Corona bremst deutsche Wirtschaft kräftig
25. Mai 2021Der zweite Corona-Lockdown hat die deutsche Wirtschaft zu Jahresbeginn ausgebremst. Der Konjunktureinbruch fiel dabei etwas stärker aus als bislang angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im ersten Quartal 2021 um 1,8 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. In einer ersten Schätzung wurde noch mit einem Rückgang um 1,7 Prozent gerechnet.
Deutschland ist damit vergleichsweise schlecht ins Jahr gestartet: Die Euro-Zone schrumpfte nur um 0,6 Prozent, während die weltgrößte Volkswirtschaft USA auch wegen rascher Impffortschritte um 1,6 Prozent wuchs.
Konsum ausgebremst
Vor allem der private Konsum, der normalerweise eine verlässliche Stütze der heimischen Konjunktur ist, lahmte. Die erneuten und teilweise verschärften Beschränkungen im Kampf gegen die Pandemie bremsten unter anderem Einzelhandel, Hotels und Restaurants aus: Der private Konsum brach um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal ein.
Dämpfend wirkte dabei auch das Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung zum Jahreswechsel. Verbraucher hatten wegen der niedrigeren Steuersätze Anschaffungen auf das zweite Halbjahr 2020 vorgezogen. Diese Käufe fehlten nun in der Konsumstatistik der ersten drei Monate des laufenden Jahres.
Der Außenhandel profitierte dagegen von der weltweit anziehenden Nachfrage. Allerdings stiegen die Importe von Waren und Dienstleistungen (plus 3,8 Prozent) deutlich stärker als die Exporte (plus 1,8 Prozent). Trotzdem fuhren die Unternehmen ihre Investitionen in Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und Ausrüstungen um 0,2 Prozent zurück. Der Staatskonsum legte um 0,2 Prozent zu, während die Bauinvestitionen um 1,1 Prozent wuchsen.
Hoffnung auf baldige Erholung
Nach dem Absturz zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 hatte sich Europas größte Volkswirtschaft zunächst wieder erholt und war zwei Quartale in Folge teils kräftig gewachsen. "So bitter die neuerlichen wirtschaftlichen Rückschläge im ersten Quartal waren, es sind vorerst die letzten gewesen", ist sich der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, sicher. "Die stark fallenden Inzidenzwerte und die voranschreitende Immunisierung breiter Bevölkerungsgruppen werden Lockerungen möglich machen. Es zeichnet sich ein entspannter Sommer ab, der die Ladenkassen in den deutschen Innenstädten klingeln lassen wird."
Der Wermutstropfen für die Wirtschaft bliebe aber die Materialknappheit, so Gitzel. "Der akute Halbleitermangel ist zu einer ernstzunehmenden Belastungsprobe für den deutschen Automobilbau geworden - zumindest kurzfristig". Aber auch in der deutschen Bauwirtschaft fehle es an Material vom Bauholz bis zu Farben. "Die gute Nachricht ist allerdings: Die Nachholeffekte im Dienstleistungssektor werden so kräftig ausfallen, dass aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine unter Materialmangel leidende Industrie verschmerzt werden kann."
Auch bei der Bundesbank wird gehofft, dass bei schnellen Impffortschritten die Eindämmungsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie in den kommenden Monaten erheblich gelockert werden könnten. Im Frühjahr und noch mehr im Sommer könne die Wirtschaft stark zulegen und ihr Vorkrisenniveau "bereits im Herbst wieder überschreiten", erwartet die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht.
Die Bundesregierung rechnete in ihrer jüngst angehobenen Prognose für das Gesamtjahr mit 3,5 Prozent Wachstum der deutschen Wirtschaft. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaftsleistung eingebrochen. Das Vorkrisenniveau werde erst im kommenden Jahr wieder erreicht.
Ifo-Index: aufgehellte Stimmung
Auch in den Chefetagen steigt die Stimmung. Der Ifo-Geschäftsklimaindex kletterte im Mai auf 99,2 Punkte von 96,6 Zählern im April und damit auf den höchsten Wert seit Mai 2019. Das teilte das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Dienstag zu seiner Manager-Umfrage mit. "Die deutsche Wirtschaft nimmt Fahrt auf", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Manager beurteilten ihre Lage günstiger als zuletzt und auch die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate.
"Die Infektionszahlen sinken deutlich, und die Weltwirtschaft floriert, aus diesen Zutaten ist das Feuerwerk der Geschäftserwartungen gemacht", sagt Andreas Scheuerle von der DekaBank. "Die Dienstleister einschließlich des Handels setzen auf bessere Geschäfte in Deutschland, die Industrie auf starke Exporte, die im zweiten Halbjahr nicht mehr so stark durch Lieferengpässe beeinträchtigt werden." Allerdings würden viele der Impulse für das zweite Quartal zu spät kommen, glaubt Scheuerle, doch das dritte Quartal könnte ein konjunkturelles Ausrufezeichen setzen.
Alles hängt vom Impfen ab
"Generell ist die Stimmungsaufhellung aber noch mit Vorsicht zu interpretieren, dürfte sie doch vor allem Erleichterung über den Impffortschritt spiegeln", warnt Alexander Krüger, Chefökonom vom Bankhaus Lampe. Lieferkettenprobleme bestünden immer noch, und mehr als vor der Krise sei die Wirtschaft vorerst auf Impulse aus China und den USA angewiesen.
Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW meint, bei vorsichtiger Öffnung würde man dank der Nachholeffekte bei den bislang eingeschränkten Dienstleistungen und einer zunehmenden Entspannung bei den Vorleistungsengpässen im Verarbeitenden Gewerbe einen sehr kräftigen Wachstumsschub sehen. "Wir haben unsere Konjunkturprognose für 2021 deshalb trotz des misslungenen Jahresstarts heute auf 3,5 Prozent nach oben revidiert."
iw/hb (dpa, rtr, afp)