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Kritik an US-Internetspionage

Wolfgang Dick11. Juni 2013

Das von Barack Obama geduldete Abhörprogramm von Internetdiensten - Codename "Prism" - wird in Deutschland stark kritisiert. Der US-Präsident wird bei seinem Deutschlandbesuch dazu Stellung nehmen müssen.

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Netzwerkkabel an Notebook anschließen - Foto: Benjamin Nolte (Fotolia)
Bild: Fotolia/benjaminnolte

In Deutschland wird heftig debattiert, seitdem bekannt ist, dass der US-Geheimdienst NSA systematisch Nutzer-Daten von Internet-Diensten sammelt. Im großen Stil ausspioniert werden offenbar die Angebote der amerikanischen Unternehmen Yahoo, Microsoft, Apple, Google, Dropbox und Facebook.

Deutsche Internetnutzer fragen sich jetzt, was die Amerikaner alles an Daten sammeln, was sie damit machen und welche Nachteile daraus möglicherweise für jeden Einzelnen erwachsen. Politiker quer durch alle deutsche Parteien streiten über die Frage, wie viel staatliche Überwachung zum Schutz vor Terroristen und anderen Verbrechern stattfinden darf. Alle vertreten dieselbe Ansicht: Die Abhör-Affäre ist keine reine Angelegenheit der USA.

Obama soll den Deutschen Abhöraktion erklären

"Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das Thema sicherlich ansprechen, wenn US-Präsident Obama kommende Woche in Berlin sein wird", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag (10.06.2013). Obamas Deutschlandbesuch war schon lange geplant und steht mit der Abhöraffäre in keinem Zusammenhang.

Dass das Thema in der kommenden Woche dennoch mit dem US-Präsidenten in Berlin diskutiert wird, darauf drängte wohl Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie setzt sich in Deutschland für einen starken Datenschutz ein und kritisiert die massive US-Spionage im Internet als "besorgniserregend". Das Vorgehen der US-Behörden sei auch mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus nicht zu rechtfertigen. Der Kampf gegen Staatsfeinde legitimiere nicht jedes Mittel, so die Justizministerin.

US-Präsident Barack Obama - Foto: Stephen Lam
Barack Obama: Der Präsident verteidigt das Vorgehen seiner SicherheitsdiensteBild: Getty Images

Leutheusser-Schnarrenberger ist bekannt dafür, dass sie den Datenschutz mit Nachdruck verteidigt und sich weigert, weitgehende Überwachungsmaßnahmen abzusegnen. Im Januar 1996 trat sie aus der damaligen Regierung als Justizministerin zurück, als konservative Innenpolitiker den "Großen Lauschangriff" starten wollten, bei dem es um das Abhören von Privaträumen bei der Verbrecherjagd ging. Leutheusser-Schnarrenberger gehört der FDP an, einer Partei, die Kanzlerin Merkel als Partner ihrer Regierungskoalition nicht einfach ignorieren kann.

Totalüberwachung aller Deutschen beenden

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP - Foto: Timur Emek
Streitet für absoluten Datenschutz: Justizministerin Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerBild: dapd

Die oppositionellen Grünen verlangen Aufklärung: Unverzüglich solle die Bundesregierung die Hintergründe zum amerikanischen Abhörsystem Prism erläutern, fordert Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Partei. Das sei absolut notwendig, weil die heimliche Online-Durchsuchung von Computern in einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft keinen Platz habe. Auch der Bundestag soll sich auf Antrag der Grünen mit dem Thema befassen.

Jan Korte, Vorstandsmitglied der Oppositionspartei "Die Linke", geht noch einen Schritt weiter: Er fordert, die Bundesregierung solle Edward Snowden umgehend politisches Asyl anbieten - also dem Mann, der die bisher geheime US-Abhöraktion an die Öffentlichkeit gebracht hatte und aus Angst um seine Person nach Hongkong flüchtete. Korte bezeichnete dies als klares Signal an alle, die weltweit mit Überwachungsprogrammen Demokratie und Freiheit gefährdeten.

Die Sozialdemokraten hingegen halten sich mit Äußerungen zur US-Abhöraffäre bislang auffällig zurück. Vom sonst so kämpferischen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der bei der Bundestagswahl im Herbst gegen Angela Merkel antritt, ist bisher nichts zu hören. Im Jahr 2005, als die Sozialdemokraten noch mit Merkels CDU und der CSU gemeinsam regierten, stimmte die SPD weitgehenden Überwachungsmaßnahmen zu. Damit wurde damals dem Zollkriminalamt ermöglicht, Telefone abzuhören, Briefe zu öffnen und Internetdaten abzufragen, wenn der Verdacht besteht, dass mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen gehandelt werden soll.

Ähnlich zurückhaltend wie jetzt die SPD geben sich zurzeit deutsche Sicherheitsdienste. Das Bundeskriminalamt verfügt zwar wie die Landeskriminalämter über eine eigene Cybercrime-Einheit. Da es sich aber um abgehörte Internetdienste in den USA handele, sei man nicht zuständig, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums im größten Bundesland, Nordrhein-Westfalen. Bekannt ist, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) E-Mails abfängt und auswertet. Bis zu 20 Prozent des Datenverkehrs von deutschen Internet-Dienstleistern wird vom BND gespeichert.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, setzt sich für eine breite Diskussion ein, bei der sich alle Deutschen überlegen müssten, ob man zu einer Überwachungsgesellschaft mutieren wolle, bei der Grundrechte beschnitten werden.

Keine Belastung im deutsch-amerikanischen Verhältnis?

US-Präsident Barack Obama glaubt nicht, dass sein bevorstehendes Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel durch den jüngsten Spionageskandal belastet wird. Das sagte Jay Carney, Pressesprecher des Präsidenten. Weitere Äußerungen in Richtung Deutschland lehnte Carney mit dem Hinweis auf laufende Ermittlungen des US-Justizministeriums ab.

Barack Obama und Angela Merkel - Foto: Reuters
Angela Merkel und Barack Obama: Internet-Spionage als GesprächsthemaBild: Reuters

Ausgerechnet die noch junge Piratenpartei, die sich für alle Themen des Internets starkmacht, übt kaum Kritik an dem Vorgehen der USA: "Uns überrascht das nicht", sagte Frank Herrmann, Internet-Experte der Piratenpartei. "Jedem Nutzer muss klar sein, dass bei der Verwendung von E-Mail- oder Cloud-Diensten amerikanischer Unternehmen Daten bei der amerikanischen Regierung landen", so Herrmann. Die Piraten, die in mehreren deutschen Landesparlamenten vertreten sind, richteten sich mit ihrer Reaktion folglich auch nicht an die USA, sondern an die Innenminister der einzelnen Bundesländer. Diese sollen - so die Forderung - Überwachungsmaßnahmen wie eine europäische Fluggastdatenspeicherung und die Vorratsdatenspeicherung ablehnen.