Afrikas große Solarstrom-Pläne
2. Oktober 2022Wenn in Soweto abends der Strom versiegt, dann ist es nicht nur dunkel, sondern auch gefährlich. "Es können Typen aufkreuzen und versuchen, auf das Grundstück einzudringen. Man kann sie nicht sehen, sie sind unsichtbar", sagt Nonhlanhla Morudu. Die 45-Jährige lebt mit ihrer Mutter und den drei Kindern in dem Vorort von Johannesburg. "Deshalb haben wir ein paar Solarlampen installiert, damit Licht um uns herum ist und wir sicherer sind."
Afrika hat kaum Solarstrom - aber große Pläne
Solarstrom ist klimaneutral, die Investitionskosten sind überschaubar - und gleichzeitig ist der Bedarf an günstiger und zuverlässiger Elektrizität in Afrika enorm. Dazu kommen insbesondere im Norden und im Süden optimale Bedingungen für Solaranlagen: 60 Prozent der Premium-Flächen weltweit liegen nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) auf dem Kontinent. Und doch findet sich bislang nur ein Prozent der weltweit installierten Leistung in Afrika.
Daran dürfte sich bald etwas ändern. Marc Howard von der britischen Beratungsgesellschaft Africa Energy rechnet mit einer Verdreifachung der aktuellen Leistung des Kontinents bis 2025. Daten seines Unternehmens zufolge produzieren in Afrika derzeit mehr als 1100 Anlagen Solarstrom, mit einer Gesamtkapazität von 7,4 Gigawatt. Zum Vergleich: Allein die in Deutschland installierten Photovoltaik-Anlagen kamen 2020 auf eine Leistung von rund 58 Gigawatt. 2024 sollen es in Afrika schon fast 23 Gigawatt sein - oder mehr, da Solaranlagen häufig nur geringen Planungsvorlauf brauchen. Steht Afrika gerade am Beginn einer Solarstrom-Revolution?
Südafrika: Mit Solaranlagen der Stromkrise entkommen
"Südafrika ist der Boom-Markt für Photovoltaik, weil kommerzielle Anbieter seit neuestem erst ab 100 Megawatt eine Lizenz vorweisen müssen, das wäre schon ein großer Solarpark", sagt Howard im DW-Interview. Dabei handelt es sich vor allem um Unternehmen, beispielsweise aus dem Bergbausektor, die viel Strom benötigen und sich nicht länger auf den kriselnden staatlichen Stromversorger Eskom verlassen wollen.
Jahrzehntelange Misswirtschaft und versäumte Wartungen haben dafür gesorgt, dass Eskom den Strombedarf des Landes bei weitem nicht decken kann und in festgelegten Intervallen wechselnde Bezirke für ein paar Stunden vom Netz abklemmt - "Loadshedding" sagt man in Südafrika dazu. Eine eigene Solaranlage auf dem Dach kann dabei helfen, unabhängig zu werdem von den unzuverlässigen Stromlieferungen - sogar nachts. "Vor Loadshedding bist du nur gefeit, wenn deine Solaranlage eine Batterie hat", sagt Megan Euston-Brown, Direktorin der Nonprofit-Organisation Sustainable Energy Africa. Diese könne einen separaten Stromkreis speisen, der während des Loadsheddings aktiviert wird.
Die Anschaffungskosten dafür amortisierten sich nach sieben Jahren, ohne Batteriesystem bereits nach fünf Jahren, sagt Kevin Robinson vom Photovoltaik-Branchenverband AFSIA: "Bei günstigen Anschaffungskosten, unzuverlässigem Stromnetz und möglicherweise steigenden Strompreisen lohnt es sich, Solaranlagen auf dem Dach zu installieren", sagt Robinson im DW-Interview.
Steigende Kosten, unklare Finanzierung
Und das, obwohl die Branche seit 2020 über deutliche Preisaufschläge infolge gestörter Lieferketten berichtet. Ein Großteil der weltweiten Photovoltaik-Produktion sitzt in China, das mit seiner strikten Null-Covid-Politik weiterhin ganze Millionenstädte und mit ihnen auch die Belegschaften der Hersteller in den Lockdown schickt. Zugleich treibt Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine die Energiepreise in Europa in die Höhe und macht so neue Photovoltaik-Projekte auf lange Sicht sehr lukrativ. Solar-Entwickler, sagt Analyst Marc Howard, seien sich sicher, "dass die Ära der sehr günstigen Solar-Komponenten mehr oder weniger vorbei ist".
Wenn ein wirtschaftlich starker Akteur wie beispielsweise ein südafrikanischer Bergbaukonzern einen Solarpark errichten will, kommt er verhältnismäßig leicht an einen günstigen Kredit. Für viele staatliche Stromversorger ist die Finanzierung jedoch schwerer, sagt Howard: "Globale Inflations-Schocks haben Wirtschaftskrisen ausgelöst. Und die Anforderungen an afrikanische Regierungen (um Kredite zu erhalten, d.Red.) sind absolut enorm", sagt der Analyst. "Viele Menschen finden deshalb, dass reichere Länder viel mehr Hilfe bereit stellen müssen, um das Stromnetz zu modernisieren" - denn Zugang zu Elektrizität sei elementar für kräftiges Wirtschaftswachstum.
"Nur etwa 1,5 Prozent der weltweiten Investitionen in den Stromsektor wird in Subsahara-Afrika getätigt, die Region ist stark unterfinanziert", ergänzt Megan Euston-Brown.
Solarenergie statt klimaschädlicher Kohle
In der Vergangenheit gab es Geld vor allem für Kohlekraftwerke - allerdings hat China als wichtiger Kreditgeber vor einem Jahr die Finanzierung der klimaschädlichen Meiler beendet. Geplante Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 15 Gigawatt gingen laut dem IEA-Bericht deshalb nicht ans Netz, und schon vorher rückten eine Reihe afrikanischer Regierung von Kohle-Plänen ab - nur noch in Südafrika und Simbabwe entstehen die letzten neuen Kohlekraftwerke des Kontinents.
In Südafrika seien sich Regierung und Kommunen darüber hinaus bewusst, dass sich der CO2-Fußabdruck der Exporte verringern müsse, sagt Megan Euston-Brown. "Und dann kommt noch hinzu, dass Erneuerbare am günstigsten sind."
Rund um den Äquator, wo viel Wasser und Wolken die Solar-Ausbeute schlechter machen, setzt man vielfach auf Wasserkraft - für neue Staudämme gibt auch China weiter Kredite. Doch bei widrigen Finanzierungsbedingungen ist Solarenergie skalierbar und dadurch einmal mehr im Vorteil, erklärt "Sustainable Energy Africa"-Direktorin Euston-Brown im DW-Interview. Ist das Geld knapp, können einfach kleinere Solaranlagen aufgebaut werden, die aber trotzdem Strom produzieren.
Den Analysen von Africa Energy zufolge werden bis Mitte des Jahrzehnts fast alle afrikanischen Länder Solarstrom produzieren. Neben Südafrika und mehreren Maghreb-Staaten planen vor allem Angola, Äthiopien, Botsuana, die Elfenbeinküste und Tschad große Zuwächse.
Beginnt also doch gerade eine Solarstrom-Revolution? "Wohl nicht, sondern eher eine Evolution", sagt Verbandsvertreter Kevin Robinson mit Blick auf die immer noch schwierige Finanzierung. Zumindest in Südafrika finde "eine Art Revolution" statt, glaubt hingegen Megan Euston-Brown: "Hier ist ein großes Bewusstsein dafür gewachsen. Wir haben große wirtschaftliche Vorteile durch Solarenergie. Aber zugleich ist es ein langer und steiniger Weg, unsere Energiewirtschaft umzukrempeln."
Mitarbeit: Thuso Khumalo (Soweto)