Guterres: "Klimaschutz ist eine Frage von Leben und Tod"
3. Dezember 2018Zum offiziellen Auftakt der Weltklimakonferenz hat UN-Generalsekretär António Guterres die knapp 200 Teilnehmerstaaten zu einem entschlossenen Kampf gegen die Erderwärmung aufgefordert. Weltweit sei der Klimawandel für viele Menschen, Regionen und auch ganze Staaten bereits eine "Frage von Leben und Tod", sagte er im polnischen Kattowitz.
Beim 24. UN-Klimagipfel verhandeln Vertreter aus knapp 200 Staaten zwei Wochen lang darüber, wie die als historisch eingestuften Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz von 2015 durch klare Regeln zur Umsetzung und Überprüfung ergänzt werden können. In Paris war beschlossen worden, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf unter 2 Grad Celsius, möglichst sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen.
"Kosten werden durch die Decke schießen"
"Wenn wir versagen, werden die Arktis und Antarktis weiter schmelzen, die Korallen sterben, die Meeresspiegel steigen", warnte Guterres in seinem dramatischen Appell. "Mehr Menschen werden an Luftverschmutzung und Wasserknappheit sterben, und die Kosten dieses Desasters werden durch die Decke schießen." Die Dringlichkeit der Situation könne kaum überschätzt werden. Es gehe darum, ein "globales Klima-Chaos" abzuwenden, so der UN-Generalsekretär. "Wir brauchen mehr Taten und mehr Ehrgeiz."
Die bisher weltweit zugesagten Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase reichen dazu aber bei Weitem nicht aus. Im Fokus steht vor allem die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas, bei der große Mengen an Kohlendioxid freigesetzt werden. Guterres erinnerte daran, dass die Zeit für endlose Verhandlungen fehle.
Weltbank verdoppelt Klimainvestitionen
Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre sei so hoch wie seit drei Millionen Jahren nicht, sagte der UN-Generalsekretär. "Trotzdem steigen die Emissionen weiter an." Nach neuesten Berechnungen müsse der Ausstoß von Kohlendioxid aber bis 2030 um 45 Prozent sinken - im Vergleich zu 2010 - und schon 2050 netto null erreichen. Nur dann könne das Klimaziel von Paris noch erreicht werden. Guterres mahnte, der Treibhauseffekt sei längst im Gange. Nach Berechnungen der Weltwetterorganisation seien die 20 wärmsten je gemessenen Jahre in den vergangenen 22 Jahren gewesen.
Die Weltbank kündigte in Kattowitz an, ihre Investitionen für den Klimaschutz zu verdoppeln. Die Entwicklungsländer sollen demnach in den Jahren 2021 bis 2025 statt 100 Milliarden rund 200 Milliarden Dollar erhalten für den Kampf gegen den Klimawandel. Zugleich appellierte die Weltbank an die internationale Gemeinschaft, ebenfalls mehr zu investieren.
Latif: "Deutschland ist mutlos"
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bekräftigte die Zusage, Deutschland werde seinen Beitrag zum Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen ab 2019 auf 1,5 Milliarden Euro verdoppeln. In den Fonds zahlen wohlhabendere Länder ein und finanzieren damit Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dies solle "Signal und Anstoß" sein für andere Staaten, sagte Müller.
Allerdings steht Deuschland wegen seiner Klimapolitik auch in der Kritik. Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif warf der Bundesrepublik Mutlosigkeit vor. Als Beispiele nannte er im Südwestrundfunk den vertagten Kohleausstieg und die Pläne, den Hambacher Forst für den Braunkohletagebau abzuholzen. Das sende ein falsches Signal etwa an das gastgebende Kohleland Polen oder an Brasilien mit seinen gigantischen Regenwäldern. Diese Staaten könnten sich auf den einstigen Klimavorreiter Deutschland berufen.
Deutschland wird das nationale Klimaziel für 2020 voraussichtlich verfehlen. Bis dahin sollte eigentlich der Treibhausgas-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden. Allerdings stockt derzeit der notwendige Ausbau der Stromnetze. Dadurch wird die Energiewende, also der Umstieg auf erneuerbare Energien vor allem aus Sonne und Wind, verzögert.
Trump: "Ohne uns"
Die USA als einer der größten Verursacher von Treibhausgasen weltweit haben sich ganz aus dem Pariser Abkommen zurückgezogen. Beim G20-Gipfel in Buenos Aires in der vergangenen Woche stand US-Präsident Donald Trump damit jedoch allein: Alle anderen Teilnehmer hatten am Samstag in Argentinien betont, das Klimaabkommen sei unumkehrbar. Auch in Brasilien deutet sich indes eine Abkehr von den Klimazielen an: Der neue Präsident Jair Bolsonaro, der im Januar sein Amt antritt, stellte sich in ersten Aussagen bereits gegen die Vereinbarung von Paris.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze erwartet trotz des Gegenwindes aus den Vereinigten Staaten und Brasilien konkrete Fortschritte bei der COP24 in Kattowitz. "Die Großen, die sich kurz wegducken, werden wiederkommen", sagte Schulze der "Süddeutschen Zeitung". "Die Vernunft wird sich nicht dauerhaft aufhalten lassen."
jj/stu (dpa, afp, epd, kna)