Deutschland, die USA und der unfreie Handel
15. März 2018Eine Woche ist vergangen, seit US-Präsident Donald Trump mit seiner Unterschrift Strafzölle von 25 Prozent auf Stahl-Importe und zehn Prozent auf Aluminium-Importe besiegelt hat. Binnen 15 Tagen sollen die Zölle in Kraft treten, das wäre Ende kommender Woche. Einige Länder sind von den Strafzöllen ausgenommen, die EU nicht. Darüber hinaus droht Trump mit Zöllen gegen deutsche Autohersteller wie BMW und Daimler.
Nach Angaben der EU-Kommission wurden 2017 aus Europa Stahl und Aluminiumprodukte im Wert von 14 Milliarden Euro in die USA verkauft. Das waren 14 Prozent der gesamten US-Importe dieser Produkte. Die angekündigten Strafzölle würden aber nicht alle gehandelten Produktgruppen betreffen. Gemessen an 2017 würden sie auf Stahlprodukte im Wert von 5,3 Milliarden Euro und Aluminiumprodukte im Wert von 1,1 Milliarden Euro erhoben. Deutschland ist der europäische Hauptexporteur, es folgen die Niederlande, Italien, Spanien, Großbritannien und Schweden.
In Berlin hofft man noch
Kein Wunder, dass in Deutschland die Alarmglocken läuten. "Hätten wir mal TTIP gemacht, dann könnte Trump diese Entscheidung jetzt nicht treffen", erinnert der FDP-Vorsitzende Christian Lindner an das gescheiterte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. "Als Ultima Ratio sind punktuelle Gegenmaßnahmen, wie sie derzeit von der EU geprüft werden, denkbar. Ich halte das, was derzeit auf dem Tisch liegt, für maßvoll, aber das ersetzt nicht den steten Versuch, bei Herrn Trump noch zu einem Einsehen zu kommen."
So sieht es auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir werden das versuchen. Ich kann das nicht vorhersagen, ob das gelingt oder nicht", so Merkel am Mittwochabend in der ARD. "Wir haben immer wieder gesagt: Wir wollen faire Handelsbeziehungen auf der Grundlage der WTO-Abmachungen."
Donald Trump ist an der Welthandelsorganisation und ihren Regeln indes wenig interessiert. Der Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr, warnt daher vor Illusionen. "Donald Trump wird nachgesagt, er sei nicht der Meinung, dass Handel etwas ist, bei dem jeder gleichsam gewinnen kann. Er denkt, dies sei ein Nullsummen-Spiel und dieses Spiel könne Amerika helfen, seine Interessen und Ziele zu erreichen", sagte Felbermayr gegenüber der DW.
Alle würden verlieren
Der Ökonom befürchtet, dass Trump fest entschlossen ist, seine Ankündigungen durchzusetzen. Allerdings sei der transatlantische Handel komplizierter, als Trump es darstelle. "Wenn die Amerikaner Autos produzieren, beispielsweise BMW in Spartanburg, dann benötigen sie dafür eine große Menge an Komponenten, die aus Europa kommen und wenn Trump diese Teile mit Strafzöllen bedroht, bedroht oder zerstört dies gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Fahrzeughersteller", warnt Felbermayr.
Am Ende wären alle Beteiligten ärmer, so der Wissenschaftler. "Die Materie ist so kompliziert und das Ausmaß des Warenhandels über den Atlantik so groß, dass es die Geschäfte aller Beteiligten beeinträchtigen würde, wenn Sand in dieses Getriebe geschüttet würde." Eine Meinung, die im politischen Berlin, aber auch in der EU-Kommission in Brüssel durchaus geteilt wird. Es müsse alles dafür getan werden, die drohenden Zölle abzuwenden und einen Handelskrieg zu vermeiden, heißt es.
Trump will einen Deal machen
Eine Chance dafür gibt es, denn hinter den Kulissen geben sich die USA durchaus gesprächsbereit. Wenn man das so nennen kann. Die USA stellen Bedingungen und das unter dem Druck der geschaffenen Drohkulisse. Aus Kreisen der EU-Kommission ist zu hören, es gebe fünf Kriterien, die der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer kürzlich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström genannt habe und anhand derer über Ausnahmen von Zöllen entschieden werde.
Welche Kriterien das genau sind, ist unklar. Unter anderem soll die EU aber dazu gebracht werden, mit den USA zusammen gegen Überkapazitäten auf dem Weltmarkt vorzugehen. Es gehe darum, "das chinesische Problem" anzugehen. China verkauft weltweit Stahl zu Dumping-Preisen, also unter Wert und umgeht gesetzte Handelsschranken, indem es seine Produkte über Drittländer in den Markt drückt. Auf direktem Weg verkauften die Chinesen 2017 nur noch 468.000 Tonnen Stahlprodukte in die USA. Das waren gut 80 Prozent weniger als noch 2014.
China hält sich nicht an Regeln
Das Vorgehen der Chinesen wird auch in Brüssel inzwischen als ernstzunehmendes Problem gesehen. "Die Chinesen wollen ihren Stahl verkaufen, egal wo", drückt es ein Insider aus. Die Meinungen zu China hätten sich geändert. "Alle sehen inzwischen, dass wir uns schützen müssen und dass sich die Chinesen nicht an die Regeln halten."
Sollte es zwischen den USA und der EU keine Einigung in letzter Sekunde geben, dann hat die Europäische Kommission nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO 90 Tage Zeit, um unter dem Stichwort "Re-Balancing" Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Importe aus den USA könnten so weit verteuert werden, dass der finanzielle Schaden, der der europäischen Industrie entstehen würde, ausgeglichen wird.
Whiskey, Motorräder und Jeans
Bei der EU-Kommission legt man Wert auf die Feststellung, dass die Ausgleichsmaßnahmen keine Strafe sein sollen, sondern einen politischen Hintergrund haben. Mit Whiskey, Motorrädern der Marke Harley-Davidson und Jeans wurden Produkte gewählt, die in republikanisch regierten US-Bundesstaaten hergestellt werden. Deren Gouverneure sollen Einfluss auf den Präsidenten nehmen und ihn "auf den richtigen Weg" zurückführen.
Doch hat Trump nicht auch Recht, wenn er auf Ungleichgewichte im Handel zwischen den USA und der EU hinweist? Punktuell ja, sagt ifo-Ökonom Felbermayr. "Die EU ist keineswegs das Paradies für Freihändler, für das sie sich gern hält." So wurden Exporte der USA in die EU im Jahr 2015 mit 5,7 Milliarden US-Dollar Zoll belastet, während die viel größeren Exporte der EU in die USA zu Zollzahlungen von rund 7,1 Milliarden Dollar im Jahr führten. Es gebe also durchaus Anlass zu Verhandlungen, so Felbermayr.
Geht es auch ohne die USA?
Jenseits des Handelsstreits mit den Amerikanern setzt die EU darauf, den Freihandel mit anderen Ländern weiter auszubauen. Gerade im asiatisch-pazifischen Raum würden sich durch den Rückzug der USA Lücken ergeben, heißt es aus der EU-Kommission. "Wo Trump aussteigt, steigt die EU ein." So wird es auch in Berlin gesehen. "Der bilaterale Handel zwischen den USA und der EU ist wichtig, aber der alleine trägt nicht den Welthandel und er prägt auch nicht alleine unsere Exportinteressen", so der FDP-Vorsitzende Lindner.
Deutschland mit seinem exportabhängigen Wirtschaftsmodell müsse sich daher an die Spitze derer stellen, die mehr Freihandel erreichen wollten, sei es durch bilaterale oder auch multilaterale Vereinbarungen. "Das wäre das deutlichste Signal an Herrn Trump, dass wir uns von ihm nicht einschüchtern lassen, sondern Alternativen suchen."
So sieht es auch die Bundeskanzlerin. Es gebe weltweit "viele andere" Handelspartner. "Wir werden an den Handelsabkommen weiter arbeiten und auch mit den anderen Partnern darüber reden, dass aus unserer europäischer Sicht, meiner Sicht, aus deutscher Sicht, Protektionismus nicht die richtige Antwort ist."