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Kommentar: Polen nach der Wahl

Hubert Wohlan 24. Oktober 2005

Das konservative Lager in Polen hat nach den Parlamentswahlen auch die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Neuer Präsident Polens wird Lech Kaczynski von der Partei Recht und Gerechtigkeit. Hubert Wohlan kommentiert.

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Die polnischen Wähler haben binnen eines Monats drei Mal gewählt. Ende September haben sie das neue Parlament bestellt, im Oktober - in zwei Etappen - das neue Staatsoberhaupt. In allen drei Fällen, bei einer sehr bescheidenen Wahlbeteiligung, haben sie den National-konservativen beziehungsweise den National-liberalen den Vorzug gegeben. So ist halt die gegenwärtige Stimmung im Lande.

Polens Linke ist geschwächt

Die linken Gruppierungen, durch zahlreiche Korruptionsaffären geschwächt, wurden abgestraft und müssen sich wohl für längere Zeit mit einer Statistenrolle auf der politischen Bühne begnügen. Auch der nun gewählte Staatspräsident, Lech Kaczynski, gehört der national-konservativen Front an. Er ist sogar einer seiner wichtigsten Protagonisten. Nur mit dem Etikett "Nationalist" wäre er wohl nicht einverstanden. Er bevorzuge die Bezeichnung "Patriot", da sie frei von jenen negativen Assoziationen sei, die einen "Nationalisten" als rückständigen Hinterwäldler erscheinen lassen. So einer ist Kaczynski mit Gewissheit nicht.

Die politische Heimat Kaczynskis

Der Juraprofessor war bereits Justizminister und danach Chef des polnischen Rechnungshofes. Seine politische Heimat ist die Partei "Recht und Gerechtigkeit", die er mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw vor fünf Jahren gegründet hat. Ihre Wurzeln hat sie in der Bewegung Solidarnosc, ihre programmatische Ausrichtung formulierte die Partei im Kampf mit postkommunistischen Strukturen während der letzten Jahre.

Der polnische Staatspräsident

Was ist von dem neuen polnischen Staatsoberhaupt zu erwarten? Der polnische Staatspräsident hat immerhin eine Menge Vollmachten: Er kann Gesetze verhindern und neue initiieren und er kann bei der Bildung einer neuen Regierung kräftig mitmischen. Die Präsidentschaftswahl ist dafür das beste Beispiel: Bis heute warten die Polen auf eine neue Regierung, die nach den Parlamentswahlen im September hätte gebildet werden müssen. Dies war aber nicht möglich, weil sich die Wahlgewinner gegenseitig blockiert haben und den Ausgang der Präsidentschaftswahl abwarten wollten.

Abrechnung mit postkommunistischer Kaste

Nun ist aber der Stillstand zu Ende und die politische Linie der Zukunft etwas klarer. Es wird also zu einer Abrechnung mit der alten postkommunistischen Kaste kommen. Ein Amt für den Kampf gegen Korruption wird geschaffen und das Straffgesetzbuch verschärft. Der neue Präsident würde gerne die Todesstraffe wiedereinführen, aber er weiß, dass dies mit den Regeln der Europäischen Union nicht kompatibel wäre. Sein Verhältnis zur EU ist dabei rätselhaft: Vor zwei Jahren gründete Kaczynski eine Ablehnungsfront gegen die EU. Er sah in der von Deutschland und Frankreich dominierten Union eine Gefahr für die polnische Unabhängigkeit. Mittlerweile akzeptiert er die EU als ein supranationales Gebilde, aber der anfängliche Argwohn gegenüber Brüssel ist nicht gänzlich verflogen.

"Polen zuerst"

Die wichtigste Losung von Lech Kaczynski lautet: "Polen zuerst". Der neue polnische Präsident ist ein entschiedener Gegner der Europäischen Verfassung. Sein Deutschlandbild ist relativ eindimensional. Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, und deren umstrittenes Projekt eines Zentrums gegen die Vertreibungen in Berlin, verstellen dem neuen polnischen Staatspräsidenten den Blick auf Deutschland.

Er unterhält keine politischen Kontakte nach Deutschland. Die gelegentlichen Behauptungen, sein politisches Vorbild einer konservativen Partei sei die deutsche CDU, sollte unter keinen Umständen als Zuneigung interpretiert werden. Ein konservativer Patriot, der argwöhnisch die EU beobachtet und den Deutschen nicht traut; ein außenpolitisch unbeschriebenes Blatt. Dies verspricht spannende Zeiten - nicht nur im deutsch-polnischen Verhältnis.