Deutschland gewährt Hongkong-Aktivistin Asyl
25. Oktober 2020Erstmals seit Inkrafttreten des sogenannten Sicherheitsgesetzes für Hongkong haben die deutschen Behörden einem Flüchtling aus der chinesischen Sonderverwaltungszone politisches Asyl gewährt. Das geht aus der Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für September hervor, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Nach den Zahlen der Behörde wurden in diesem Jahr bis September insgesamt drei Entscheidungen zu Asylanträgen von Bürgern der ehemaligen britischen Kolonie Hongkong gefällt. Zwei fielen negativ aus, eine wurde im vergangenen Monat positiv entschieden. Für ganz China einschließlich Hongkong gewährten die deutschen Behörden zwischen Januar und September in insgesamt 61 von 416 Fällen Asyl.
Deutscher Generalkonsul zum Gespräch geladen
Bereits am vergangenen Mittwoch bestellte Hongkongs Vize-Regierungschef Matthew Cheung den deutschen Generalkonsul Dieter Lamlé zu einem Gespräch ein, wie das Auswärtige Amt bestätigte. Träfen die Berichte über den erteilten Flüchtlingsstatus zu, würde dies "entschieden abgelehnt", hieß es in einer Mitteilung der Hongkonger Regierung nach dem Treffen. Cheung habe deutlich gemacht, dass sich ausländische Regierungen nicht in die inneren Angelegenheiten Hongkongs und Chinas einzumischen hätten. Mit dem Verhalten werde eine falsche Botschaft an "Kriminelle" gesendet, dass sie sich strafrechtlicher Verfolgung entziehen könnten, hieß es weiter.
Am Montag hatte die Hongkonger Aktivistengruppe Haven Assistance auf Facebook mitgeteilt, dass eine 22 Jahre alte Anhängerin der Protestbewegung in Deutschland politisches Asyl erhalten habe. Die Studentin hat nach eigenen Angaben bereits Ende vergangenen Jahres einen entsprechenden Antrag gestellt. Sie sei nach einer Demonstration in Hongkong festgenommen und später auf Kaution freigelassen worden. Daraufhin habe sie sich über Taiwan nach Deutschland abgesetzt.
Der Asylbescheid, der der dpa vorliegt, stammt vom 4. September und wurde ihr am 14. Oktober ausgehändigt. Sie könne sich vorstellen, dass das neue Sicherheitsgesetz für Hongkong bei der Entscheidung über ihren Asylantrag "einer der Faktoren" gewesen sei, erklärte sie.
Schon 2018 hatten zwei führende Hongkonger Aktivisten in Deutschland politisches Asyl erhalten. Die chinesische Führung reagierte auch damals verärgert.
Nach monatelangen Massenprotesten gegen die Regierung in Hongkong hatte China Ende Juni das hoch umstrittene Sicherheitsgesetz verabschiedet. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Pekings Führung als "subversiv, separatistisch oder terroristisch" einstuft.
Seit dem 1. Juli 1997 gehört Hongkong wieder zu China, wird aber nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" regiert. Die Vereinbarung von damals sieht eigentlich vor, dass Hongkonger für 50 Jahre bis 2047 ein hohes Maß an Autonomie und viele Freiheiten genießen. Das Sicherheitsgesetz ist der bisher weitestgehende Eingriff in diese Autonomie und gibt Chinas Staatssicherheit weitreichende Vollmachten.
Deutsche Sanktionen wegen Sicherheitsgesetz
Die Bundesregierung hatte auf das Sicherheitsgesetz bereits mit Sanktionen reagiert. So wurde ein Auslieferungsabkommen für Straftäter mit Hongkong ausgesetzt. Zudem verhängten die Behörden einen Exportstopp für Güter, die von der Polizei oder anderen Regierungsbehörden zur Unterdrückung oder Überwachung der Bevölkerung eingesetzt werden könnten.
se/fab (dpa, afp)