Deutsche Technologie in Russland gefragt
17. Juni 2014Deutschland ist in der EU der größte Verbraucher von Öl und Gas, aber kein großes Öl- und Gasförderland. Allerdings ist die Bundesrepublik ein bedeutender Lieferant von Anlagen, die bei der Erschließung von Lagerstätten und der Förderung von Öl und Gas benötigt werden. Deutlich sieht man dies beim 21. World Petroleum Congress, einem Fachtreffen für die Öl- und auch die mit ihr eng verbundene Gasindustrie, das zurzeit (16.6.-19.6.2014) in Moskau stattfindet.
Die meisten Teilnehmer, Referenten und Aussteller kommen aus Russland. Aber auch Öl- und Gasunternehmen aus den USA sind stark vertreten, was angesichts der aktuellen politischen Spannungen zwischen Moskau und Washington in der Ukraine-Krise überraschend ist. Gekommen sind auch viele chinesische Experten und Firmen.
Ausrüstung von MAN im Einsatz
Ein deutscher Lieferant von Anlagen und Ausrüstungen für Öl- und Gasförderer ist die Volkswagen-Tochter MAN. "Alle führenden Unternehmen auf dem Öl- und Gasmarkt in der Kaspischen Region nutzen Ausrüstung von MAN, wie Kompressoren und Gasturbinen", sagt der Dmitry Mitichuk, Regional Manager von MAN Diesel und Turbo, der DW. Sie kämen beispielsweise in aserbaidschanischen Lagerstätten zum Einsatz, deren Gas nach Europa exportiert werden soll.
Derzeit, so Mitichuk, führt sein Unternehmen einen Auftrag einer Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns Gazprom in der Stadt Salawat aus. Sie liegt in der russischen Teilrepublik Baschkortostan. "Natürlich wollen wir die Zusammenarbeit mit dem russischen Giganten fortsetzen", sagte der Manager von MAN Diesel und Turbo.
Auch Linde will Aufträge von Gazprom
An Aufträgen von Gazprom ist auch das deutsche Unternehmen Linde interessiert. Der Industriegase-Spezialist ist auf dem russischen Markt schon seit der Sowjetzeit aktiv. "Wir bieten innovative Technologielösungen für die russische Öl- und Gasindustrie", sagt Bernd Holling der DW, der bei Linde für die Geschäftsentwicklung in Russland und den GUS-Staaten zuständig ist.
In der Münchner Konzernzentrale heißt es, Gazprom wolle sich verstärkt auch mit der Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) befassen. Notwendige Ausrüstungen dafür könne Linde Engineering liefern. Die russische Seite habe bereits Interesse an den deutschen Anlagen gezeigt. Details wollte Holling keine nennen, er sagte lediglich: "Wir sind in sehr hoffnungsvollen Gesprächen."
Wintershall größter deutscher Aussteller
Große Öl- und Gasunternehmen, die direkt an der Erschließung und Ausbeutung von Lagerstätten beteiligt sind, gibt es in Deutschland noch zwei: Wintershall und RWE Dea. Der Energiekonzern RWE hat jedoch im Frühjahr angekündigt, seine Öl- und Gassparte an die LetterOne-Gruppe des russischen Geschäftsmannes Michail Fridman zu verkaufen. Das Bundeswirtschaftsministerium will aber noch prüfen, ob durch den Deal strategische Interessen Deutschlands wie etwa die Versorgungssicherheit verletzt werden.
Wintershall ist eine hundertprozentige Tochter des Chemiekonzerns BASF. Auf der Moskauer Messe ist das Kasseler Unternehmen der größte deutsche Aussteller. Sowohl bei der Nord-Stream-Pipeline, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führt, als auch beim South-Stream-Projekt, einer geplanten Gasleitung durch das Schwarze Meer bis nach Bulgarien, ist Wintershall Partner von Gazprom.
Die Umsetzung von South-Stream ist allerdings vorerst gestoppt. In Brüssel gab es Zweifel, ob die Bauaufträge im Einklang mit dem EU-Recht vergeben worden waren. Der russische Konzern Gazprom kontrolliert nämlich 50 Prozent des gesamten geplanten South-Stream-Netzes, darunter die ganze Rohrleitung in Bulgarien. Das verstößt gegen das sogenannte dritte Energie-Paket der EU: Ein Kernpunkt ist hier die Forderung, die Produktion von Erdgas vom Transport und von der Versorgung von Verbrauchern abzukoppeln, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.
Technologische Kompetenz
Russland ist für Wintershall nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele der wichtigste Geschäftspartner. Das Unternehmen ist gerade dabei, einen Tausch von Vermögenswerten mit Gazprom abzuschließen. Der russische Partner soll die volle Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen WINGAS erhalten, sowie über Rohrleitungen und unterirdische Gasspeicher in Deutschland.
Im Gegenzug wird das deutsche Unternehmen seine Präsenz in Westsibirien ausbauen: es wird sich finanziell und technologisch am Aufbau zweier weiterer Standorte am sibrischen Urengoi-Gasfeld beteiligen. "Geld alleine ist nicht mehr die Eintrittskarte. Das haben auch andere. Man nimmt uns wegen der technologischen Kompetenz und der Projektsteuerung", sagt Michael Sasse, Leiter der Unternehmenskommunikation von Wintershall, zur DW.
Bereitschaft zu Investitionen
Doch auch Geld und Investitionen spielen eine große Rolle. Auf der Moskauer Messe sagte Wintershall-Vorstandsmitglied Mario Mehren, sein Unternehmen habe im vergangenen Jahr 170 Millionen Euro in Russland investiert. Auch dieses Jahr werde etwa die gleiche Summe erreicht. Die Gesamtinvestitionen allein in das Unternehmen Achimgaz lägen bislang bei zwei Milliarden Euro.
Ferner übernimmt Wintershall 15 Prozent der Kosten für die Verlegung der South-Stream-Pipeline im Schwarzen Meer. Die Gesamtkosten des Projekts sollen sich laut offiziellen Angaben auf zehn Milliarden Euro belaufen. Die deutschen Wintershall-Vertreter, die am Moskauer World Petroleum Congress teilnehmen, sind zuversichtlich, dass das Pipeline-Projekt trotz der aktuellen politischen Schwierigkeiten realisiert wird.