Deutschland nimmt Abschied von der Steinkohle
21. Dezember 2018Es gehe ein "Stück deutscher Geschichte zu Ende", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Abschiedsfeier zur Schließung der letzten deutschen Steinkohle-Zeche "Prosper-Haniel" in Bottrop. Ohne diese Geschichte wäre das ganze Land und seine Entwicklung in den vergangenen zwei Jahrhunderten nicht denkbar. Steinmeier rief gleichzeitig dazu auf, nach vorne zu schauen.
Es gebe "überall gute Ansätze zu Neuem", sagte der Bundespräsident und betonte, dass dem Ruhrgebiet weiterhin eine wichtige Rolle in der Energiewirtschaft zukomme. Es gebe eine dichte Hochschullandschaft sowie zahlreiche Initiativen, um Gründer zu unterstützen. In einem neuen Verbund aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen sollten in Zukunft nachhaltige energiepolitische Optionen entwickelt werden. Steinmeier dankte auch den Gewerkschaften, die zusammen mit dem Staat wesentlich zu einem friedlichen und sozialverträglichen Auslaufen der Steinkohleförderung beigetragen hätten.
"Heute ist ein schwarzer Tag"
Der Vorsitzende der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sagte, der Steinkohlebergbau habe Deutschland "stark und reich" gemacht - und das nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell, charakterlich und gesellschaftlich. Das Ende dieser Branche treffe besonders die Menschen immer noch hart, die sich für eine sichere Energieversorgung Deutschlands "jahrzehntelang krumm gemacht haben". Die IG BCE habe dafür gesorgt, "dass niemand ins Bergfreie gefallen ist".
"Heute ist ein schwarzer Tag", sagte der Chef des Bergbaukonzerns RAG, Peter Schrimpf. Die Steinkohleförderung in Deutschland werde "endgültig und unwiderruflich" eingestellt. "Diesen Schlusspunkt zu setzen, fällt jedem Bergmann schwer." Es lasse sich kaum in Worte fassen, "was unsere Bergleute heute fühlen".
Der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin lobte den Ausstieg aus der Steinkohle als "Musterbeispiel" für eine sozialverträgliche Abwicklung klimaschädlicher Industrien. Ein solcher Ausstieg könne auch ohne betriebsbedingte Kündigungen gelingen, "wenn sich eine Gesellschaft darauf verständigt", sagte Trittin im Südwestrundfunk.
Die Abschiedsfeier in Bottrop ist der Schlusspunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung. Das langsame Sterben der Kohlezechen in den traditionellen Steinkohleländern Nordrhein-Westfalen und Saarland begann schon 1958. Damals stürzte der Trend zu billiger Importkohle und preisgünstigem Erdöl die Steinkohle in eine tiefe Krise. Vor 1958 förderten die Ruhr-Kumpel jährlich noch mehr als 123 Millionen Tonnen Steinkohle, 2014 waren es nur noch 5,7 Millionen. Mittlerweile ist die Fördermenge auf Null gesunken.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, zwischen 1989 und 2017 seien Subventionen in Höhe von 40,15 Milliarden Euro in den Steinkohleabbau geflossen. Um den Umbau abzufedern, seien 2018 bis 2022 rund 2,7 Milliarden Euro vorgesehen.
Arbeitsplätze stehen im Fokus
Einen Plan für den Kohleausstieg soll eine von der Regierung eingesetzte Kommission vorbereiten und Zukunftsperspektiven für die betroffenen Reviere schaffen. Gleichzeitig soll sie den Wegfall von Arbeitsplätzen in der Industrie abfedern. Die Kommission hatte ihre Arbeit kürzlich bis Februar verlängert. Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder mit Kohleregionen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen, hatten die Arbeit der Kommission zuvor kritisiert und einen stärkeren Fokus auf die Rettung von Arbeitsplätzen gefordert.
nob/as (afp, dpa)