"Es geht ein Ruck durch Mexiko"
28. Januar 2017Deutsche Welle: Herr Hauser, betrachtet Mexiko den neuen US-Präsidenten Donald Trump als Feind?
Johannes Hauser: Die Mexikaner sind empört und zutiefst getroffen von der brachialen Art und Weise, mit der Trump ihnen entgegentritt. Man merkt jetzt, wie dieser Angriff von außen zu einer parteiübergreifenden Solidarisierung im Land führt. Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto, bisher im Umfragetief, hat für seine Ankündigung, nicht nach Washington zu reisen, ausschließlich Applaus bekommen. Da geht ein Ruck durchs Land. Dass Trumps kruden Worten auch krude Taten folgen, hat die Mexikaner kalt erwischt.
Eine der "kruden" Ankündigungen Trumps ist der Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko. Wie würde sich dies auswirken?
Als Deutscher hat man schon Bauchschmerzen, wenn man das Wort "Mauer" überhaupt hört. Das ist natürlich eine abstruse Idee. Aber im Blick auf die Auswirkungen, insbesondere in Kombination mit den Nachverhandlungen beim Freihandelsabkommen NAFTA, könnte eine Mauer gar nicht hoch genug sein, um all diejenigen aufzuhalten, die den Weg in die USA suchen, weil man die wirtschaftliche Grundlage von Mexiko torpediert, nämlich NAFTA. Ich frage mich, was für ein Interesse die Amerikaner daran haben sollten, Mexiko wirtschaftlich zu destabilisieren. Die Grenze gehört heute schon zu den am besten gesicherten der Welt.
Trump hat angekündigt, 20 Prozent Importzölle auf Exporte aus Mexiko zu erheben. Ist eine solche Maßnahme innerhalb der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA überhaupt möglich?
Innerhalb der NAFTA wäre das nicht möglich, denn der Abbau von Zöllen ist ein wesentlicher Bestandteil des Abkommens. Aber das scheint Trump ja nicht zu scheren, insofern steht diese Ankündigung erst einmal im Raum.
Könnte Mexiko Gegenmaßnahmen ergreifen?
Das ist schwierig. Mexiko befindet sich in einer markant asymmetrischen Situation. 80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA, während aus den USA nur 15 Prozent aller Exporte nach Mexiko gehen. Die USA verhandeln also aus einer Position der Stärke. Um sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA zubefreien, hat Mexiko neben NAFTA auch ein Freihandelsabkommen mit der EU und zehn weiteren Partnern abgeschlossen. Doch diese sind bislang nicht mit Leben erfüllt worden. Auf der anderen Seite hängen in den USA über sechs Millionen Arbeitsplätze davon ab, dass NAFTA funktioniert. Darüber kann auch ein Donald Trump nicht hinwegschauen.
Einige US-Autohersteller haben bereits angekündigt, Investitionen in Mexiko zurückzufahren. Werden es die deutschen Autobauer in Mexiko gleichtun?
Das war Ford. General Motors hat gesagt, man wolle an seinen Plänen festhalten. Bei den deutschen Unternehmen sieht es anders aus. Trumps Vorwurf, "They steal our jobs", greift bei ihnen nicht. Denn sowohl VW als auch BMW und Mercedes haben Fertigungen in den USA. Der BMW Standort in den USA ist der größte überhaupt, größer sogar als in Deutschland, da werden keine Kapazitäten reduziert, um sie dann in Mexiko neu zu errichten.
Aber führt die politische Unsicherheit nicht auch dazu, dass auch deutsche Unternehmen erst einmal ihre Investitionen zurückhalten?
Wir haben Ende November 2016 eine Konjunkturumfrage unter unseren Mitgliedern gemacht und diese mit der Frage verbunden, was sie von einer Präsidentschaft Donald Trumps halten. 83 Prozent haben gesagt, dass sie sich von der Wahl Trumps nichts Gutes erhoffen und damit Befürchtungen verbinden. Gleichwohl haben mehr als 60 Prozent der Unternehmen gesagt, dass sie an ihren Investitionsplänen für 2017 festhalten wollen. Ich weiß nicht, ob das Ergebnis identisch wäre, wenn wir die Umfrage heute machten. Unsicherheit bei wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist für Investitionsentscheidungen nicht förderlich. Auch die mexikanische Regierung hat ihre Erwartungen für ausländische Investitionen schon zurückgenommen.
Wünschen Sie sich von den anderen Handelspartnern und politischen Verbündeten Mexikos mehr Solidarität?
Es gibt ein ausgeprägtes Mitgefühl für das, was Mexiko gerade erlebt und erleidet. Aber am Ende wird es die Aufgabe der Mexikaner sein, ihre Interessen auch selber zu verteidigen. Und ich denke, sie sind auch entschlossen, das zu tun. Es gibt die Ankündigung des mexikanischen Außenministers Luis Videgaray, aus NAFTA auszusteigen, wenn bei Nachverhandlungen kein für beide Seiten akzeptabler Interessensausgleich stattfindet. Es ist nicht völlig abwegig zu sagen, wir nehmen uns 23 Jahre nach der Unterzeichnung von NAFTA das Abkommen noch einmal vor und schauen, wo wir es verbessern können. Da ist Detailarbeit gefragt, denn das NAFTA-Abkommen ist dicker als die Bibel. Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn man wirklich am Tisch sitzt und nicht per Twitter irgendwelche Statements abgibt.
Johannes Hauser ist Geschäftsführer der Deutsch-Mexikanischen Handelskammer (CAMEXA). Die Kammer vertritt 1900 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in Mexiko.
Das Gespräch führte Astrid Prange de Oliveira.