Nahost: Deutschland als Vermittler?
22. Oktober 2023Jordanien, Israel, Libanon, Ägypten: Stationen intensiver Krisendiplomatie. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock führte innerhalb von drei Tagen in vier Ländern Gespräche. Ziel: eine Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten zu verhindern. Ein weiteres Ziel: die humanitäre Krise im Gazastreifen so weit wie möglich zu lindern.
In ihrer Rede auf dem "Gipfel für Frieden" in Kairo umriss Baerbock das Leid und die Sorgen, mit denen der Krieg die Menschen vor Ort und über alle Grenzen hinweg konfrontiert. "Überall in der Region sehen wir schreckliches menschliches Leid und Angst", resümierte die Außenministerin.
Zugleich benannte sie den Grund, der zu all diesem Leid geführt hat. Dieser habe einen Namen, so Baerbock: "Es war die Hamas, die am 7. Oktober furchtbaren Terror über Israel brachte und abscheuliche Verbrechen verübte."
Kurzfristig gehe es darum, die Not dort zu lindern, wo sie am größten sei, so die Außenministerin: im Gazastreifen. Deswegen habe Deutschland seine humanitäre Hilfe für den Gazastreifen um 50 Millionen Euro aufgestockt. Am Donnerstag hatte sie in Amman mit dem Direktor des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, gesprochen. Der hatte ihr die "extrem verzweifelte Lage" im Gazastreifen geschildert. Es gebe mehr als eine Million Binnenvertriebene. Laut UNRWA unter Berufung auf Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde.sind Stand Sonntag fast 4.400 Menschen getötet worden. .
Eingeschränkte Vermittlungsmöglichkeiten
Kann Deutschland unter diesen Umständen vermitteln? Ja, aber nach Lage der Dinge nur eingeschränkt, sagt Peter Lintl, Israel-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik: Deutsche Vermittlung werde mit Blick auf die Geiseln akzeptiert. "Hier kann Deutschland unterstützend agieren."
Weitere Unterstützung dürfte Deutschland hingegen kaum leisten können, und das aus einem naheliegenden Grund: "Deutschland spricht ja nicht mit der Hamas."
Allerdings könnte Deutschland bei der Organisation humanitärer Hilfe vermitteln. "Das wird von Israel auch deshalb akzeptiert, weil diese Hilfe ja auch seitens der US-Regierung eingefordert wird."
Darum dürfte der deutsche Beitrag zur Linderung der Krise auf diesen beiden Aspekten liegen, so Lintl: Geiseln und humanitäre Hilfe."
Grundsätzlich blickten Teile der arabischen Welt skeptisch auf die von Deutschland propagierte wertegebundene Außenpolitik, wie sie sich etwa im Umfeld der Fußballweltmeisterschaft in Katar gezeigt habe, so Lintl. "Denn in den Hauptstädten der arabischen Welt sieht man diese Politik mit einer gewissen Reserve. Hinzu kommt der Umstand, dass man in westlichen Hauptstädten - und eben auch in Berlin - die Verurteilung der Hamas wie auch das Recht Israels zur Selbstverteidigung als Voraussetzung aller Verhandlungen sieht."
Das hatte Baerbock auch bereits selbst erfahren: Ihre Aussage, Israel sei ein Opfer des Terrors der Hamas und habe das Recht, sich zu verteidigen, wurde in Amman Medienberichten zufolge verhalten aufgenommen.
Es bestehe generell eine gewisse Skepsis, so Lintl zur DW - "aber zugleich auch pragmatische Bereitschaft zur Zusammenarbeit da, wo es eben möglich ist."
Arabische Welt: große Solidarität mit den Palästinensern
Die Gespräche, die Baerbock in den arabischen Hauptstädten führte, fanden vor dem Hintergrund zahlreicher lokaler Solidaritätsbekundungen mit den Menschen im Gazastreifens statt. So gingen am Freitag in Ägypten zehntausende Menschen auf die Straße, um so ihre Unterstützung für die Palästinenser im Gazastreifen zu demonstrieren. Auch in Amman bekundeten Tausende ihre Verbundenheit zu den Palästinensern. Die Demonstrationen sind ein Indiz für die Distanz, mit der weite Teile der Bevölkerung auf Israel schauen.
Zudem herrscht in weiten Teilen der arabischen Welt die Auffassung, die westlichen Staaten stünden ohnehin bedingungslos an der Seite Israels. Die Formel, Israel habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, werde von ihnen ohne jede Kritik wiederholt, hieß es in kritischer Absicht vor wenigen Tagen in der palästinensischen Zeitung "Al ayyam". Explizit bezog sich die Zeitung auch auf Deutschland. Zugleich flammt auch im Westjordanland Gewalt auf.
Derartige Empfindungen haben Einfluss auf die Entscheidungen der Regierungen in Kairo, Amman und anderswo. "In vielen Orten stehen diejenigen Politiker, die eng mit den westlichen Staaten zusammenarbeiten, jetzt extrem unter Druck", sagte Simon Wolfgang Fuchs, Professor für Islam- und Nahoststudien an der Hebrew University in Jerusalem, vor wenigen Tagen, im DW-Interview.
"Israel will keine Vermittlungsversuche"
Hinzu komme ein weiteres, so Lintl: "Israel selbst will ja gar keine Vermittlungsversuche. Ein entsprechendes Angebot würde man sich derzeit wohl verbitten." Das Ziel Israels sei es, die Herrschaft der Hamas zu beenden. "Eine Vermittlung würde diesem Ziel ja widersprechen." Eine Vermittlung sei erwünscht, wenn es um die Befreiung der Geiseln gehe. "Darüber hinaus ist Vermittlung allerdings nicht erwünscht."
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