Deutschland lernt Lech Kaczynski kennen
8. März 2006Nach der Wahl von Lech Aleksander Kaczynski zum polnischen Präsidenten haben viele Experten schwarz gesehen für das deutsch-polnische Verhältnis. Schließlich waren die bilateralen Beziehungen durch Debatten über die Ostseepipeline oder ein Vertriebenenzentrum ohnehin schon lädiert. Und Kaczynski machte keinen Hehl daraus, dass er von den Deutschen nicht viel hält. Dem Gegenkandidaten Donald Tusk machte er dessen "Deutschlandfreundlichkeit" sogar zum Vorwurf.
Harmonischer Antrittsbesuch von Merkel in Polen
Der kalte Wind aus Polen ist allerdings vorerst ausgeblieben. Zwar lehnt Kaczynski ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin weiterhin kategorisch ab, und seine ersten Auslandsreisen gingen nach Rom und Washington. Doch Merkels Antrittsbesuch in Polen im November 2005, bei dem sie außer Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz auch den seinerzeit designierten Präsidenten Kaczynski traf, verlief recht versöhnlich. Generell versucht Kaczynski seit seiner Amtseinführung im Dezember 2005, im Ausland das Image eines Rechtspopulisten und Euro-Skeptikers zu mildern. Das passt schwer zu den populistischen Wahlversprechen, mit denen er reihenweise Wähler aus unteren sozialen Schichten köderte. Schließlich hat er den Polen in allen Farben ausgemalt, welche Bedrohungen von der mächtigen EU ausgehen. Dabei macht die Idee, dass die 1989 wieder gewonnene Souveränität eingeschränkt werden könnte, den Polen besonders Angst.
Auch darüber hinaus hat sich Kaczynski immer sehr patriotisch gegeben und im Wahlkampf eine ganze Palette reißerischer Themen aufgeboten: Ständig betonte er die Nähe zur Kirche und sicherte sich die Unterstützung des radikal-klerikalen Senders "Radio Maryja" mit einer Hörerschaft von mehreren Millionen Menschen. Er äußerte sich positiv über die Todesstrafe und forderte einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption und Verbrechen. Schließlich machte er regelmäßig mit Aktionen gegen so genannte "Sittenlose" auf sich aufmerksam, zum Beispiel, als er als Bürgermeister von Warschau eine Schwulen- und Lesben-Parade durch die Hauptstadt untersagte. Der Anblick könne die Jugend gefährden, begründete er den Schritt.
Immer mit dabei: Zwillingsbruder Jaroslaw
Stets treu zur Seite steht dem Präsidenten sein 45 Minuten älterer Bruder Jaroslaw. Seit jeher treten die eineiigen Zwillinge gemeinsam auf. Landesweit bekannt wurden sie, als sie mit zwölf Jahren im Kinderfilm "Von zweien, die den Mond stahlen" die Lausbuben "Jacek und Placek" spielten. Später studierten sie zusammen in Warschau Jura. Beide haben einen Doktortitel, der Präsident hat sogar habilitiert.
Seit den 1970er Jahren, schon während des Studiums, engagierten sich die Zwillinge in der Opposition. Als die Danziger Werftarbeiter 1980 für freie Gewerkschaften auf die Straße gingen, standen ihnen die Brüder mit juristischem Rat zur Seite und begründeten die unabhängige Gewerkschaft "Solidarität" mit. Als enger Mitarbeiter von Lech Walesa nahm Lech Kaczynski 1989 an den Gesprächen des Runden Tischs über die Zukunft Polens teil.
Karriere auch außerhalb der Politik
Mit der Zersplitterung der Solidaritäts-Partei in den 1990er-Jahren zogen sich die Kaczynskis etwas aus der Politik zurück. Lech hatte in dieser Zeit drei Jahre lang den Chefposten des Obersten Rechnungshofes inne und lehrte Jura an der Universität Gdansk und der Kardinal-Wyszynski-Universität in Warschau.
Auf Bitten des konservativen Premiers Jerzy Buzek kehrte Lech Kaczynski 2000 wieder ins aktive politische Leben zurück. Als Justizminister machte er den Kampf gegen Kriminalität und Korruption zum vordringlichen Ziel und verschärfte das Strafrecht, was ihn auf der Liste beliebter Politiker nach oben schnellen ließ. Von diesem Erfolg beflügelt, gründete er gemeinsam mit dem Bruder die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Prawo i Sprawiedliwosc, kurz PiS).
Mit der "Gerechtigkeits"-Partei schnell an die Spitze gekämpft
Bekam PiS bei den Sejm-Wahlen 2001 landesweit nur 9,5 Prozent der Stimmen, rückte die Partei bei den Kommunalwahlen 2002 bereits zur stärksten Kraft der politischen Rechten auf. Dabei wurde Lech Kaczynski mit überwältigender Zustimmung zum Oberbürgermeister von Warschau gewählt. Im September 2005 erhielt PiS schließlich knapp 27 Prozent der Stimmen und wurde stärkste Partei.
Eigentlich hatten alle erwartet, dass der Zwilling Jaroslaw als Parteivorsitzender die Regierungsbildung übernehmen würde. Er verzichtete jedoch auf den Posten des Ministerpräsidenten, um seinen Bruder voll bei der einen Monat später angesetzten Präsidentenwahl unterstützen zu können. Die Taktik ging bekanntlich auf: Entgegen aller Meinungsumfragen gewann Lech Kaczynski im zweiten Wahlgang klar mit 54,06 Prozent der Stimmen.
Auch Hund und Katze gehören zur Familie
Privat gibt sich der Präsident als großer Familienmensch. Seit 1978 ist Lech Kaczynski mit seiner Frau Maria verheiratet, die er im Studium in Danzig kennen lernte. Die beiden haben eine 25-jährige Tochter, die ebenfalls verheiratet ist und eine Tochter hat. Kaczynski betont gern, wie wichtig ihm seine Familie ist und dass seine Frau und er sehr tierfreundlich seien. Auf seiner Homepage sind unter der Rubrik "Familie" auch Katze Rudolf und Hund Tytus mit aufgeführt.