Siegeszug der Sojabohne
11. Februar 2014Ihr Mehl und Schrot füttert Tiere auf der ganzen Welt. Ihr Öl füllt die Tanks in Europa und den USA. Ihre Erlöse füllen Staatskassen und finanzieren Sozialprogramme. Die Superbohne Soja steht für Brasiliens Aufstieg zur weltweiten Agrarmacht.
Demnächst könnte die Hülsenfrucht auch zum Synonym für die Zerstörung des Amazonas avancieren. Denn am 31. Januar kündigte der mächtige Verband der brasilianischen Ölsaatenhändler (Abiove) den Ausstieg aus dem Soja-Moratorium zum Ende des Jahres an.
Umweltschützer befürchten, dass dies die Zerstörung des Regenwaldes beschleunigen wird. "Das Ende des Moratoriums wird zu neuen Rodungen führen, weil es weniger Kontrollen gibt", prognostiziert Paulo Adário von Greenpeace Brasilien und fügt hinzu: "Soja ist der große Geldgeber der brasilianischen Wirtschaft."
Eine brasilianische Erfolgsgeschichte
Das 2006 eingeführte Soja-Moratorium ist eine in der brasilianischen Gesellschaft bisher einmalige Vereinbarung zwischen Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und World Wildlife Fund, der brasilianischen Regierung und dem Verband der brasilianischen Ölsaatenhändler "Abiove". Der Vereinigung der Trader gehören Agrarkonzerne wie Cargill, Bunge und Archer Daniels Midland (ADM), Dreyfus und die Gruppe Maggi an. Wichtigster Bestandteil des Moratoriums ist ein Exportboykott gegen im Amazonas angebautes Soja.
Die Bilanz kann sich sehen lassen: Zwischen 2006 und 2012 ging die Abholzung im Amazonasgebiet nach Angaben der brasilianischen Regierung von 14.286 Quadratkilometer auf ein historisches Tief von 4571 Quadratkilometer zurück. Im vergangenen Jahr nahm die Zerstörung wieder zu, insgesamt 5843 Quadratkilometer Urwald gingen in Flammen auf.
Sogar Carlo Lovatelli, Vorsitzender von Abiove, scheint den Ausstieg aus dem Moratorium ein wenig zu bedauern. "Es war das erste Mal, dass Industrie und Umweltschützer sich zusammengesetzt und ein gemeinsames Projekt auf die Beine gestellt haben, das war eine gute Sache", sagt Lovetelli im Gespräch mit der DW. Die Initiative sei aufgrund der Nachfragen europäischer Abnehmer entstanden. Sie hätten sicher gehen wollen, dass für den Anbau von Soja in Brasilien kein Regenwald gerodet werde.
Exporte nach China
Doch acht Jahre nach dem Beginn des Boykotts exportiert Brasilien mehr Soja nach China als nach Europa. Nach Angaben des brasilianischen Industrieministeriums stieg der Export der Bohnen ins Reich der Mitte allein zwischen 2012 und 2013 von 22 Millionen auf 32 Millionen Tonnen. Im Gegenzug verzeichneten die Ausfuhren nach Europa im gleichen Zeitraum einen leichten Rückgang von 5,4 Millionen auf 5,1 Millionen Tonnen. Deutschlands Soja-Importe aus Brasilien sanken von 522.000 Tonnen auf 317.000 Tonnen.
"Das Moratorium war ganz auf die Interessen Europas ausgerichtet", sagt Paulo Adário von Greenpeace. "Für die Chinesen hingegen ist der Schutz des Regenwaldes kein Thema. Sie wollen Soja und fragen nicht, woher es kommt."
Adário macht für das Ende des Moratoriums deshalb auch nicht in erster Linie die Trader, sondern vor allem die Produzenten verantwortlich. Sie hätten den Verband Abiove unter Druck gesetzt. "Die Argumentation lautete: Das Moratorium geht weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus, deshalb müssen wir uns nicht mehr daran halten", meint Adário.
Abholzen ist erlaubt
In der Tat: Nach dem 2012 vom brasilianischen Kongress verabschiedeten neuen Waldgesetz, dem sogenannten "Código Florestal", dürfen Farmer im Amazonasgebiet 20 Prozent ihres Grundstückes roden. 80 Prozent müssen mit der ursprünglichen Vegetation erhalten bleiben. Umweltschützer kritisieren dies als Freibrief für die Legalisierung von Rodungen.
Branchensprecher Lovatelli hingegen verteidigt das neue Waldgesetz: "Es ist das große Verdienst des Moratoriums, dazu beigetragen zu haben, dass Brasilien nun eine moderne Gesetzgebung hat. 2006 gab es das noch nicht", erklärt Lovatelli. Denn nicht ein zeitlich begrenztes Moratorium, sondern nur ein Gesetz schaffe die Grundlagen für Rechtssicherheit und Kontrollen.
Entwicklung hat Vorrang
Taugt der Siegeszug der Sojabohne also nicht zum Sündenbock für die wieder ansteigende Abholzung im brasilianischen Regenwald? Nur 2,4 Millionen Hektar der insgesamt 28 Millionen Hektar Anbaufläche für Soja in Brasilien befinden sich im Amazonasgebiet. Die große Mehrheit der Hülsenfrüchte werden in den Savannen Zentralbrasiliens, also in den Bundesstaaten, Mato Grosso, Mato Grosso do Sul, Paraná, Rio Grande do Sul und Bahia angebaut.
Der ehemalige Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Brasilien, Thomas Fatheuer, gibt sich keinen Illusionen hin: "Ich glaube, dass der Amazonas in der nächsten Zeit wieder viel mehr als Konfliktfeld wahrgenommen wird", erklärt er. Mit der Suche nach Bodenschätzen, dem Bau von Straßen, Häfen und Staudämmen bahne sich ein neuer Entwicklungsschub an. Fatheuer: "Sobald Entwicklungsstrategien berührt sind, treten Umweltfragen zurück."
Im brasilianischen Umweltministerium wollte man sich zu den jüngsten Entwicklungen nicht äußern. Im ihrem offiziellen Programm hat sich die Regierung verpflichtet, bis 2020 die Entwaldung im Amazonas um 80 Prozent zu verringern. Die Anfragen der DW zu den Auswirkungen des aufgekündigten Soja-Moratoriums ließ Brasiliens Umweltministerin Izabella Teixeira allerdings unbeantwortet.