. Jetzt heißt es, weitere Zinsanhebungen seien angezeigt, soweit mehr anhaltender Inflationsdruck festgestellt werde. Dies könnte als Hinweis auf ein langsameres Straffungstempo oder gar eine Zinspause verstanden werden. Nach wie vor spricht der geldpolitische Ausschuss nicht mit einer Stimme. Von den neuen Mitgliedern sprachen sich zwei gegen die aktuelle Zinserhöhung aus.
Die britische Wirtschaft ist derzeit besonders vielen Risiken ausgesetzt. Dazu zählen neben dem Ukraine-Krieg, den wirtschaftlichen Folgen und der hohen Inflation auch die anhaltenden Probleme infolge des Brexit sowie heftige Streikwellen, die das Land durchziehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die wirtschaftlichen Aussichten für Großbritannien in dieser Woche ungünstiger bewertet als für viele andere große Industrienationen.
dk/(hb (rtr, dpa, afp)