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Kulturrat warnt vor AfD

Gaby Reucher14. März 2016

Erfolg bei drei Landtagswahlen, da will die rechtspopulistische AfD jetzt auch in der Kultur mitreden. Der Deutsche Kulturrat ruft zum Widerstand auf. Wie, erläutert Geschäftsführer Olaf Zimmermann im DW-Interview.

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Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats
Bild: picture-alliance/dpa

Die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat nach den Wahlen am Wochenende große Erfolge in den Ländern Baden-Württenberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt erzielt. In Sachsen-Anhalt lag die Partei sogar über 20 Prozent. Da Kulturpolitik Ländersache ist, befürchten viele Verbände den Einfluss der Partei auch in kulturellen Angelegenheiten. Allen voran der Deutsche Kulturrat, der 246 Bundeskulturverbände vertritt. Als Interessenverband berät der Deutsche Kulturrat die Politik in Kulturfragen und hat nach dem Erfolg der AfD zum Widerstand gegen die Politik und besonders gegen das Kulturverständnis der Partei aufgerufen. Olaf Zimmermann ist seit 1997 Geschäftssführer des Deutschen Kulturrats und setzt sich besonders für die kulturelle Bildung ein. Im Interview mit der Deutschen Welle erklärt er, warum man den Einfluss der AfD auf die Kulturpolitik in Deutschland nicht unterschätzen darf.

DW: Die Partei AfD (Alternative für Deutschland) kennt man mit Parolen gegen die Flüchtlings- und Europapolitik der Bundesregierung. Das Wahlprogramm in Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass die Partei auch ein äußerst konservatives Kulturverständnis hat. Was befürchten Sie für die Kultur?

Olaf Zimmermann: Die Partei ist jetzt in drei Landtage hineingekommen und zwar mit einem Stimmenanteil, durch den sie überall einen vollen Fraktionsstatus hat. In Sachsen-Anhalt ist die AfD zweitgrößte Partei und damit letztendlich auch Oppositionsführerin, da die anderen Parteien nicht mit ihr koalieren wollen. Dadurch hat die AfD eine Menge Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten.

Sie wird nicht nur mit einem hohen Stimmanteil in sämtlichen Ausschüssen sitzen, sondern sie wird auch den Vorsitz von Ausschüssen übernehmen. Gott bewahre, dass sie den Vorsitz des Kulturausschusses übernehmen wird. Über den Haushaltsausschuss kann die AfD dann natürlich auch mitgestalten, wie Gelder verteilt werden. Deswegen machen wir uns natürlich Sorgen, was im Bereich der Kulturpolitik passiert.

AfD will mehr klassische "deutsche Stück" in Konzerten

Die AfD hat ja - zumindest in ihrem Wahlprogramm in Sachsen-Anhalt - auch schon ganz konkrete Vorstellungen zur Kulturpolitik.

Das Wahlprogramm der AfD spricht eine sehr klare Sprache, was man im Bereich der Kulturpolitik vor hat: Da ist die Rede von der "Pflege der deutschen Leitkultur" und auch von "identitätsstiftender Kulturpflege, statt nichtssagender Unterhaltung". Museen, Orchester und Theater sollen in Zukunft einen "positiven Bezug zur eigenen Heimat fördern", und die AfD will, dass mehr klassische deutsche Stücke in Konzert und Oper gespielt werden sollen. Die AfD schwingt sich also letztendlich zum Kulturzensor auf, und gerade das wollen wir in Deutschland nach zwei negativen Erfahrungen während des Nationalsozialismus und der SED-Diktatur in der DDR nicht mehr.

Aber man denkt ja, dass sich solche Ideen heutzutage - auch gesamtpolitisch gesehen - in Deutschland gar nicht durchsetzen können.

Das glaube ich leider überhaupt nicht mehr. Ich bin sehr besorgt, besonders wenn ich in die europäischen Nachbarländer schaue. Hätten Sie mir gesagt, dass man sich in Ungarn in dieser Art und Weise durchsetzen würde oder in Polen, hätte ich Ihnen vielleicht vor einem Jahr noch gesagt, dummes Zeug, das wird nicht mehr passieren. Das heißt, es gibt keine Sicherheit, man muss immer wieder neu kämpfen. In Sachsen-Anhalt hat die AfD die Katze aus dem Sack gelassen. In den anderen beiden Ländern müssen wir gucken, was da als kulturpolitische Programmatik vorgestellt wird. Die AfD denkt, wenn ich Macht habe, dann kann ich auch die Kunst und die Kultur gestalten. Und das ist einfach nicht richtig. Da werden wir massiv gegen protestieren.

Beschädigte Wahlplakat der AfD
Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Widerstand gegen die Politik der AfDBild: E. Schumacher

Die Freiheit der Kunst ist gesetzlich verankert

Nun gibt es bei uns ja auch das Gesetz der Freiheit der Kunst, also da sind ja schon Grenzen gesetzt.

Absolut. Diese Macht werden sie nicht haben, weil wir einfach ein Grundgesetz haben, das die Kunstfreiheit schützt. Trotzdem müssen wir das sehr deutlich sagen. Man darf nicht davon ausgehen, das wird schon nicht so schlimm werden. Fast ein Viertel der Wähler hat in Sachsen-Anhalt die AfD gewählt; das ist kein Witz, sondern das ist ein starker Einschnitt, und natürlich wird das für den Kulturbereich Konsequenzen haben. Es gibt jetzt ein großes Interesse, wie sich die anderen Parteien zu der Frage verhalten und wie sie die AfD auch in Kulturfragen in die Schranken verweisen werden.

Durch das Gesetz der Freiheit der Kunst kann die AfD - nur um das noch einmal klar zu stellen - nicht in die Spielpläne von Konzert- und Opernhäusern eingreifen. Man muss ja auseinanderhalten, was die AfD will und was sie kann.

Nein, das können sie sowieso nicht. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass die AfD-Vertreter versuchen werden, in diese Richtung zu diskutieren. Aber es ist ja auch dummes Zeug, dass in den Spielplänen zu wenig deutsche Stücke gespielt würden. Die erste Bitte an die Vertreter ist: Geht mal in die Kultureinrichtungen rein und schaut erst einmal, was die überhaupt machen. Ich glaube, dann würde sich vielleicht das Bewusstsein schon ändern. Denn es gehört natürlich auch zu unseren Aufgaben, mit dieser neuen politischen Kraft zu arbeiten und sie zu überzeugen.

"Wir dürfen uns von der AfD nicht treiben lassen"

"Identitätsstiftende Kulturpflege statt nichtssagender Unterhaltung" steht im Wahlprogramm. Da steckt eine klare Wertung drin und auch eine Haltung. Wie gefährlich ist dieses Gedankengut? Reicht es zu sagen: Schaut euch doch erst mal unsere Spielpläne richtig an und seht, was die Kultur bisher macht?

Das ist natürlich genau der Punkt. Wir hatten in Sachsen-Anhalt zwei Diktaturen hintereinander, die Kultur missbraucht haben, um ihre Politik in die Gesellschaft hineinzubringen. Das war im NS-Staat so und auch im SED-Staat. Deshalb ist ja die Lehre daraus, dass es eine Trennung zwischen der Politik und dem Kulturbereich gibt.

Die Instrumentalisierung ist ein großes Problem, und da muss man mit den Akteuren reden, ob sie überhaupt wissen, was sie da in diesem Wahlprogramm geschrieben haben und welche Assoziationen sie damit wecken. Darüber werden wir jetzt mit den AfD-Vertretern streiten müssen, denn einen so hohen Stimmenanteil kann man nicht ignorieren.

Ich finde es auch in Ordnung, wenn wir eine Wertedebatte führen. Aber das sind nicht nur die deutschen Werte, sondern universelle Werte wie Menschenrechte, Gleichheit, Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit. Wir dürfen diese Diskussion allerdings nicht nur als Reaktion führen. Wir müssen von uns aus sagen, dass diese Werte für alle Menschen gelten, nicht nur für deutsche Menschen. Diese Diskussion müssen wir anführen und uns nicht von der AfD oder anderen rechten Parteien treiben lassen.

Das Interview führte Gaby Reucher.