Die Deutschen und die Oscars
25. Februar 2013Kennen Sie Erich Kästner? Nicht der Schriftsteller und Autor von "Emil und die Detektive" ist gemeint. Der weniger bekannte Namensvetter des berühmten Literaten ist der meistdekorierte deutsche Oscarpreisträger. Den kennen allerdings nur Fachleute. Kästner, der vor wenigen Jahren im hohen Alter starb, war lange Zeit Chefkonstrukteur der Münchner Kamera-Firma "Arri". Er erhielt drei Oscars. Doch Auszeichnungen in einer technischen Disziplin sind weitaus weniger bekannt als die in den klassischen Kategorien wie "Bester Film" oder "Bester Darsteller".
Doch auch in diesen Kategorien konnten Deutsche immer wieder punkten. Immerhin war der erste Schauspieler, der einen Oscar als "bester männlicher Darsteller" erhielt, Emil Jannings, ein Deutscher. Er erhielt 1929, noch bevor er neben Marlene Dietrich in "Der blaue Engel" glänzte, den populären Filmpreis für seine Auftritte in den Hollywood-Filmen "Sein letzter Befehl" und "Weg allen Fleisches". Als also der Deutsch-Österreicher Christoph Waltz am Sonntag (24.2.2013) seinen zweiten Oscar entgegennahm, blickte er - was den deutschsprachigen Raum betrifft - auf berühmte Ahnen zurück.
Vom deutschen Abendprogramm zum Oscar
In Zeiten der Globalisierung gibt es immer mehr internationale Koproduktionen. Wenn Filmkünstler mit einem Oscar für eine Produktion mit Geldgebern aus verschiedenen Ländern ausgezeichnet werden, dann ist es manchmal schwierig, einen Oscar einem bestimmten Land zuzuordnen. Dieses Problem betrifft auch die Herkunft vieler Filmschaffender. Christoph Waltz zum Beispiel hat sich vor seinem internationalen Filmdurchbruch jahrelang in deutschen Fernsehfilmen getummelt. Wenn man ihm also eine künstlerische Heimat zuordnen würde, dann wäre es das deutsche Fernsehen. Aufgewachsen ist er dagegen in Österreich - allerdings mit einem deutschen Pass. Und der hochdekorierte und allseits geschätzte Österreicher Michael Haneke, frisch Oscar-gekürt für seinen Film "Liebe", ist gebürtiger Münchner. Viele seiner Produktionen wurden mit deutschen Geldern gestemmt. "Liebe" ist eine französisch-deutsch-österreichische Koproduktion.
Ergibt es also Sinn, Oscars nach nationalen Kategorien aufzulisten? Wohl kaum - vor allem, wenn man bedenkt, dass der Oscar eine Auszeichnung der amerikanischen Filmindustrie ist, die fast ausschließlich an englischsprachige Filme geht. Lediglich die Nebenkategorie "Bester fremdsprachiger Film" wirft Jahr für Jahr ein wenig Licht auf den Rest der Filmwelt - in diesem Jahr auf Hanekes "Liebe". Hollywoods Brosamen fürs internationale Kinogeschehen!
Mogelpackung Oscar
Doch der genialste Schachzug der amerikanischen Oscar-Akademie ist folgender: Alle paar Jahre durchbricht die Akademie ihr starres Regelwerk. So auch in diesem Jahr, in dem der französischsprachige Film "Liebe" in der Hauptkategorie "Bester Film" nominiert war. Das weniger fachkundige Publikum bekommt so den Eindruck, hier werde tatsächlich ein internationaler Filmpreis vergeben. Hollywood und die Oscar-Akademie waren schon immer Meister in Fragen der Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit. Der Italiener Bernardo Bertolucci bekam 1988 einen Oscar für "Der letzte Kaiser" (GB/F/I). Federico Fellini wurde mehrfach nominiert in Kategorien, die eigentlich englischsprachigen Regisseuren und Autoren vorbehalten sind. Die Französin Marion Cotillard bekam einen Oscar für ihren Auftritt als beste Darstellerin in "La vie en rose" (2008).
Man sollte also stets im Auge behalten, dass hier in erster Linie ein amerikanischer Filmpreis vergeben wird - mit gezielten Ausnahmen. Die Liste deutscher Oscarpreisträger ist vor diesem Hintergrund durchaus ansehnlich.
Die Schauspielerin Luise Rainer schaffte das Kunststück in zwei aufeinanderfolgenden Jahren (1936 und 1937), als Darstellerin ausgezeichnet zu werden. Auch der in Böhmen geborene und in Berlin aufgewachsene Kameramann Karl Freund erhielt zwei Statuetten. Gar einen Ehren-Oscar bekam 1947 Ernst Lubitsch. Der Tierfilmer Bernhard Grzimek durfte sich 1960 über den Preis für seine Dokumentation "Serengeti darf nicht sterben" freuen, und für die Ausstattung in dem in München gedrehten Musical "Cabaret" bekam der Szenenbildner Rolf Zehetbauer 1973 ebenfalls einen Oscar.
Ein Oscar für Oskar Matzerath
Für Aufsehen sorgte dann die Auszeichnung für Volker Schlöndorffs Romanverfilmung der "Blechtrommel", wurde dabei 1980 doch auch der Aufschwung des "Neuen Deutschen Films" gewürdigt. Schlöndorff stand wie seine Regiekollegen Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und Werner Herzog Anfang der 80er Jahre für eben diesen Boom des deutschen Kinos. Auch Caroline Link erhielt für ihr Melodrama "Nirgendwo in Afrika" den Preis in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" (2003).
Zuletzt bedachte die Akademie den Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck 2007 mit dem Preis für sein Stasi-Drama "Das Leben der Anderen". Auch der schon lange in Hollywood arbeitende deutsche Komponist Hans Zimmer bekam 1995 eine Statuette für seine Filmmusik zu "Der König der Löwen". Zimmer wurde nicht weniger als neun Mal nominiert. Ein "Abo" hatten die Deutschen zudem in den vergangenen Jahren bei den Studenten- und Kurzfilmoscars.
Und nun eben Michael Haneke und Christoph Waltz - zwei Österreicher, auf der Bühne des Hollywood Highland Centers in Los Angeles frisch prämiert mit zwei Oscar-Statuetten. Auch Österreich kann übrigens auf eine reiche Oscargeschichte zurückblicken. Der gern als bekanntester Regisseur Österreichs bezeichnete Billy Wilder durfte sich während seiner Karriere über gleich sechs Trophäen freuen. Wilder wurde in der Kleinstadt Sucha geboren. Die gehört heute zu Polen, lag aber 1906, im Geburtsjahr Wilders, in Galizien, was wiederum zu Österreich-Ungarn gehörte. Wilders Eltern zogen einst von Krakau nach Wien, der Regisseur arbeitete später in Berlin, emigrierte dann in die USA. Wie gesagt: Nationale Zuschreibungen in der Welt des Films sind eine komplizierte Angelegenheit.