Deutschland wirbt um Mexiko
9. Juni 2017Mexiko legt eine Trump-Pause ein. An diesem Wochenende richtet sich in dem lateinamerikanischen Land die Aufmerksamkeit nicht auf die Tweets des US-Präsidenten, sondern auf den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind blendend. Nach der jüngsten Umfrage unter den Mitgliedern der deutsch-mexikanischen Handelskammer (Camex) in Mexiko-Stadt erwarten 65 Prozent der Befragten für die nächsten zwölf Monate ein Geschäftsplus, 29 Prozent zumindest ein unverändertes Ergebnis.
"Bei unseren Mitgliedsunternehmen ist eine gewisse Gelassenheit und Zuversicht eingetreten", erklärt Camex-Sprecher Björn Lisker gegenüber der DW. Die einzigen Sorgen seien nach wie vor die nicht beeinflussbaren externen Faktoren und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.
Deutsche Autos made in Mexiko
Im Rahmen der Handelskammer-Umfrage "World Business Outlook" bezeichneten 67 Prozent der rund 1900 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in Mexiko ihre aktuelle Situation als "gut". 29 Prozent stuften sie als "befriedigend" ein und nur vier Prozent als "schlecht".
Beleg für die überraschend gute Stimmung bei den deutschen Unternehmen sind die geplanten Investitionen. So baut BMW ein Werk im mexikanischen Bundesstaat San Luis de Potosi, in dem von 2019 an die 3er-Reihe für den Weltmarkt produziert werden soll. Mercedes und Nissan errichten ein Gemeinschaftswerk in Aguascalientes, wo 2018 mit der Produktion der A-Klasse und von Autos der Luxusmarke Infiniti begonnen werden soll.
Damit nicht genug: Bereits im September vergangenen Jahres begann Audi mit der Produktion des Fahrzeugmodells Q5 in San José Chiapa im Bundesstaat Puebla. Und im März dieses Jahres kündigte der Siemens-Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser Investitionen in Höhe von 200 Millionen Dollar in Mexiko an.
Falscher Alarm?
Kurz nach dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar dieses Jahres sah das noch ganz anders aus. Die Ankündigungen des US-Präsidenten versetzten nicht nur die deutschen Unternehmen in Mexiko in Alarmbereitschaft: Strafzölle auf mexikanische Exporte, Ausstieg aus dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA und der Bau einer Mauer zwischen Mexiko und den USA - all dies schien die Geschäftsgrundlage Tausender Unternehmen zu untergraben.
Mittlerweile ist klar, dass der 1994 gegründete gemeinsame Markt zwischen den USA, Mexiko und Kanada nicht aufgekündigt, sondern nachverhandelt werden soll. Mexikos Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo wagte sich vor der Ankunft Merkels aus der Deckung. "Ich wäre nicht so sicher, dass aus den Strafzöllen wirklich ein Gesetzesvorhaben wird", sagte Guajardo gegenüber der mexikanischen Zeitung "El Universal".
Noch ist der Zugang zum amerikanischen Markt im Rahmen des Freihandelsabkommens NAFTA für Mexiko eine Existenzfrage. Nach Angaben der Welthandelsorganisation (WTO) gehen 81 Prozent aller mexikanischen Exporte in die USA; nach Kanada sind es gerade einmal 2,8 Prozent. Bei den Einfuhren hingegen machen die Produkte aus den USA nur 47 Prozent aus.
Während die Handelsbilanz mit den USA für Mexiko positiv ausfällt, ist im Verhältnis mit Deutschland das Gegenteil der Fall. Das deutsch-mexikanische Handelsvolumen von insgesamt 16 Milliarden Euro setzt sich aus deutschen Exporten in Höhe von elf Milliarden Euro und Importen aus Mexiko von fünf Milliarden Euro zusammen.
Mehr Importe aus Mexiko
Camex-Sprecher Björn Lisker hofft darauf, dass Mexiko künftig seine Exporte nach Deutschland steigert. "Wir erwarten eine deutliche Ausrichtung der Mexikaner gen Europa und dann gen Deutschland", sagt er. "Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko wird unzureichend genutzt."
Ausgerechnet jetzt wird das 2001 abgeschlossene Freihandelsabkommen neu verhandelt. Mexiko dringt darauf, die Quoten für Bananen, Thunfisch und Avocado zu verbessern. Angesichts der zumindest verbalen Abschottung der Regierung Trumps läuft Merkel bei ihrem Besuch in Mexiko beim Werben für den deutschen Markt offene Türen ein.
"Die Mexikaner haben erkannt, dass die übergroße Abhängigkeit von den USA sehr große Risiken birgt", sagt Lisker. "Das wusste man theoretisch in der Vergangenheit natürlich auch, aber zum ersten Mal ist man jetzt in der Situation, dass man wirklich sagen muss: Diese Abhängigkeit ist schädlich für uns."