Spuren deutscher Geschichte: Der sonnigste Strand der DDR
8. August 2013Ost-Berlin erwartete illustren Besuch. Am 19. Juni 1972 traf Fidel Castro, dschungelkampferprobter Guerillakämpfer, Waffengefährte Che Gueveras und faktischer Alleinherrscher der sozialistischen Republik Kuba in Berlin-Schönefeld ein. Sein deutsches Gegenüber: Der früh angegraute Erich Honecker, seines Zeichens Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, den die DDR-Bürger "Honni" getauft hatten. Auch beim Austausch der Geschenke machte die DDR keine besonders glückliche Figur. Der Gast bekam einen Berlin-Bären aus Plüsch, während kubanische Gesänge erklangen.
Gegen Castros Mitbringsel hätte allerdings auch ein echter Bär keine Chance gehabt: Honecker und Konsorten bekamen eine Karte Kubas präsentiert, die einen bemerkenswerten Eintrag enthielt. Inmitten der Schweinebucht, in der 1961 die vom US-Geheimdienst CIA initiierte Landung von Castro-Gegnern baden gegangen war, trug nun eine Insel den Namen Cayo Ernesto Thaelmann.
Ein Strand namens DDR
Heute fast vergessen, war der Name Ernst Thälmann jedem Bürger der DDR ein Begriff. In den 1920er Jahren war Thälmann zum Kopf der deutschen Kommunisten aufgestiegen, die sich gegen Ende der Weimarer Republik auf den Straßen bürgerkriegsähnliche Kämpfe mit den Nationalsozialisten lieferten. Die Machtübernahme der Nazis 1933 bedeutete für Thälmann somit auch das Ende seines Lebens in Freiheit. Im August 1944 wurde er auf persönlichen Befehls Hitlers exekutiert. In der DDR kam der Ermordete kurz zu hohen Ehren. Zu Ehren Ernst Thälmanns benannte man nicht nur Kombinate, Plätze und Siedlungen, sondern auch die staatlich gelenkte Kinderorganisation der DDR: die Pionierorganisation Ernst Thälmann.
Thälmann unter Palmen
Jetzt kam also noch eine Insel hinzu, die mit einem weltweit einmaligen Strand aufwartete, der Playa RDA, zu deutsch Strand der DDR. Insel und Strand besitzen tropischen Charme, wie der ursprüngliche Name des Eilandes verrät: Cayo Blanco del Sur, Weiße Insel des Südens. Beeindruckt bewertete das Zentralorgan der DDR-Einheitspartei SED, die Zeitung Neues Deutschland, die Umbenennung als Geste der "unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Kuba und der DDR." Doch Fidel Castro hatte noch mehr in petto: Eine mehrere Meter hohe Büste Thälmanns wurde am Strand der DDR platziert. An seinem 28. Todestag am 18. August 1972 wurde sie in Anwesenheit eines Botschaftsrats und einiger Schiffsoffiziere aus der DDR feierlich eingeweiht. Der Optik des Strandes hat diese Maßnahme dann allerdings doch eher geschadet, wie ein Zeitzeuge berichtete, der als einer der wenigen DDR-Bürger die Insel tatsächlich hatte betreten können: der Schlagersänger Frank Schöbel. Er hielt sich 1975 auf der Insel auf, um für das Fernsehen ein Musikvideo zu drehen. Ständig schwappten der Büste Ernst Thälmanns die Wellen ins Gesicht, berichtete Schöbel. Er habe sich "totgelacht" bei diesem Anblick. Ansonsten sei die Insel aber ein Paradies gewesen. Für die normalen Bürger der DDR war der Traumstrand in Kuba unerreichbar.
Wem gehört die Insel jetzt?
Fidel Castro hatte jenen Teil seines Inselreichs keineswegs ohne Hintergedanken verschenkt. Er brauchte die DDR als Handelspartner, um Kuba, das bis heute unter einem Embargo der USA steht, wirtschaftlich am Leben zu erhalten. In der DDR firmierte die Insel bald unter einem ganz anderen Namen. Im Volksmund hieß sie die Honni-Insel, weil Castro sie angeblich Honecker persönlich geschenkt habe.
Fragt sich, wem die Insel gehört, schließlich sind Honecker und die DDR Geschichte? Tatsächlich ist die Ernst-Thälmann-Insel immer noch im Besitz Kubas, wie die Mitarbeiter eines Berliner Internetmagazins feststellen mussten. Nachdem sie 2001 diese alte Posse des real existierenden Sozialismus ausgegraben hatten, schlussfolgerten sie messerscharf: Die Insel müsse nach der Wiedervereinigung der Bundesrepublik gehören. Das Auswärtige Amt wiegelte ab, die Schenkung 1972 sei eine symbolische Geste gewesen. Auch Versuchen von privater Seite, die Insel käuflich zu erwerben, war bislang kein Erfolg beschert. Übrigens: Um Thälmanns Büste ist es mittlerweile schlecht bestellt, seit 1998 ein Hurrikan Mitch die Insel überquerte. Nun liegt sie begraben im Sand – verweht wie die DDR.