Deutschland: Entschädigung für sowjetische Kriegsgefangene
20. Mai 2015Union und SPD haben den jahrelangen Streit um Hilfen für sowjetische Kriegsgefangene beigelegt. Sie haben beschlossen, den noch lebenden sowjetischen Kriegsgefangenen für das im Zweiten Weltkrieg erlittene Leid zu entschädigen. Zehn Millionen Euro sollen demnach in dem Nachtragshaushalt 2015 eingestellt werden - als eine "symbolische finanzielle Anerkennung", teilte der stellvertretende haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans-Ulrich Krüger, mit. Wie viele frühere Gefangene Anspruch auf eine Entschädigung haben, ist noch unklar.
"Die ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen sind die zweitgrößte Gruppe von NS-Opfern nach den jüdischen Opfern", erklärte der SPD-Abgeordnete Krüger. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses seien sich einig gewesen, "dass eine Anerkennung der Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen als NS-Unrecht gerechtfertigt und eine individuelle finanzielle Anerkennung als symbolische Wiedergutmachung geboten ist".
Unfassbares Leid
Dass ehemalige sowjetische Kriegsgefangene entschädigt werden sollen, wurde schon lange gefordert. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Entscheidung. Dies sei "eine gute Initiative aus dem deutschen Bundestag", sagte sein Sprecher Martin Schäfer. Steinmeier habe einen entsprechenden Antrag bereits im Juni 2013 als SPD-Fraktionschef gestellt. Es gebe aber keine konkrete Zahl zu den noch lebenden Anspruchsberechtigten.
Zuvor hatten sich auch Grüne und Linke für die Entschädigung der einstigen Kriegsgefangenen eingesetzt, während sich die Union skeptisch zeigte. "Das ist ein spätes und wichtiges Bekenntnis zur historischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschlands für dieses Kapitel der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik", erklärten die Grünen-Abgeordneten Volker Beck und Sven-Christian Kindler. "Zugleich ist es ein starkes Signal der Völkerfreundschaft gegenüber Russland, Weißrussland und der Ukraine."
"Endlich akzeptiert auch die Union die moralische Verpflichtung der Bundesrepublik, den nur noch wenigen Opfern eine symbolische Entschädigung zu zahlen", erklärte der Linken-Innenexperte Jan Korte.
Während des Überfalls auf die Sowjetunion ab 1941 gab es den Grünen zufolge zwischen 4,5 und sechs Millionen sowjetische Kriegsgefangene. Bis Kriegsende starben mehr als 60 Prozent von ihnen. Zwei Millionen starben bereits in den ersten Kriegsmonaten an Hunger, Seuchen und Erfrierungen. Bis heute leiden die Überlebenden unter den gesundheitlichen und sozialen Folgen. Nach der Rückkehr in die Sowjetunion wurden sie unter Stalin der Kollaboration verdächtigt. Von ihnen kamen 13 Prozent in Lagerhaft, viele in sogenannte "Arbeitsbataillone". Ihre Diskriminierung endete erst 1995. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden sie vollständig rehabilitiert.
pab/stu (dpa, afp)