Deutsche Technologie für die Impfstoff-Logistik
25. November 2020Der Kampf gegen die Corona-Pandemie wird im Reagenzglas geführt - beim Finden und Testen mikroskopischer Substanzen für einen Impfstoff. Ihn zu verteilen wird "die größte und komplexeste globale Logistikoperation, die jemals unternommen wurde", wie es der internationale Airline-Dachverband IATA auf den Punkt bringt. Einige deutsche Unternehmen spielen dabei eine Schlüsselrolle.
In Mainz etwa die Firma Biontech. Das vergleichsweise kleine Unternehmen meldete gemeinsam mit dem US-amerikanischen Pharma-Giganten Pfizer einen Erfolg: Beide Partner haben in den USA den Antrag auf Notfall-Zulassung ihres Impfstoffes eingereicht. Noch in diesem Jahr könnte die Freigabe kommen.
Biontech mischt damit ganz vorne mit im Kampf gegen Corona, ist bei weitem aber nicht allein. Auch Forscher bei Curevac in Tübingen arbeiten an einem Impfstoff - mit finanzieller Unterstützung des Investors und SAP-Gründers Dietmar Hopp und der Bundesregierung. Curevac ist vom Antrag auf eine Zulassung noch etwas weiter entfernt. Wie die Konkurrenten aber befasst sich das Biotech-Unternehmen bereits jetzt mit der massenhaften Produktion des Vakzins.
Impfstoff-Produktion läuft bereits
Gebraucht werden dafür über kurz oder lang Milliarden kleiner Ampullen aus Spezialglas. Der Düsseldorfer Konzern Gerresheimer gehört hier zu den Weltmarktführern. Ebenso die Spezialglasexperten von Schott aus Mainz. Drei Viertel aller Impfstoffhersteller mit Produkten in der ersten und zweiten klinischen Phase hätten bei Schott bestellt, heißt es vom Unternehmen. Auch auf Grund dieser frühzeitigen Bestellungen von den Impfstoffproduzenten werde es keine Lieferengpässe geben. Das Hochfahren der Produktion jedenfalls lässt die Kassen klingeln - die Mainzer rechnen mit einem zusätzlichen Umsatz im unteren zweistelligen Millionenbereich.
Weil die Produktion von Impfstoffen bereits auf Hochtouren läuft, geben Biontech und Pfizer an, dass sie im Fall einer Zulassung in den USA innerhalb weniger Stunden mit der Auslieferung beginnen könnten. Auch in Europa, Kanada, Australien, Japan und Großbritannien befinden sich beide Unternehmen in Kontakt mit den zuständigen Behörden und auf dem Weg zu möglichen Zulassungen.
Wie in Europa sind das auch in diesen Ländern so genannte 'rollierende' Verfahren: Dabei übermitteln die Unternehmen fortlaufend die Ergebnisse ihrer klinischen Tests. So kann die Prüfung der Behörden bereits stattfinden, noch während die Studien laufen. Gewöhnlich sammeln Pharmafirmen über Monate und Jahre alle Daten und Unterlagen, um sie nach Abschluss aller Prüfungen gebündelt den Behörden zu übergeben.
Die Stunde der Logistiker
Sollten die Zulassungen dann kommen, sind Spediteure gefragt, um die "größte und komplexeste globale Logistikoperation" der Welt zu bewältigen und den Impfstoff möglichst rasch und reibungslos milliardenfach an Menschen in aller Welt zu bringen. Deswegen bereitet sich auch die Cargo-Sparte der Lufthansa in Frankfurt mit Hochdruck auf die massenweise Verfrachtung von Impfstoffen vor. Dabei stelle man sich auf mögliche Exporte ebenso wie auf Importe ein, weil noch nicht abzuschätzen sei, von wo der erste Impfstoff letztlich kommen wird, heißt es von Lufthansa Cargo.
Auch die Deutsche Post/DHL sieht sich in einer starken Position. Aktuell befindet sich der Bonner Konzern im Gespräch mit Regierungen und Behörden und wappnet sich für die Mammutaufgabe. Eine von der Post in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass die weltweite und milliardenfache Versorgung mit Impfstoffen in der Tat einer Herkulesaufgabe gleichkommt. Rund 200.000 Paletten-Transporte und 15.000 Flüge seien nötig, um die auf Dauer erforderlichen rund 10 Milliarden Impfstoffdosen auszuliefern. "An der Logistik jedenfalls wird es nicht scheitern", zeigte Post-Chef Frank Appel sich vor wenigen Tagen zuversichtlich. Denn seit 20 Jahren habe man mit Pharmafirmen Erfahrungen gesammelt, um deren sensible Produkte zuzustellen - die Infrastruktur bestehe also bereits.
Eine Frage der Kühlung
Eine der Schwierigkeiten dabei: Der Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer muss bei Temperaturen von minus 70 bis minus 80 Grad gelagert und transportiert werden. Dass dies nicht zum Problem wird - auch hieran arbeiten hiesige Firmen eifrig mit. So ist etwa das in Würzburg ansässige Unternehmen va-Q-tec auf Ultratiefkühlgeräte spezialisiert und meldete vor wenigen Tagen den Abschluss einer Vereinbarung: Ab dem ersten Quartal des kommenden Jahres liefert das Unternehmen 1000 der Hochleistungs-Transportcontainer an einen der größten Pharmakonzerne. Mit weiteren Herstellern befinde man sich in fortgeschrittenen Verhandlungen. "Die vorliegende Vereinbarung ist die umfangreichste unserer 20-jährigen Unternehmensgeschichte und wohl eine der umfangreichsten der Branche überhaupt", sagte Chef und Vva-Q-tec-Gründer Joachim Kuhn.
Im badischen Tuttlingen stellt die Firma Binder die erforderlichen speziellen Freezer - das sind Spezialkühlschränke für medizinische Forschungslabore - her. In den vergangenen Wochen haben die Tuttlinger Weltmarktführer ihre Produktion verdreifacht.
Schließlich werden auch medizinische Utensilien gebraucht, wenn es daran geht, Menschen tatsächlich zu impfen. B. Braun aus Hessen spielt hier eine entscheidende Rolle. "Viele Impfstoffhersteller und Landesregierungen fragen derzeit nach Spritzen und Kanülen sowie weiteren Produkten für eine Verimpfung an und lassen sich Kapazitäten zusichern", sagte Frank Kirchner der DW. Er ist Geschäftsführer von B. Braun Deutschland.
Neben Einmalspritzen und Kanülen produziert das Unternehmen auch Produkte zur allgemeinen Pandemiebekämpfung wie Desinfektionsmittel, Untersuchungshandschuhe und andere Schutzausrüstung für die medizinischen Helfer im Gesundheitswesen. Aktuell erarbeitet B. Braun Pläne, nach denen eine Massenimpfung bereits ab dem 15. Dezember starten könnte.