Die 3D-Revolution der Archäologie
20. Mai 2016Das Zauberwort der Museumsmacher heißt 3D. Das ist jetzt auch in Berlin erkannt worden. "Digitalisieren ist die neue Kernaufgabe der Museen", legte sich denn auch der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Hermann Parzinger, gegenüber Journalisten fest.
Atemberaubende Dimensionen
Bei einer exklusiven ersten Vorstellung seines neuen 3D-Digitalisierungprojektes "Zedikum" wurde schnell klar, warum sich Parzinger und der Direktor für das Vorderasiatische Museum, Markus Hilgert, so ins Zeug legen. Die von ihnen vorangetriebene 3D-Digitalisierung dringt in Dimensionen vor, die atemberaubender nicht sein könnten. Neueste 3D-Technik, teilweise von "Zedikum" selbst entwickelt, vermag archäologisch kostbare Gefäße oder historische Keilschriften plastisch in Perspektive zu setzten. Ein sogenannter Streifenlichtscanner macht es möglich.
"Zedikum" hat ihn in den nur sechs Monaten seines Bestehens entwickelt. Der Scanner projeziert Weißlicht auf den zu dokumentierenden Gegenstand und nimmt ihn dann mit Hilfe zweier Kameras auf. Das dreidimensionale Bild sieht nicht nur faszinierend aus, sondern ist auch bis auf acht Mikrometer genau.
Auch Syrien und Irak profitieren
Viele Menschen profitieren nach Einschätzung von SPK-Präsident Parzinger vom Berliner Digitalisierungsprojekt, egal ob sie nun in der nahen Hauptstadt oder in der Ursprungsländern der bedrohten Kulturgüter leben: Da sind zum einen die Museumsbesucher, die dank der Virtual-Reality-Elemente die archäologischen Schätze völlig neu erleben können. Die Forscher wiederrum haben den Vorteil, dass sie ihre wissenschaftliche Arbeit künftig von überall her verrichten können. Und das bedeutet im Endeffekt auch einen stärkeren Schutz für die fragilen Museums-Objekte, die studiert werden können, ohne dass Forscher sie aus dem gut behüteten Magazin holen müssten.
Schutz für Kulturgüter
Politisch wichtig ist, dass die 3D-Digitalisierung auch für das kulturelle Gedächntnis in Krisengebieten wie Syrien oder Irak segensreich ist. Denn am Ende kann sie nicht nur eine kostengünstige Dokumentation der archäologischen Kulturgüter ermöglichen, sondern sogar beim Zusammensetzen mutwillig zerstörter Kunstschätze helfen.
"Die präventive Dokumentation ist der beste Kulturgutschutz", argumentiert Markus Hilgert, der innerhalb der SPK die Federführung für das Projekt übernommen hat. "Alles, was dokumentiert ist, kann nicht mehr verloren gehen. Selbst wenn die Dinge geplündert oder gestohlen werden, sind sie leichter aufzufinden", so der Direktor des Vorderasiatischen Museums gegenüber der Deutschen Welle.
Kulturelle Entwicklungshilfe
Hilgert sieht den Nutzen des "Zedikum"-Digitalisierungsprojektes nicht nur für die Berliner Museen der SPK. Von den 600.000 Objekten im Besitz der Stiftung will er zunächst nur einen kleineren Teil digitalisieren. Gerade auch die Menschen, die um den Fortbestand ihres kulturellen Erbes fürchteten, würden profitieren. Denn "Zedikum", das vor sechs Monaten mit Mitteln der Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, ins Leben gerufen wurde, sieht sich nicht nur als Digitalisierungsmaschine. Man will sich auch als Kompetenzzentrum profilieren und im Feld der kulturellen Entwicklungshilfe aktiv werden.
Mit einer deutsch-irakischen Expertengruppe unter Führung des irakischen Unesco-Botschafters haben Hilgert und seine Leute ein Pilotprojekt gestartet. Dabei wurde den Deutschen schnell klar, "dass man ein sehr aufwendig ausgestattetes 3D-Laboratorium nicht ohne Weiteres in den Irak verpflanzen kann".
Hoffnung für Palmyra
Die Kosten für das Laboratorium liegen im sechsstelligen Euro-Bereich und es ist schwer zu bedienen. Auf der Suche nach kostengünstigen und nachhaltigen Lösungen wurde ein Mitarbeiter von "Zedikum" schnell fündig: Innerhalb weniger Monate entwickelte er "Aspeak", eine Abkürzung für "Apparat für die serielle photogrametrische Erfassung archäologischer Kulturgüter". Dies ist im Kern nichts anderes als eine normale Industriekamera mit guten Objektiven und kostet rund 1300 Euro.
Hilgert ist sicher, dass seine Leute die Apparatur in wenigen Monaten zur Serienreife gebracht haben: "Allen, die mit Kulturgütern im Irak und Syrien arbeiten, ist klar, dass das die richtige Technologie ist", sagt er und hebt einen weiteren Vorzug hervor. "Wenn es eine so hochqualitative Dokumentation gibt, dann können Sie ein Objekt, wenn es im allerschlimmsten Fall zerstört ist, wieder erlebbar machen."
Doch selbst wenn diese Dokumentation fehlt, können Palmyra und andere Orte, in denen die Terrormiliz "Islamischer Staat" gewütet haben, noch hoffen. Hilgert und seine Leute arbeiten an einem 3D-Verfahren, dass zertrümmerte Säulen oder in Scherben zersplitterte Schalen wieder zusammenfügt – zumindest digital.