Klimaschutz: Deutschland fällt weit zurück
10. Dezember 2018Deutschland ist nur noch Mittelmaß im Klimaschutz, sagen die Autoren der Weltrangliste Klimaschutz, die am Montag auf der UN-Klimakonferenz in Kattowitz vorgestellt wurde.
"Unser Klimaschutz-Index zeigt: Es mangelt nicht an Bekenntnissen zum Pariser Klimaabkommen, sondern es mangelt bisher an politischem Willen für konkrete Schritte zur Umsetzung. Dafür gibt es keine Ausreden mehr, denn alle Lösungen liegen auf dem Tisch und sind auch bezahlbar", sagt Jan Burck von der Umweltorganisation Germanwatch und einer der Autoren des Reports. Zusammen mit dem Forschungsinstitut NewClimate und Experten aus den jeweiligen Ländern wurden 56 Staaten und die EU untersucht.
Um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die Treibhausgase weltweit sehr schnell sinken. Die Zeit dafür ist sehr knapp, warnen der Weltklimarat und das UN-Umweltprogramm. Im letzten Jahr stieg der globale Ausstoß von CO2 gegenüber dem Vorjahr sogar wieder um 1,6 Prozent an.
Mehr dazu: Kommentar: Deutschland braucht eine neue Klimapolitik
Klimaschutz braucht Tempo auf allen Ebenen
Die ersten drei Plätze ließen die Autoren des Reports erneut frei, da kein Land bislang genug unternehme, um den Temperaturanstieg global deutlich unter zwei Grad zu halten. Am nächsten kommen diesem Anspruch Schweden (Platz 4) und Marokko (5).
Schweden profitiert vom guten Abschneiden bei den Erneuerbaren Energien und beim CO2-Emissionsniveau. Marokko punktet insbesondere mit dem rapiden Ausbau der Erneuerbaren und liegt derzeit auf Kurs, in zwei Jahren 42 Prozent seines Strombedarfs über erneuerbare Energien zu decken.
In der Kategorie "gut" liegen auch noch Indien (Platz 11) und die EU gesamt (16). Indien überzeugt mit einem dynamischen Ausbau der Erneuerbaren, relativ geringen Pro-Kopf-Emissionen und recht guten Klimazielen - negativ sind Planungen für neue Kohlekraftwerke.
Die EU bekommt zwar nur mäßige Werte bei Emissionen und Energieeffizienz, aber gute Noten für die Klimapolitik. Hier fallen vor allem die Maßnahmen zum Erreichen des 2030-Klimaziels ins Gewicht sowie die Vorstöße der Kommission, das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050auf die Agenda zu setzen.
Mehr dazu: Preis für CO2 und Wetterextreme: Was kostet die Welt?
"Angesichts der klimapolitischen Rückwärtsbewegung der USA muss die EU in eine Führungsrolle hineinwachsen. Die Grundlage ist von der EU-Kommission gelegt worden, nun dürfen sich die Mitgliedsländer - allen voran Deutschland - nicht querstellen", sagt Stephan Singer vom Climate Action Network (CAN) bei der Vorstellung des Berichts in Kattowitz.
China (33) schafft es erstmals in die Kategorie "mäßig" - vor allem, weil China zwischen 2014 und 2016 die Emissionssteigerung vorübergehend stoppen konnte. Seither steigen die Emissionen jedoch wieder, so dass ein erneutes Abrutschen droht.
Im Keller des Index befinden sich viele G20-Staaten wie Japan (49), Russland (52), Kanada (54), Australien (55) und auf den letzten beiden Plätzen die USA (59) und Saudi-Arabien (60).
Deutschland beim Klimaschutz nur noch im Mittelfeld
Die von den Experten vergebenen Noten für die Klimapolitik waren in diesem Jahr schlechter als in den Vorjahren. Ungebrochen ist jedoch die Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Insbesondere Länder mit bisher geringer Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen holen nun auf.
"Erneuerbare sind im Vergleich zu neuen fossilen Kraftwerken in vielen Regionen der Welt wirtschaftlicher, zudem hat auch das Pariser Abkommen den Schub für regenerative Energiequellen verstärkt. Die Kosten sind seitdem um grob ein Drittel weiter gesunken. Allerdings müsste der Ausbau noch deutlich beschleunigt werden, um die Pariser Klimaziele zu erreichen", erklärt Mitautor Niklas Höhne vom NewClimate Institute.
Für Klima- und Energieexperte Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group, zeigt das Ranking "das schonungslose Versagen der Weltgemeinschaft für einen wirklich wirksamen Klimaschutz."
Fell war Energieexperte für die Grünen im Bundestag und legte mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz den Grundstein für den Boom der erneuerbaren Energien in Deutschland.
Dass Deutschland es im Ranking heute überhaupt noch ins Mittelfeld geschafft hat, liege an der Vergangenheit, so Fell. "Deutschland profitiert noch vom starken Ausbau des letzten Jahrzehnts, bewegt sich aber aktuell hin zu den Schlusslichtern beim Ausbau der der Erneuerbare Energien, da neben dem Einbruch bei der Photovoltaik und anderen Erneuerbaren Energien nun auch politisch verordnet die Windkraftinvestitionen massiv einbrechen", so Fell gegenüber der DW.
Großen Handlungsbedarf für den Klimaschutz in der deutschen Politik sieht auch Burck. Die Bundesregierung stehe auch bei der Verkehrswende auf der Bremse und sei auch bei der drängenden Frage zum Kohleausstieg "mit leeren Händen" nach Kattowitz gefahren.
Deutschland müsse nun systematisch die Herausforderungen lösen - dafür brauche es verschiedene Instrumente – wie etwa einen Preis auf CO2 in allen Sektoren. Ohne dieses Instrument würden Deutschlands "kosteneffiziente Transformation nicht rechtzeitig gelingen."