Das Ende des Steinkohlenbergbaus
Nach mehr als 150 Jahren wird die industrielle Förderung von Steinkohle in Deutschland eingestellt. An diesem Freitag wurde auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop zum letzten Mal "schwarzes Gold" gefördert.
Die letzte Schicht
Das wird ein wehmütiges Weihnachtsfest für die Menschen in Bottrop und vor allem für die letzten Steinkohlekumpel und ihre Familien: Drei Tage vor Heiligabend wird der Steinkohlebergbau auf der Zeche Prosper-Haniel, der letzten Zeche Deutschlands, eingestellt. Im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die letzte Lore mit "schwarzem Gold" ans Tageslicht gebracht.
Der Tetraeder
Nicht weit entfernt von Prosper-Haniel steht der Tetraeder, wie ihn jeder im Ruhrgebiet nennt. Die "dreieckige Pyramide" steht auf einer Abraumhalde und bietet einen weiten Ausblick über das nordwestliche Ruhrgebiet. Abraum ist übrigens das mit der Kohle geförderte Material, das nicht gebraucht wird - taubes Gestein sagt der Bergmann dazu.
Schwarzes Gold
Die Kohle wurde zunächst ebenfalls "über Tage" gelagert - wie hier vor dem Föderturm von Prosper-Haniel. In der Regel wurde sie mit der Eisenbahn zum nächstgelegenen Hafen gebracht. Von Binnenkähnen auf Seeschiffe umgeladen, wurde ein großer Teil davon nach Übersee verschifft. Deutsche Steinkohle war, so lange sie nicht zu teuer war, wegen ihrer Qualität weltweit gefragt.
Stolz und Zusammenhalt
Die Arbeit im Pütt (der Kohlegrube) war nicht nur gut bezahlt, die Bergleute genossen auch hohes Ansehen. Ihre schmutzige, anstrengende und gefährliche Arbeit schweißte die Bergleute zusammen. Bis in die heutigen Tage nennen alle Kumpel, auch diese hier von der Bottroper Zeche Prosper-Haniel, den Zusammenhalt und die Kameradschaft als einen Grund für ihren Berufsstolz.
Arbeiten und Wohnen
Die Zechenbetreiber errichteten in unmittelbarer Nähe der Gruben Siedlungshäuser für die Bergleute. Im Garten hielten diese oft Hühner und Schweine, und für einen Brieftaubenschlag fand sich auch ein Plätzchen. Inzwischen sind die Siedlungshäuser sehr beliebt. Werden beide Haushälften zu einer Wohnung zusammengelegt, bieten sie viel Platz und ein Garten in der Stadt ist ja auch nicht zu verachten.
Integration vor der Kohle
In den Zechen arbeiteten nicht nur Deutsche: Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige dieser Bergleute (das Bild stammt aus den 1880er Jahren) aus Polen stammen. Es gab viel zu tun und Arbeiter waren gesucht. Die polnischen Bergleute und ihre Nachkommen gehören seit rund 150 Jahren zum Leben im Revier. Alltäglich gewordene Namen wie Kuzorra und Libuda, Niepieklo, Koslowski und Urban zeugen davon.
Und nach der Schicht: Ins Stadion!
Das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde über Tage vor allem beim Fußball gefördert. Hier wird der Schalker Willi Koslowski am Torschuss gehindert. Das Spiel fand in der Gelsenkirchener Glückaufkampfbahn statt. Die Stadien sind heute größer, die Spieler verdienen mehr - aber die Identifikation mit den Kickern ist ungebrochen. Fußball und Kohle gehören im Ruhrgebiet auch heute noch eng zusammen.
Kumpel aus Anatolien
Nach dem letzten Krieg waren zu den Kollegen aus Schlesien und Masuren viele sogenannte Gastarbeiter aus Südeuropa und aus der Türkei gekommen. Diese hier sind gerade angekommen und wissen noch nicht, was sie erwartet. Die meisten waren gekommen und sind geblieben. Das merkt man im Alltag: Vornamen wie Mehmet und Mustafa hört man im Ruhrpott an jeder Ecke.
Erste Zeichen
Die 1950er und 60er Jahre waren die Hochzeit des Ruhrbergbaus. Und doch konnte, wer wollte, schon die ersten Anzeichen für das bald einsetzende Zechensterben erkennen. Der Kohle, die zunächst nahe der Erdoberfläche gelegen hatte, musste man immer tiefer nachgraben - bis zu 1500 Meter tief. Das war teuer, sehr teuer. Zu teuer bald, deutsche Kohle war international immer weniger konkurrenzfähig.
Namen und Vereine verschwinden
Viele Jahre lang hatten die Kohlebarone den Fußball großzügig unterstützt. Mit dem Zechensterben hörte das auf. Vereine wie Hamborn 07, SV Sodingen, Sportfreunde Katernberg oder wie hier Schwarz-Weiß Essen und Westfalia Herne verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Wie auch traditionsreiche Zechennamen: Präsident und Unser Fritz, Ewald, Hugo und später auch Auguste Victoria und Prosper-Haniel.
Hi-Tech "vor Ort"
"Vor Ort" oder "bei der Nacht" (so nennt der Bergmann seinen Arbeitsplatz, an den nie ein Sonnenstrahl dringt) wurde es jetzt richtig laut: Zum Schmutz und der Hitze kam nun immer mehr Maschinenlärm. Die Zechenbesitzer versuchten, mit möglichst konsequenter Maschinisierung die Förderkosten gering zu halten. Letztlich vergebens, deutsche Steinkohle blieb im internationalen Vergleich zu teuer.
Die Verbundenheit mit den Bergleuten
Als es dem Bergbau gut ging und auch Fußballer mit der Kohle Kohle machten, war die Verbindung von Arbeit und Sport im Ruhrgebiet eng. Das ist bis heute so geblieben. Wenn wie hier 2015 im Schalker Stadion vor dem Spiel ein Bergmannschor singt, dann sind etliche der 60.000 Zuschauer nicht nur gerührt, sondern oft auch selbst vom Niedergang des Bergbaus betroffen.
Trauer auch in anderen Revieren
Kohle wurde nicht nur an der Ruhr gefördert. Und auch in anderen Kohlerevieren, wie vor der Mine Duhamel an der Saar 2008, demonstrierten Bergleute für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Dieser Bergmann trägt eine Fahne mit der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute. Auch nicht-religiöse Knappen beten oft zur Barbara, dass sie "bei der Nacht" ein Auge auf sie habe.
Umweltverschmutzung
Das Ruhrgebiet war jahrzehntelang berüchtigt für seine schlechte Luft. Besonders die Kokereien, im Bild die von Schweigern in Oberhausen, sorgten dafür, dass die frisch gewaschene Wäsche zwar trocken, aber noch auf der Leine wieder sehr dreckig wurde. Diese Folgen der Kohlewirtschaft vermisst im Revier niemand.
Offenes Abwasserrohr
Eine andere Folge des Bergbaus wird auch ganz bestimmt niemand vermissen: Wegen der vielen Stollen und Schächte konnte man in Teilen des Ruhrgebietes keine Kanalisation installieren. Also nahm man die eigentlich recht idyllische Emscher und machte aus dem kleinen Fluss ein gigantisches, viele Kilometer langes, offenes Abflussrohr, das Tag und Nacht ganz erbärmlich stank.
Bergschäden
Auch wenn der Kohlebergbau nun eingestellt wird - er wird im Leben der Menschen an Ruhr und Emscher weiter eine nicht zu übersehende Rolle spielen. Denn immer wieder tut sich die Erde auf und Häuser, Straßen oder Bahnlinien werden durch die berüchtigten Bergschäden schwer beschädigt. Sie entstehen, wenn Hohlräume unter der Erde einstürzen. Denn wo früher Kohle war, ist jetzt oft nur noch - Luft.
Aufgaben, die nie erledigt sein werden
In den letzten 150 Jahren ist das Ruhrgebiet um bis zu 25 (!) Meter abgesackt. Würde man die Gruben nun sich selbst überlassen, stiege das Grundwasser wieder an und verwandelte das Revier, in dem immerhin mehr als fünf Millionen Menschen leben, in einen riesigen See. Also muss das Wasser abgepumpt werden. Und zwar ständig. Deswegen spricht man an der Ruhr von "Ewigkeitslasten".
Was bleibt vom Steinkohlebergbau?
Wir werden sehen, wie lange Bergmannskapellen und -chöre überleben. Die Fördertürme jedenfalls sind meistenteils abgerissen, die Abraumhalden begrünt. Viele Industriedenkmäler, und davon gibt es an der Ruhr nun wahrlich genug, wurden zu Freizeitparks umgestaltet. Beispielhaft dafür ist die Zeche Zollverein in Essen, die inzwischen sogar zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt.