Deutschland: Wer zahlt für die Hochwasserschäden?
3. Juni 2024Überflutete Straßen, Erdrutsche, geräumte Häuser, die tief im Wasser stehen: Innerhalb weniger Tage hat es im Süden Deutschlands so viel und stark geregnet, dass Flüsse über die Ufer traten und Dämme brachen. Wo das Wasser abfließt, werden die Schäden sichtbar. Gebäude, Autos, Möbel, Hausrat - das Wasser hat fast alles unter Schlamm begraben und zerstört.
Es sind nicht die ersten Extremwetterschäden in diesem Jahr. 2024 hat es bereits an mehreren Orten starke Regenfälle, Hagelstürme und heftige Gewitter gegeben. Besonders betroffen waren Regionen im Westen Deutschlands entlang des Rheins, im Norden an der Elbe und im Süden am Rand der Alpen.
Hochwasser 2021: mehr als 30 Milliarden Euro Schaden
Der Klimawandel hat zur Folge, dass Extremwetter häufiger auftritt. Die Schäden zu beseitigen, kostet viel Geld. Das zeigt sich bis heute besonders im Ahrtal, das im Sommer 2021 von verheerendem Hochwasser heimgesucht wurde, bei dem 135 Menschen ums Leben kamen.
Die Sachschäden dort summieren sich laut Schätzungen der Bundesregierung auf mehr als 30 Milliarden Euro. Nur ein Teil dieser Schäden war durch Versicherungen abgedeckt. Der Gesamtverband der Versicherer (GdV) spricht von 8,5 Milliarden Euro. 2021 habe es das bislang höchste Schadensaufkommen für Naturgefahren in der Geschichte der deutschen Versicherungen gegeben.
Versicherungspflicht und Risikoabsicherung in Deutschland
Deutschland ist ein Land, in dem viele Risiken versichert sind. Manche Versicherungen sind verpflichtend, darunter die Kranken- und Pflegeversicherung und die Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge. Bestimmte Berufsgruppen müssen sich ebenfalls für den Fall versichern, dass sie einen Schaden anrichten. Wer einen Hund hält, muss eine Haftpflichtversicherung für das Tier abschließen.
Andere Risiken sind hingegen nicht zwingend abgesichert. Dazu gehören auch Schäden, die an Gebäuden entstehen können. Doch auch wenn ein Hausbesitzer eine Gebäudeversicherung abschließt, ist im Schadensfall nicht alles geregelt. Üblicherweise sind nur Schäden durch Sturm oder Hagel abgedeckt, nicht aber durch Hochwasser, Überschwemmungen oder Erdrutsche.
Hochwasserschäden und Versicherungslücken
Dafür muss man eine zusätzliche Versicherung abschließen. Die Prämie dafür kann aber sehr hoch sein - abhängig davon, wo das Gebäude steht Zudem schätzen Versicherungsunternehmen das Risiko einer Überschwemmung mancherorts als so hoch ein, dass sie gar keine Verträge mehr anbieten. Laut dem GdV sind in Deutschland die Hälfte aller Hausbesitzer nicht gegen Hochwasserschäden versichert.
Wer keine Versicherung hat, der geht im Schadensfall leer aus und steht vor den Trümmern seiner Existenz. Zwar springt der Staat nach schweren Hochwassern mit Soforthilfen ein, aber die können die Schäden nur teilweise abdecken. Zumal der Bund, die Länder und die Kommunen in erster Linie dafür sorgen müssen, dass die Infrastruktur, also Straßen, Brücken und Versorgungsleitungen, wieder aufgebaut wird.
Pflichtversicherung für Elementarschäden gefordert
Nach der Ahrtal-Katastrophe richtete der Bund ein Sondervermögen "Aufbauhilfe 2021" ein. Dafür wurden Kredite über 30 Milliarden Euro eingeplant. Das Geld bekommen die betroffenen Bundesländer mit der Auflage, ebenfalls Gelder bereitzustellen. Die öffentlichen Haushalte der Länder sind allerdings durchweg klamm und die Regierungschefs zunehmend unwillig, im Notfall einzuspringen.
Naturkatastrophen könnten jeden treffen, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) schon 2022. Es sei aber nicht richtig, in solchen Fällen immer wieder "riesige Sondertöpfe aus den öffentlichen Haushalten" zusammenzustellen. Stattdessen müsse es für alle Gebäude eine Pflichtversicherung für Elementarschäden geben. Damit werde verhindert, dass einige sich nicht versichern wollten und andere wegen eines zu hohen Risikos keinen Vertrag von den Anbietern erhielten.
Politische Debatte um die Pflichtversicherung für Gebäude
Doch das lehnt die FDP ab, die im Bund mit SPD und Grünen regiert. Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte Ende 2022: "In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht." Buschmann verwies auf die Bundesländer, die nach dem Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz haben, wenn der Bund keine Regelung trifft.
Genau das wollen die Bundesländer nun machen. Auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz solle eine verpflichtende Versicherung beschlossen werden, kündigte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder im Sender BR2 an. Freiwilligkeit sei zwar normalerweise immer besser, aber "wir können diese Schäden nicht immer jeweils staatlich einfach ersetzen".
Sorge vor hohen Versicherungsprämien
Die Versicherungswirtschaft ist davon gar nicht angetan. Ein Versicherungszwang könne nur dann funktionieren, wenn der Staat als eine Art Rückversicherer auftrete, also im Falle eines großen Schadensereignisses, das die finanziellen Ressourcen der Versicherungsunternehmen übersteigt, einspringen und die Kosten übernehmen würde, heißt es.
Die Linkspartei hingegen macht sich Gedanken über die Bezahlbarkeit der Versicherungsprämien. Es sei eine solidarische Versicherung mit bezahlbaren Beiträgen nötig, für die der Staat Zuschüsse zahlen müsse. Dafür müsse die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden.
Kanzler Scholz kündigt Hilfen an
Für die aktuell vom Hochwasser betroffenen Gebiete stellte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem Besuch in Bayern finanzielle Hilfen des Bundes in Aussicht. "Wir werden natürlich auch hinterher die geübte Praxis der Solidarität, die wir in Deutschland haben, weiter voranbringen."
Angesichts der Tatsache, dass er in diesem Jahr bereits zum vierten Mal in ein Hochwassergebiet gereist sei, müsse man sich aber klar darüber sein, dass es sich nicht nur um singuläre Ereignisse handle. Deshalb müsse die Politik handeln. "Wir werden also die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, nicht vernachlässigen dürfen."