Afrikanische Verhandlungen
31. Mai 2011Nur wenige Fortschritte hatte der südafrikanische Präsident Jacob Zuma auf der Rückreise im Gepäck: Er war am Montag (30.05.) in die libysche Hauptstadt Tripolis gereist, um dort einen Friedensschluss zwischen Regierung und Rebellen zu vermitteln.
Zuma und eine Delegation von Vertretern führender afrikanischer Staaten hatten dem libyschen Staatschef Gaddafi bereits im April ihren Friedensplan vorgestellt. Da flogen NATO-Flugzeuge seit einem Monat unter UN-Mandat gegen Gaddafis Truppen - um eine humanitäre Krise im Land zu verhindern. Genau diese Angriffe der NATO-Kampfjets machten den Auftrag für die Afrikanische Union (AU) aber umso schwieriger.
Ohne Rücktritt kein Frieden
Der Friedensplan der Afrikansichen Union für Libyen basiert auf älteren Vermittlungs-Modellen in Kenia und Zimbabwe. Diese hatten Erfolg, weil die regierende Klasse an der Macht blieb. "Die Afrikanische Union hat viel Erfahrung in Schlichtungsgesprächen und hat sich auch um so schwierige Fälle wie Darfur und die Elfenbeinküste gekümmert", sagte Richard Gowan, Afrika-Experte beim Europäischen Rat, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Ergebnisse waren allerdings abhängig von der Komplexität der Konflikte. Kritiker sagen, dass die Afrikanische Union manchmal zu respektvoll mit autokratischen Regimen umgeht."
Aus genau diesen Gründen hat die Übergangsregierung der Rebellen die Vermittlungsversuche der Union abgelehnt. Im Friedensplan gehe es nicht um ihre wichtigste Forderung, den Rücktritt von Gaddafi, kritisieren die Rebellen. Und Gaddafi selbst will seine Macht nach 42 Jahren als Staatsoberhaupt nicht freiwillig abgeben.
Doch ohne Rücktritt scheitert der Plan der Union. Das bekräftigte der Chef der Übergangsregierung Mustafa Abdul-Jalil vor wenigen Tagen erneut: "Wir möchten nochmals betonen, dass die Basis für eine mögliche Lösung der Libyen-Krise die Abschaffung ihres Hauptauslösers ist - und das ist Gaddafi", hieß es in einer Mitteilung von Abdul-Jalil. "Wir begrüßen jede politische Lösung, die das Blutvergießen beendet. Aber sie muss basieren auf dem Abgang von Gaddafi, seinen Söhnen und seinem Regime."
Vertrauen und Glaubwürdigkeit
Der Versuch des südafrikanischen Staatschefs, Gaddafi zum Rücktritt zu bewegen, bekam möglicherweise zum richtigen Zeitpunkt Rückenwind aus Russland. Ende Mai forderte der russische Präsident Dimitri Medwedew Gaddafi auf, sein Amt niederzulegen. Diese Geste markiert einen Wandel in der russischen Außenpolitik: Bisher hatte Medwedew es abgelehnt, Druck auf den libyschen Staatschef auszuüben. Jetzt schloss er sich mit seiner Forderung der Haltung von USA und Europäischer Union an.
"Da die Mitglieder der Afrikanischen Union nicht direkt in die Luftschläge gegen Gaddafi involviert sind, wirken sie noch wie 'ehrliche Vermittler'", sagte Richard Gowan. "Da Gaddafi jetzt offensichtlich militärisch und politisch geschwächt ist, könnte der Vorschlag der AU der letzte ehrenwerte Ausweg für ihn sein."
Auch Thorsten Benner, stellvertretender Direktor des Global Public Policy Instituts in Berlin, sagte, die Union und ihr oberster Gesandter Zuma hätten diese Chance verdient. "Es gibt nicht mehr viele glaubwürdige Unterhändler", sagte Benner der Deutschen Welle.
Rückschlag für die Union
Allerdings hat Gaddafi mit dem ursprünglichen Friedensplan kurzen Prozess gemacht: Obwohl er im April einem Waffenstillstand zunächst zugestimmt hatte, brach er sein Versprechen binnen weniger Tage und bombardierte die Rebellenstädte Benghazi und Misrata stärker als zuvor.
"In dem Augenblick als Zuma damals Tripolis verlassen hatte, war dieses Abkommen der Afrikansichen Union mit Gaddafi nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben stand", urteilte Brenner.
Wie es mit dem Friedensplan und Zumas Verhandlungen weitergeht, könnte auch auf den künftigen Ruf der Afrikanischen Union Einfluss nehmen. Das Ansehen der Gemeinschaft hat schon unter dem anfänglich unentschlossenen Herangehen an die Libyen-Krise gelitten.
Uneinigkeit an allen Fronten
Und auch die Zukunft von Zuma selbst steht auf dem Spiel. Zu Beginn der Krise waren er und die anderen afrikanischen Staatschefs uneinig über die UN-Resolution zur Flugverbotszone über Libyen und den Einsatz von Waffen, um Zivilisten zu schützen. Als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat hatte Südafrika sich für eine Militäraktion ausgesprochen - obwohl die Afrikanische Union eine friedliche Lösung gefordert hatte.
Eine Bedrohung für die Einheit der Afrikanischen Union. Zuma stellte sich daraufhin wieder auf die Seite seiner afrikanischen Kollegen und forderte eine Ende der Luftangriffe. Den andauernden Beschuss durch die NATO nannte er eine klare Verletzung des UN-Mandats, da das Bombardement sich gezielt gegen Gaddafi richte und nicht - wie beschlossen - dem Schutz von Zivilisten diene.
"Zumas Mission bedeutet ein großes politisches Risiko für ihn", sagte Gowan. "Er wurde stark kritisiert für seine Entscheidung, dass Südafrika die UN-Resolution 1973 - die das NATO-Bombardement autorisiert - unterstützt. Ihm war womöglich nicht klar, wie heftig die NATO handeln würde."
Aber auch der Westen kritisiert Zuma, fügte Gowan an: Der südafrikanische Politiker würde zu schnell einen Waffenstillstand zu Gaddafis Konditionen akzeptieren.
Die gespaltene Union
Das Verhältnis der AU zu Gaddafi führt laut Gowan auch zu Spaltungen zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten: "Das Problem ist, dass Gaddafi eine sehr wichtige Figur in der Gründung und Finanzierung der Union war. Deshalb hat er immensen Einfluss in nordafrikanischen Staaten wie Mali oder Niger."
Einigkeit gibt es in einem Punkt: Das Bündnis fühlt sich bevormundet von einigen internationalen Mächten, die in der Libyen-Krise die Führung übernommen haben. Eigentlich müsse die Afrikanische Union die Hauptrolle spielen, heißt es - schließlich finde der Konflikt sozusagen im eigenen Hinterhof statt.
"Einige internationale Kräfte scheinen Afrika eine bedeutende Rolle in der Suche nach einer Lösung abzusprechen", sagte Jean Ping, Vorsitzender der Kommission der Afrikanischen Union, bei einem Gipfeltreffen in Äthiopien vergangene Woche. "Afrika lässt sich nicht zu einem Beobachter der eigenen Elends abstempeln."
Thorsten Benner zufolge hat die Union allerdings "eindeutige Kapazitätsprobleme". Sich ständig zu beschweren und afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme zu fordern, sei kein Weg: "Die Union muss durch Erfolge überzeugen."
Author: Nick Amies / Monika Griebeler
Redaktion: Sabina Casagrande /im