Plakatkünstler Klaus Staeck wird 80
28. Februar 2018Staecks Kunst, das sind vor allem Plakate, Postkarten, Aufkleber und Multiples. Mit ihnen bezieht er Position - fast jeder Entwurf enthüllt einen Missstand. "Meine Hoffnung ist", sagt er, "Störendes zu beeinflussen." Er möchte zum Nachdenken anregen - sein Widerspruchsgeist, sein Humor und seine Fabulierkunst kommen ihm dabei zugute, auch heute noch.
So druckte er 2014 "nie mehr amazon" auf ein Plakat. Mit den Namen "AMAZON", "FACEBOOK", "GOOGLE" und "APPLE" benannte er im gleichen Jahr Albrecht Dürers vier apokalyptische Reiter (Holzschnitte von 1497/98 - Anm.d.Red.), unter deren Ansturm die Welt zugrunde geht. Zu seinem 80. Geburtstag breitet das Essener Museum Folkwang derzeit Staecks Lebenswerk in einer großen Ausstellung aus.
Eines der Plakate zeigt Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, wie er 1997 auf einer Kanonenkugel sitzend "blühende Landschaften" überfliegt. Titel: "Der Lügenbaron". Über die Porträts zweier Industriemanager montierte Staeck 1988 den Schriftzug: "Alle reden vom Klima. Wir ruinieren es."
Das Plakat als Kunstform
Klaus Staeck hat das Plakat zur Kunstform erhoben. Viele seiner Arbeiten brannten sich ins kollektive Gedächtnis der alten Bundesrepublik (1949-1990) ein. Das Plakat "Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?" etwa entstand im Dürer-Jahr 1971. Es zeigt Dürers Mutter und wurde in Nürnberg anonym plakatiert, als dort eine große Dürer-Gedächtnisausstellung stattfand - zeitgleich zu einem Kongress des Haus- und Grundbesitzer-Vereins.
Polit-Satire an die Adresse der SPD
Mit den Plakaten "Die Reichen müssen noch reicher werden. Deshalb CDU" oder "Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen" griff Staeck in Wahlkämpfe ein und avancierte so zum ironischen Kommentator des Politbetriebs. Aus seiner linken Gesinnung machte er keinen Hehl. Doch Staecks Satire traf den Nerv der Zeit: Viele Zeitgenossen fühlten sich provoziert und strengten Prozesse gegen den Künstler an. Keines der 41 Verfahren verlor Staeck.
Schlacksig-schlank, im typischen blauen Anzug, so schlenderte Staeck jetzt durch die Essener Geburtstagsausstellung. Ihr Titel "Sand fürs Getriebe", zu sehen noch bis zum 8. April, trifft genau seinen Anspruch. "Ich kämpfe gegen Ungerechtigkeit", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle, "und da gibt es immer was zu tun." Unerschrocken legte er sich mit den Mächtigen an, darunter Großkonzerne wie Rheinmetall, Amazon oder Google. "Die zocken Leute ab und erwerben ihre Reichtümer so, dass andere darunter leiden!" Das hat ihn motiviert.
"Mehr loben wirkt auch"
Klaus Staeck wuchs in der ostdeutschen Industriestadt Bitterfeld auf. Dort erlebte er auch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953. "Die Demokratie bietet wie keine andere Staatsform die Chance, sich einzumischen und Fragen zu stellen, die andere möglicherweise nicht gern hören", versichert Staeck im DW-Gespräch. Auf Antworten zu bestehen, das sei die große Chance der Demokratie. "Die nutze ich, vielleicht auch deshalb, weil ich als Jugendlicher in der DDR die Unfreiheit erfahren und die Freiheit zu schätzen gelernt habe." Um Freiheit zu verteidigen, greift Klaus Staeck zu satirischen Mitteln.
Nach dem Abitur 1956 siedelte er nach Heidelberg über und studierte Jura. Viele seiner Plakate hingen schon bei der Kasseler Kunstschau "documenta". "Nicht altersmüde" findet sich Staeck, der von April 2006 bis Mai 2015 Präsident der Akademie der Künste in Berlin war und heute ihr Ehrenpräsident ist. Inzwischen findet er sich "höchstens altersweise". Und statt zu kritisieren, möchte er mehr loben. "Das", sagt er, "wirkt auch!"