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Der schwere Abschied der Deutschen von der D-Mark

Conrad Lay16. November 2001

Die D-Mark, die in den vergangenen 50 Jahren zum Herzstück deutscher Identität geworden war, muss Anfang 2002 endgültig abtreten. Viele Deutschen werden sie vermissen.

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Der Euro - die Begeisterung in Deutschland hält sich in Grenzen.Bild: EZB

Während sich in Italien viele Menschen auf den Abschied von den vielen Nullen freuen, stehen 60 Prozent der Deutschen dem neuen Geld skeptisch gegenüber. Armin Unterberg, Leiter der Grundsatzabteilung der Dresdner Bank: "Die Deutschen sind gebrannte Kinder. Wir haben zwei große Währungsreformen erlebt, wo die meisten, die das miterlebt haben, viel Geld verloren haben. Für die war die Vorstellung einer neuen Währung jetzt zunächst schon einmal besorgniserregend. Umso mehr als die D-Mark jetzt die Währung war, die endlich ihr Vertrauen gefunden hatte und die sie gerne beibehalten hätte."

"Das neue Geld heißt die Deutsche Mark, jede Mark hat 100 Deutsche Pfennige", verkündete Robert Lochner, Sprecher der amerikanischen Militärverwaltung, am 18.Juni 1948: "Indem die westlichen Besatzungsmächte Deutschland eine gesunde Währung geben, verfolgen sie das Ziel eines von Westen her geeinigten Deutschlands, das befreit von Chaos, seinen Platz in der Gemeinschaft der freien Völker wieder einnehmen kann."

Am 20. Juni 1948 wurde in den drei Westzonen (der amerikanischen, der englischen und der französischen) die D-Mark eingeführt, vier Tage später bekam die sowjetische Besatzungszone eine neue Währung: Die alte Reichsmark wurde dort in die sogenannte Tapetenmark getauscht. "Tapetenmark", weil briefmarkenähnliche Kupons einfach auf die alten Scheine aufgeklebt wurden. In der SBZ nutzte man die Währungsreform zur Durchsetzung der Planwirtschaft, im Westen war sie Ausgangspunkt eines ungestümen Aufschwungs der Marktwirtschaft.

Wenn es für die Deutschen nach 1945 Grund für einen berechtigten Nationalstolz gab, dann wegen der D-Mark. Umso schwerer fällt heute die Trennung. Man stelle sich vor, die Franzosen müßten auf ihre Trikolore verzichten...

Nicht nur im Westen Deutschlands war die D-Mark begehrt. Im Osten war sie im Herbst 1989 während der so genannten Wende Objekt der Begierde auf zahlreichen Leipziger Montagsdemonstrationen. Auf Spruchbändern war dort die Parole zu lesen: "Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, so gehen wir!"

Karl Otto Pöhl, im Jahre 1989 als Bundesbankpräsident Gralshüter einer harten D-Mark, war aus wirtschaftlichen Gründen zunächst gegen eine schnelle Einführung der D-Mark im Osten Deutschlands: "Für uns, für die Bundesbank, ist die Währungsunion mit der DDR die größte Herausforderung der Nachkriegszeit. Die Einführung der D-Mark in der DDR ist mißverständlich als Währungsunion bezeichnet worden, aber Währungsunion in Europa. Beide Vorgänge sind völlig unterschiedlich, sogar konträr. Nicht zwei Währungsunionen gleichzeitig schaffen, sondern zwei völlig verschiedene Vorgänge."

Während die DDR-Wirtschaft vor dem Kollaps stand und aus diesem Grunde die D-Mark eingeführt wurde, haben sich im Falle Europas starke Volkswirtschaften zusammengeschlossen - Volkswirtschaften, die so stark sind, dass sie strengen Stabilitätskriterien nachkommen können. Nur dann werden sie in den Euro-Verbund aufgenommen.

Von der Einführung des Euro versprechen sich die beteiligten Länder einen neuen Schub an Gemeinsamkeit. Armin Unterberg von der Dresdner Bank: "Das war ja im Grunde die Idee, dass man gesagt hat, wenn wir in Europa weiterkommen wollen, dann müssen wir ein sichtbares Zeichen setzen, das auch der Bürger sieht."

Unterberg erinnert an die Ausgangsposition der alten Europäer Adenauer, De Gasperi, Schuman: "Sie haben von Anfang an gesehen, dass wir Europa nicht einen können, indem wir plötzlich eine politische Einheit bilden. Dafür waren die Strukturen in Europa zu alt, zu gewachsen, das war völlig unmöglich. Und sie haben gesagt: Europa wird nur eins durch das Schaffen wirtschaftlicher Fakten. Man hat dann begonnen, wirtschaftliche Fakten zu schaffen. Montanunion, dann die EWG 1957, Römische Verträge, Europäische Gemeinschaft. In diesem Sinne ist eigentlich die Einführung des Euro eine logische Fortführung des Schaffens wirtschaftlicher Fakten, die dem Bürger zeigen: Europa wächst tatsächlich zusammen."

1988 entwickelte der damalige EG-Kommissionspräsident Jacques Delors einen Drei-Stufen-Plan zur Einführung einer Währungsunion. Seine Eckpunkte deckten sich mit deutschen Vorstellungen: Es ist ein Plädoyer für eine streng stabilitätsorientierte Geldverfassung einer unabhängigen Notenbank. Delors Vorschläge liegen dem Vertrag von Maastricht von 1991 zugrunde.

Dazu Armin Unterberg: "Wenn man den Maastrichter Vertrag durchliest, sieht man, dass er fast exakt nach dem Schnittmuster der Bundesbank aufgebaut worden ist. Manches, was bei uns nur implizit vorhanden war, ist dort sogar explizit aufgeführt. Zum Beispiel das Verbot der Finanzierung staatlicher Haushalte durch die Notenbank."

Die Europäische Zentralbank wurde weitgehend nach deutschen Vorstellungen organisiert und ist - als deutliches Symbol - in Frankfurt beheimatet. Obwohl sich also die Deutschen weitestgehend durchsetzen konnten, gibt es ausgerechnet bei uns weiterhin Bedenken gegenüber dem Euro.

Einerseits war die Einführung des Euro ein mutiger Schritt, auf der anderen Seite kniffen die Politiker, insbesondere die deutschen Politiker, sagt Unterberg: "Es wäre ein großes Wagnis gewesen, es war vom Grundgesetz her nicht notwendig. Und insofern hat man das Wagnis auch vermieden."

Mit der neuen Währung sind große Hoffnungen verbunden. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl: "Der Euro ist eine der großen Antworten Europas auf die Globalisierung der Weltwirtschaft. Ein stabiler Euro hat auch gute Chancen, eine wirklich ernst zunehmende Alternative zum US-Dollar als Weltwährung zu werden."

Zur Zeit sind wir weit von dieser sogenannten "Weltmachtqualität" entfernt. Denn der Euro ist zwar nach innen stabil, doch nach außen labil. Manche reden bereits vom "Weichei Euro". Armin Unterberg: "Ein weiterer Grund der Skepsis ist der niedrige Aussenwert des Euro im Moment im Verhältnis zum Dollar. Viele verwechseln das, was sie in der Zeitung lesen: schwacher Euro, mit einer schwachen Währung, der man auch nicht vertrauen kann. Da muß man aber strikt unterscheiden zwischen dem Wechselkurs nach außen und der Stabilität der Währung nach innen, sprich der Höhe der Inflationsrate. Nach innen ist der Euro keine schwache Währung, im Gegenteil, wir haben in den letzten zwei Jahren auch im Vorfeld des Euro schon stabilere Zeiten erlebt, als jemals zu D-Mark-Zeiten in einem solchen langen zusammenhängenden Zeitraum."