Deutsche Hilfe
6. Januar 2007Die wenigen Krankenhäuser in Mogadischu und anderen Städten sind überfüllt, die geschlossenen Grenzen erschweren die humanitäre Hilfe, die das Land unter anderem wegen der verheerenden Überschwemmungen im Herbst benötigt.
Die "Diakonie Katastrophenhilfe" ist neben der WHO die einzige ausländische NGO in Somalia. Die Organisation mit Sitz in Stuttgart unterstützt die Bevölkerung bereits seit den frühen 90er-Jahren, als das Land nach dem Sturz von Diktator Siad Barré ins Chaos stürzte. Neben der akuten Nothilfe leistet die Organisation langfristig angelegte Aufbauarbeit. Dazu gehört insbesondere der Dialog mit den muslimischen Führern im Land.
Priorität: Erste Hilfe für die Flüchtlinge
Der Afrikadirektor der Diakonie, Helmut Hess, rechnet kurzfristig nicht damit, dass sich die politische Lage in Somalia grundlegend verändert. Dementsprechend steht zunächst einmal die Erstversorgung der Flüchtlinge, die seit Wochen über die Grenze nach Kenia strömen, im Vordergrund: Das Auswärtige Amt hat der Diakonie Katastrophenhilfe 250.000 Euro an Soforthilfe für Nahrungsmittel und medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt.
Erst, wenn die unmittelbare Not gelindert ist, will sich die Diakonie, die während der großen Hungersnot von 1992 ein Projektbüro in Mogadischu eröffnete und seitdem ein enges Netzwerk mit den wenigen zivilgesellschaftlichen Akteuren geknüpft hat, die quasi-politische Arbeit wieder aufnehmen. Dazu zählt die Ausbildung und damit Resozialisierung der vielen Tausend Jugendlichen, die seit den frühen 90er-Jahren Opfer der zunehmenden Verrohung in Somalia geworden sind. "Die Jugendlichen in Mogadischu kennen nichts außer Krieg", sagt Helmut Hess. "Es gibt viele Straßenkinder, die für alle möglichen Milizen und Militärs missbraucht werden können. Da wollen wir durch entsprechende Bildungsangebote gegensteuern."
Austausch und Dialog mit den Konfliktparteien
Seit Beginn der Somalia-Krise haben Vertreter der Diakonie im Verbund mit christlichen und muslimischen Führern wiederholt die Konfliktparteien aufgerufen, zu Verhandlungen zurückzukehren und das Waffenembargo gegen Somalia zu bekräftigen. In Kenia trafen sich auf Einladung der Diakonie und des Afrikanischen Kirchenrates muslimische Führer zum Austausch.
Wie viele Somalia-Beobachter glaubt auch Hess, dass sich das Phänomen "Scharia-Gerichte" nicht einfach wegwünschen lässt - zu groß ist deren Rückhalt in der somalischen Bevölkerung. Immerhin waren es diese Gerichte, die erstmals seit 1991 Ordnung und einen Sinn von Rechtstaatlichkeit etablieren konnten. "Die haben sich zu Recht enormes Ansehen erworben als eine Gruppe, die in der Lage war, zumindest vorübergehend Frieden herzustellen in Mogadischu. Sie wird von großen Teilen der Bevölkerung auch respektiert", sagt Hess. "Was uns natürlich nicht gefallen hat, war die radikale Interpretation der Scharia. Das ist ein Thema, das noch einmal separat behandelt werden sollte. Im Moment sind wir jedenfalls der Meinung, auf jeden Fall mit diesen religiösen Gruppen verhandeln zu müssen."
Schwierige Gratwanderung
Dabei ist angesichts der Tiraden der politischen Führer der Scharia-Gerichtshöfe, die zum "Dschihad" aufriefen und Extremisten aus dem Ausland anforderten, die Auswahl der Gesprächspartner in diesen Tagen eine Gratwanderung, wie Hess erläutert: "Dass die Radikaleren im Moment in Somalia die Einflussreicheren sind, das ist ein Sachverhalt, den wir nicht anzweifeln können. Ich denke, dass wir eher mit den renommierten, in Somalia anerkannten religiösen Führern ins Gespräch kommen müssen. Also nicht die, die ich jetzt für die rigorose Interpretation der Scharia verantwortlich machen würde. Mit denen wird es wahrscheinlich schwierig sein, Gespräche zu führen".
Eines steht nach Ansicht von Hess und seinen somalischen Mitarbeitern vor Ort fest: Der Rückzug der Islamisten aus Mogadischu bedeutet keineswegs das Ende von Krieg und Vertreibung in dem Land am Horn von Afrika. Um so wichtiger ist es, jetzt, da die Waffen vorerst schweigen, den Dialog zu pflegen - auch mit denjenigen, die dem Westen möglicherweise als Gesprächspartner zunächst weniger lieb sind.