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"Der Krieg gegen die PKK ist falsch"

Jan D. Walter28. Juli 2015

Der türkische Präsident Erdogan hat den Friedensprozess mit der PKK für beendet erklärt. Ein großer Fehler, sagt die Politologin Gülistan Gürbey, denn die Kurden sind ein Stabilitätsfaktor in Nahost. Gerade jetzt.

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Türkei Anschlag auf Soldaten in Diyarbakir (Foto: ILYAS AKENGIN/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/I. Akengin

DW: Frau Gürbey, nach Luftangriffen auf kurdische Stellungen hat Präsident Recep Tayyip Erdogan die Friedensgespräche mit der Kurdischen Arbeiterpartei PKK für beendet erklärt. Hatte er nach dem Mord an zwei Polizisten eine andere Wahl?

Gülistan Gürbey: Diese Entscheidung war nicht spontan. Das Erstarken der PKK und anderer kurdischer Gruppen war der türkischen Regierung schon lange ein Dorn im Auge. Sie will mit aller Macht verhindern, dass sich die bisher verstreuten kurdischen Selbstverwaltungs-Kantone im Norden Syriens etablieren und durch militärische Erfolge geografisch zusammenwachsen. Nicht zuletzt deshalb hat die türkische Regierung den "Islamischen Staat" so lange gewähren lassen.

Erdogan selbst hatte den Prozess 2012 angestoßen. Gab es seither überhaupt echte Fortschritte?

Ein Erfolg war sicher der beiderseitige Waffenstillstand über zweieinhalb Jahre. Das hat die Situation in der Türkeit merklich entspannt.

Der Annährungsprozess selbst ist währenddessen allerdings nicht vorangekommen. Nach wie vor liegen die Positionen zu weit auseinander: Kurdischsprachiger Schulunterricht und mehr Selbstverwaltung innerhalb des türkischen Staates - das will die AKP-Regierung den Kurden nicht zugestehen.

Deutschland Dr. Gülistan Gürbey
Dier Berliner Politologin Gülistan Gürbey fordert mehr Autonomie für die Kurden.Bild: privat

Das ist Innenpolitik. Warum die Angst vor autonomen Kurden in Syrien oder im Nordirak?

Es existiert eine organische Verbindung zwischen den kurdischen Organisationen innerhalb und außerhalb der Türkei. Eine starke PKK in Syrien oder im Irak stärkt auch die PKK in der Türkei.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Entscheidung von Präsident Erdogan?

Der Krieg gegen den IS ist überfällig, und er wird hoffentlich konsequent geführt. Den Krieg gegen die PKK halte ich für falsch. Es wäre der Gesamtsituation dienlicher, den Friedensprozess mit der PKK fortzuführen und sogar die Kurden außerhalb der Türkei einzubeziehen.

Um ihre Autonomie anzuerkennen?

Historisch gesehen sind ihre Autonomiebestrebungen ja legitim: Die Kurden wurden bei der Friedensregelung nach dem Zusammenbruch des Osmanischem Reichs schlicht übergangen. Seither kämpfen sie für ihre Selbstbestimmung. Ihre Zahl ist so groß, und ihr Kampf so nachdrücklich - ich glaube, man kommt nicht umhin, ihnen ein gewisses Maß an Autonomie zuzugestehen - sei es in bestehenden Staatsgrenzen oder sogar in einem eigenen Nationalstaat

Könnte ein kurdischer Nationalstaat sogar ein Stabilitätsfaktor in der Region sein?

Natürlich, auf jeden Fall. Die Kurden sind ja jetzt schon ein Stabilitätsfaktor im Nahen Osten durch ihren Kampf gegen den IS.

Wohin steuert die Türkei nach dem Ende des Friedensprozesses mit der PKK?

Der Türkei stehen schlechte Zeiten bevor. Die PKK wird zurückschlagen, die Zahl der Anschläge dürfte steigen. Und auch in den großen Städten der Westtürkei, in denen ja viele Kurden leben, ist eine Eskalation der Gewalt nicht auszuschließen. Das ist weder für die Türken, noch für die Kurden gut.

Gülistan Gürbey ist Privatdozentin am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.

Das Interview führte Jan D. Walter