Der K(r)ampf um den Obersten Gerichtshof
10. Januar 2006Mit einem Plädoyer für richterliche Unabhängigkeit hat Samuel Alito um das Vertrauen der US-Senatoren geworben. Zum Auftakt seiner Anhörung vor dem Senat in Washington versuchte Alito, die Zweifel der oppositionellen Demokraten an seiner Überparteilichkeit zu zerstreuen. "Ein Richter darf nicht seine eigene Agenda verfolgen", sagte Alito. Niemals dürfe sich ein Richter mit einer vorgefassten Meinung eines Falles annehmen. Gute Richter seien "immer offen dafür, ihre Ansicht zu verändern", wenn neue Erkenntnisse dies verlangten. Die Demokraten werfen Alito vor, rechtskonservative Ansichten zu vertreten.
Gremium mit Einfluss
Präsident Bush nominierte Alito zum Nachfolger von Richterin Sandra O'Connor. Ihr Ausscheiden macht die Nominierung Alitos zu einem brisanten Politikum: Vier der Obersten Richter gelten als konservativ, vier als eher liberal. Der neunte Richterposten hat damit automatisch die Funktion des Züngleins an der Waage.
O'Connor, eine Republikanerin, bewies in ihren 24 Jahren als Richterin viel unabhängiges Denken. Oft gab sie den Ausschlag bei Kontroversen über Kirche und Staat, Abtreibung und bürgerliche Freiheiten. Die von Ex-Präsident Ronald Reagan ernannte Richterin urteilte dabei nicht immer im Sinne ihrer Partei.
Der Gerichtshof ist die letzte Instanz bei Entscheidungen nach der Gesetzgebung. In diesem Jahr stehen wichtige und in den USA besonders kontrovers diskutierte Entscheidungen zur Abtreibung, Sterbehilfe und Homosexualität an. Im Fall einer Bestätigung Alitos könnte der "Supreme Court" nach rechts rücken.
Alitos Auffassungen
Samuel Alito kann auf eine über 15-jährige Erfahrung als Bundesrichter zurückblicken. Der Enkel italienischer Einwanderer begann seine juristische Karriere im Justizministerium unter Präsident Ronald Reagan. In dieser Zeit lieferte er seinen Gegnern die stärkste Munition, für das jetzt begonnene Anhörungsverfahren, in dem vor allem die Senatoren der Demokratischen Partei Alito in ernsthafte Bedrängnis bringen wollen.
In einem internen Bewerbungsschreiben argumentierte der Kandidat im Jahr 1985, dass die US-Verfassung keineswegs das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch gewähre - obwohl das 1973 ergangene Grundsatzurteil im Fall "Roe versus Wade", Frauen in den USA seit nunmehr drei Jahrzehnten die grundsätzliche Möglichkeit zur Abtreibung gibt.
Außerdem gehört Alito einem Förderer-Kreises der angesehenen Princeton University an. Vor 20 Jahren argumentierte er in diesem Rahmen für eine Beschränkung der Zulassung schwarzer Studenten an der Hochschule.
Wer kontrolliert wen?
Von zentraler Bedeutung in der Anhörung des Kandidaten im Senat wird jedoch Alitos Position in Verfassungsfragen sein, insbesondere dort, wo sie die umstrittenen Rechte des Präsidenten in Kriegszeiten definieren. Vor dem Hintergrund der umstrittenen Inhaftierung von Gefangenen in Guantanamo und der jüngst bekannt gewordenen Abhöraktionen gegenüber US-Bürgern im Inland sorgen sich viele, dass Alito am Obersten US-Gericht einseitig die Kontroll-Rechte der Legislative und Judikative gegenüber dem Präsidenten beschränken könnte. "Wird der 'Supreme Court' weiterhin eine
echte Kontroll-Instanz bleiben, oder wird sich das Gericht der Meinung derjenigen anschließen, die den Präsidenten zu bestimmten Zeiten als über den Gesetzen stehend betrachten?", fragt sich nicht nur Senator Patrick Leahy von der Demokratischen Partei.